Banken und Menschenrechte: Showdown in Thun
15. Juni 2017
Autor: Andreas Missbach
Gut 10 Jahre ist es her, dass die Grossbanken UBS und Credit Suisse erste Schritte unternahmen, die Forderung der damaligen Erklärung von Bern nach Standards für Finanzierungen in Hochrisikosektoren – etwa der Ölförderung oder dem Bergbau – zu erfüllen. Die Papiere, die wir damals zu Gesicht bekamen, zeigten uns: Bezüglich Umweltrisiken hatten die Banken ihre Hausaufgaben gemacht, die Menschen aber, die von den von ihnen finanzierten Geschäften betroffen sind, schienen sie keine Spur zu interessieren. Deshalb zeigten wir daraufhin detailliert auf, welche Menschenrechte durch die Finanzierungen von UBS und Credit Suisse auf welche Weise verletzt werden.
Ein Grund für die Veröffentlichung war, die Banken auf die Bedeutung der von 2006 bis 2011 laufenden Verhandlungen zu den UNO-Leitprinzipien UNO-Leitprinzipien aufmerksam zu machen. Seit Beginn dieses Prozesses war Public Eye in Kontakt mit John Ruggie, dem Autor der Leitprinzipien. Bei der Kommentierung des allerletzten Entwurfs konnten wir einen entscheidenden Durchbruch erreichen, als an einigen Stellen die Worte «oder Dienstleistungen» eingefügt wurden. Dies bedeutete: Die Banken sind drin. Denn damit müssen Unternehmen nicht nur eine Verantwortung für ihre Aktivitäten rund um Produkte wahrnehmen, sondern auch bezüglich (Finanz-) Dienstleistungen.
Die Bombe der «Thun Group»
Als Reaktion auf unsere Kampagne und die UNO-Leitprinzipien luden UBS und Credit Suisse eine Reihe von Banken nach Thun ein, um das Thema Menschenrechte zu diskutieren. Unter dem Namen «Thun Group» veröffentlichten diese 2013 ein erstes Positionspapier, das aus unserer Sicht gar nicht so schlecht war. Deshalb liess sich Public Eye zusammen mit dem von uns mitgegründeten BankTrack-Netzwerk darauf ein, mit der Gruppe zu diskutieren. So wurden 2014 auch wir an den Thunersee geladen. Seither herrschte Funkstille vom Bankenclub. Bis im Januar 2017. Da veröffentlichte die «Thun Group» ein zweites Positionspapier, das bei allen Expertinnen und Experten, die sich für die zielgerichtete Umsetzung der Leitprinzipien einsetzen, einschlug wie eine Bombe. John Ruggie schrieb an die UBS, die Anlaufstelle der Thun Group:
Die UNO-Leitprinzipien sind nicht eine Art Rorschach-Test, in die jedermann hineininterpretieren kann, was ihm gefällt
Neben der UBS und der Credit Suisse hatten Barclays, BBVA, BNP Paribas, Deutsche Bank, ING, RBS, Standard Chartered, UniCredit und J. P. Morgan das Papier zu verantworten.
Nur ja keine Wiedergutmachung
Die schlimmste Behauptung im Papier der Thun Group ist die, Banken könnten allenfalls mit Menschenrechtsverletzungen «direkt verbunden» sein, nie und nimmer diese aber «verursachen» oder «dazu beitragen». Warum sie so argumentieren, liegt auch auf der Hand: Gemäss UNO-Leitprinzipien muss ein Unternehmen keine Wiedergutmachung für Menschenrechtsverletzungen leisten, wenn es mit diesen nur «direkt verbunden» ist. Auf Anfrage von BankTrack betonte das OHCHR in einem Bericht vom 12. Juni, dass die Verantwortung zur Wahrung der Menschenrechte auch den Bankensektor betrifft. Es ist das erste Mal, dass der UNHCHR detaillierte Vorschläge zur Umsetzung der Leitprinzipien im Bankensektor formuliert.
Am 19. Juni kommt es nun zum Showdown in Thun: Public Eye trifft dort zusammen mit Menschenrechtsexpertinnen und -experten aus aller Welt – unter anderem John Ruggie höchstselbst – auf die Konzernanwälte und -anwältinnen der Hochfinanz. Auch bei Nebel oder Regen dürfte es heiss werden.
Weitere Informationen:
- Fortsetzung: Ergebnisse des Treffens vom 19. Juni der Thun-Gruppe
- Zur Verantwortung der grossen Schweizer Banken im Bereich Menschenrechte
- Zu den Empfehlungen des Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) zum Bankensektor
Über diesen Artikel:
Dieser Artikel erschien im Magazin Nr. 6, Juni 2017. Das Magazin von Public Eye erscheint 5x jährlich. Als Mitglied erhalten Sie das Magazin kostenlos, Einzelexemplare können Sie im Shop bestellen.