Pervertierter Patentschutz: Mit ihrem «Evergreening» zocken Novartis & Co auch die Schweizer Bevölkerung ab

Schweizer Pharmakonzerne sind berüchtigt dafür, ihre Generika-Konkurrenz mit Patentklagen auszuschalten, um so die Profite ihrer von einem Dickicht an Patenten und damit vom freien Markt abgeschotteten Blockbuster-Produkte zu maximieren. Exemplarisch dafür ist Entresto: Wie unsere Recherchen zeigen, gingen zu diesem Herzpräparat von Novartis allein in den USA innert drei Jahren 25 Klagen gegen 18 Pharmafirmen ein. Diese Prozessflut gefährdet den Zugang zu bezahlbaren Behandlungen, auch in der Schweiz. Der Bundesrat muss endlich gegen den systematischen Missbrauch geistigen Eigentums bei Medikamenten vorgehen. Als Mitglied des Europäischen Patentamts könnte die Schweiz etwa dabei helfen, die Erteilung missbräuchlicher Patente bereits im Vorfeld zu verhindern.

Neue Medikamente werden von ihren Herstellern durch Dutzende, manchmal sogar über 100 Patente geschützt. Deren gezielte zeitliche Staffelung verlängert die Dauer des Marktmonopols für ein Produkt weit über jene 20 Jahre hinaus, welche das Abkommen über die Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPS) der Welthandelsorganisation (WTO) dafür eigentlich vorsieht. Die strategische Anhäufung von Patenten, im Branchenjargon «Evergreening» genannt, ist längst ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells von Big Pharma. Aufgrund der Anzahl angemeldeter Patente rühmt sich die Schweiz gern als innovativstes Land. Dabei sind die allermeisten davon – zumindest im Bereich der Arzneimittel – ungerechtfertigt und bringen statt echtem medizinischen Fortschritt bloss hohe Monopolpreise, welche die Patient*innen wie auch die staatlichen Gesundheitskosten immer stärker belasten. 

Um die Zulassung generischer Konkurrenzprodukte so lange wie möglich hinauszuzögern, initiieren Pharmakonzerne systematisch langwierige Rechtsstreite. Dies hauptsächlich in den USA, dem mit Abstand wichtigsten Medikamentenmarkt, aber auch in Indien wegen seiner starken Generika-Industrie. Recherchen von Public Eye zeigen, dass Novartis hier eine besonders unrühmliche Rolle spielt: Wegen angeblicher Verletzung von 9 ihrer Entresto-Patente reichte der Basler Riese zwischen Oktober 2019 und Oktober 2022 an US-Gerichten nicht weniger als 25 Klagen gegen 18 Pharmafirmen ein. Selbst die Biden-Regierung wurde von Novartis verklagt, als sie eine staatliche Preiskontrolle für Entresto einführte. Der Grund: Das Herzpräparat generierte 2023 mit über 6 Milliarden US-Dollar, davon 39 Millionen Franken in der Schweiz, den weltweit höchsten Umsatz aller Produkte des -Konzerns. In nur acht Jahren hat dieser Blockbuster über 20 Milliarden US-Dollar in seine Kasse gespült. 

Die Zeche dafür zahlen in den USA, Indien und zunehmend auch in der Schweiz die auf Entresto und andere lebenswichtige Medikamente angewiesenen Menschen oder aber die, soweit vorhanden, staatlichen Sozialwerke. Hierzulande machen Medikamente 1 von 4 Franken der Ausgaben der obligatorischen Krankenversicherung aus. 75% davon wiederum entfallen auf patentierte Produkte. Während der Druck der US-Regierung aufs strategische «Evergreening» von Big Pharma kontinuierlich steigt, versuchen Schweizer Behörden, die geistigen Eigentumsrechte von Novartis & Co weiter zu stärken. Und wo dies nicht gelingt, den Handlungsspielraum einkommensschwächerer Länder wie Indien bei der Bekämpfung von Missbräuchen einzuschränken, zum Beispiel im jüngst unterschriebenen Freihandelsabkommen. Stattdessen müsste das Pharmaland Schweiz endlich seiner politischen Verantwortung nachkommen und sich, als Partei des Europäischen Patentübereinkommens, für strengere Regeln bei der Patentierbarkeit und deren Durchsetzung einsetzen. 

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