Wegweisendes Urteil: Rohstoffhändler Gunvor muss wegen Korruption Millionenbusse bezahlen

Nach achtjährigen Ermittlungen hat die Schweizer Bundesanwaltschaft Gunvor in Zusammenhang mit Bestechungszahlungen bei Erdölgeschäften in der Republik Kongo und der Elfenbeinküste verurteilt. Wegen schwerer Mängel in der internen Organisation muss der Genfer Rohstoffhändler 4 Millionen Franken Busse zahlen und zudem für eine Ersatzforderung von fast 90 Millionen Franken aufkommen. Public Eye bedauert, dass es der schweizerischen Justiz bislang nicht gelungen ist, die Verantwortungsleiter emporzusteigen und das Top-Management von Gunvor zu belangen.

In einer exklusiven Recherche hat Public Eye bereits 2017 die zweifelhaften Praktiken des Genfer Rohstoffhändlers Gunvor im Kongo aufgezeigt und die Auswüchse einer gigantischen Affäre dokumentiert. In ihrem Strafbefehl schreibt die Bundesanwaltschaft (BA) nun, Gunvor habe nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen (gemäss Art. 102 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs) getroffen, um die Bestechung ausländischer Amtsträger in Zusammenhang mit Erdölaufträgen in Kongo-Brazzaville und der Elfenbeinküste zu verhindern. Der Rohstoffhändler habe sich «schwere Mängel in der internen Organisation» zuschulden kommen lassen. Die Firma habe zudem über kein Compliance-Programm verfügt. «Folglich scheint das Korruptionsrisiko seitens Gunvor [...] als Bestandteil der Geschäftstätigkeit akzeptiert worden zu sein», schreibt die BA in ihrer Medienmitteilung

Der Strafbefehl ist ein harter Schlag für die Verteidigungsstrategie des Genfer Rohstoffkonzerns, der sich stets als Opfer eines abtrünnigen Mitarbeiters präsentiert hat, der ohne sein Wissen und zu seinem Schaden gehandelt haben soll. Der CEO von Gunvor, Torbjörn Törnqvist, Gründer und mit 64 % Mehrheitsaktionär der Gruppe, sowie weitere Top-Manager Gunvors kommen jedoch immer noch glimpflich davon – obwohl ihre zumindest zweifelhafte Rolle in dieser Angelegenheit bei der Verurteilung des ehemaligen «Business developers» des Konzerns im August 2018 nachgewiesen worden ist. Letzterer legte gegen Strafminderung ein Geständnis ab.

In der vom Bundesstrafgericht von Bellinzona unterzeichneten Anklageschrift wird hervorgehoben, dieser Angestellte habe sich «in einem Arbeitsklima» bewegt, «in dem Korruption offenbar eine akzeptierte Geschäftspraktik gewesen zu sein scheint», und seine Zahlungen seien «in Zusammenarbeit mit anderen Gunvor-Angestellten» in die Wege geleitet worden und von der Finanzabteilung validiert worden.

In der Anklageschrift steht, dass Torbjörn Törnqvist durch eine E-Mail darüber informiert worden sei, dass Maxime Gandzion – ein kongolesischer Amtsträger, der insgesamt Provisionen von 15 Millionen Dollar erhalten hat – zum «Kreis der fünf Personen» gehörte, die «eine echte Entscheidungsgewalt im Kongo besässen». 2015 war der Chef von Gunvor in Bern als «Auskunftsperson» angehört worden. Den Informationen von Public Eye zufolge habe er dem Staatsanwalt Sautebin die Leistungen von Maxime Gandzion detailliert erläutert und erklärt, dass dieser einen guten Draht zum kongolesischen Präsidenten habe, der ihm «seine Mitteilungen, seine Erwartungen und seine Hoffnungen» in Bezug auf Gunvor mitteile. Er räumte ein, den Einsatz des Mittelsmanns «gutgeheissen» zu haben, mit dem ihm zufolge kein besonderes Risiko («Red Flag») einherging.

Andere Teile des Strafverfahrens sind weiterhin hängig. So läuft insbesondere gegen den ehemaligen Leiter Finanzierung von Gunvor noch immer ein Verfahren wegen Bestechung. Er war 2014 ohne sein Wissen gefilmt worden, als er Möglichkeiten erläuterte, kongolesische Beamte zu entschädigen.

Die Gunvor-Affäre, in der seit acht Jahren ermittelt wird, scheint zu zeigen, dass die Top-Manager von Rohstoffhändlern weiterhin unantastbar bleiben. Trotz des Vorliegens belastender Dokumente und erdrückender Zeugenaussagen bleibt es für die Schweizer Behörden meist eine unüberwindbare Hürde, Korruption tatsächlich zu beweisen.  

Diese für das Geschäftsmodell des hiesigen Rohstoffsektors emblematische Affäre verlangt nach einer politischen Reaktion. Sie zeigt auf, dass die von den Rohstoffhändlern vorgeschobenen Argumente, um sich gegen jegliche Regulierung zu wehren, einer gründlichen Überprüfung ihrer Geschäftspraktiken nicht standhalten. Die Bundesbehörden dürfen nicht länger auf den guten Willen der Firmen setzen, sondern müssen diesen Hochrisikosektor endlich regulieren, wie wir letztes Jahr in einem Bericht aufgezeigt haben.

Mehr über Gunvor im Kongo lesen Sie hier oder erfahren Sie (in Französisch oder Englisch) bei:

Agathe Duparc, Rechercheurin Rohstoffe, agathe.duparc@publiceye.ch +33(0)771223413
Adrià Budry Carbó, Rechercheur Rohstoffe, adria.budrycarbo@publiceye.ch +41(0)787386448

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