Ein Jahr nach Abschluss des FHA mit China: Die VOLKSWIRTSCHAFT zieht eine irreführende Bilanz

Im Oktober 2015 erstellte die Zeitschrift VOLKSWIRTSCHAFT ein Dossier zum Freihandelsabkommen (FHA) Schweiz-China und zieht ein Jahr nach Abschluss des Freihandelsabkommens Bilanz. Bedauerlicherweise enthält dieses sowohl online als auch gedruckt erschienene Dossier eine Reihe von irreführenden und sachlich falschen Aussagen.

Es wird darauf verwiesen, dass «immer mehr Freihandels- und andere Wirtschaftsabkommen … Bestimmungen zu Arbeits- und Beschäftigungsthemen» enthielten;  2014 seien es bereits 60% gewesen. Zudem fördere die Schweiz die Forschung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dazu (Siehe Print-Ausgabe S. 55). Tatsache ist jedoch, dass es gerade in diesem FHA mit China nicht gelungen ist, menschen- und arbeitsrechtliche Bestimmungen, etwa in Form eines Nachhaltigkeitskapitels, zu verankern. Es ist damit ein zu Unrecht gefeiertes Abkommen eines historisch überholten Typs.      

Die «Vertragspartner anerkennen, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eng zusammenhängen» (Siehe Print-Ausgabe S. 55). Fakt ist, dass das FHA und das «Abkommen zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen» rechtlich nicht miteinander verknüpft sind. Es kann von China jederzeit ohne Auswirkungen auf das FHA gekündigt werden. Fakt ist zudem, dass die Schweiz und China nur auf bereits bestehende rechtliche Verpflichtungen verweisen. China ist keine neuen oder zusätzlichen Verpflichtungen eingegangen. Insbesondere machte China keinerlei Zusagen bezüglich der ILO-Kernarbeitsnormen, wovon es nur vier von acht ratifiziert hat. Deshalb ist es auch irreführend, wenn Marco Taddei  vom Schweizerischen Arbeitgeberverband schreibt, «Die Ziele der ILO sind darin ebenso berücksichtigt wie die unterschiedlichen nationalen Kontexte.» (Siehe Print-Ausgabe S. 60). Der erwähnte Verweis auf die «unterschiedlichen nationalen Kontexte» ist eine beliebte Methode, um die Bestimmungen eines Abkommens «explizit restriktiv» zu halten, selbst in Bezug auf «geltende Standards», wie ein Rechtsgutachten vom 25. Februar 2014 der Universität Zürich feststellt.

Das «Abkommen zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen», wie das eben erwähnte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Diggelmann festhält, «regelt den Rahmen für die Kommunikation zwischen der Schweiz und China über Arbeitstandards». Es schafft prinzipiell keine neuen Verpflichtungen für China, obwohl indirekt die Möglichkeit geschaffen wird, «in beschränktem Mass auf die bessere Beachtung der für China bereits geltenden Standards» Einfluss zu nehmen. Schiedsgerichtsverfahren zur Sicherstellung von Arbeitsrechten sind jedoch in diesem Abkommen ebenso wenig vorgesehen wie Zollmassnahmen oder andere geeignete Mittel gegen die Einfuhr von Produkten, die unter menschenrechtswidrigen Bedingungen wie Zwangsarbeit hergestellt werden.

Fazit

Arbeitsgebervertreter Marco Taddei schreibt in der Zeitung VOLKSWIRTSCHAFT: «Der Abbau der Zollschranken geht mit der Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards einher.» (Siehe Print-Ausgabe S. 60). Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Der Zollabbau findet völlig losgelöst von einer notwendigen Verbesserung der menschen- und arbeitsrechtlichen Situation in China statt und schafft damit einen negativen Präzedenzfall, der die Verhandlungen anderer Länder mit China beeinflussen könnte. Es gibt also weiterhin keinen Grund, das FHA mit China zu feiern.


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