Glivec in Kolumbien: Geleakter Brief zeugt von Druck auf höchster Ebene
5. Februar 2018
Dieses Schreiben an den kolumbianischen Präsidenten vom 8. Juni 2016 ist der neuste einer Reihe von geleakten Briefen, die Novartis‘ Bemühungen beweisen, unter allen Umständen eine Zwangslizenz und somit eine Preissenkung auf ihren Kassenschlager Glivec zu verhindern. Der Brief erreichte den Präsidenten eine Woche bevor der kolumbianische Gesundheitsminister, Alejandro Gaviria, eine lang erwartete Resolution verabschiedete, in der Glivec als von öffentlichem Interesse eingestuft wird (Resolution Nr. 2475, 2016). Eine solche Erklärung des öffentlichen Interessens (declaration of public interest, DPI) kann unter kolumbianischem Recht zur Erteilung einer Zwangslizenz führen.
Der Brief ist ein weiterer Versuch von Novartis‘ CEO, eine legitime Entscheidung eines souveränen Staates zum Schutz seines Gesundheitswesens zu untergraben. Bereits im Frühling 2016 hatte Novartis Kolumbien damit gedroht, den Fall vor ein internationales Schiedsgericht zu bringen. Diese Druckversuche verfehlten ihre Wirkung nicht: Die Resolution 2475 vom 14. Juni 2016 fokussierte lediglich auf eine Preisreduktion und liess die Möglichkeit einer Zwangslizenz gänzlich ausser Acht.
2016 wurde Glivec zu einem Preis von ca. 15‘000 CHF pro Person und Jahr vermarktet, was in etwa dem Doppelten eines durchschnittlichen kolumbianischen Jahresgehalts entspricht. Zahlen des Gesundheitsministeriums zufolge machte 2014 Novartis‘ Umsatz mit Glivec in Kolumbien nur 0.2% des globalen Umsatzes mit diesem Produkt aus. Seit der Markteinführung spielte es insgesamt über 50 Milliarden CHF in die Kassen des Pharmariesen. Wirtschaftliche Gründe spielen hier folglich kaum eine Rolle – der Fall ist vielmehr hochpolitisch.
Dieser neuerliche Angriff von Novartis auf die legitime Entscheidung eines souveränen Staates zeigt folglich vor allem eines: Ihre Angst vor einem Präzedenzfall.
Lesen Sie auch den Artikel, der am 4.2.2018 in der Sonntagszeitung erschien.
Hintergrund:
*Zwangslizenzen sind eine im Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) vorgesehene Flexibilitätsregelung. Dieses legale und legitime Instrument wurde im Rahmen der Erklärung von Doha über öffentliche Gesundheit (2001) sowie in einem wegweisenden Bericht des UNO High-Level Panel on Access (geleitet von der ehemaligen Bundesrätin Ruth Dreifuss) bekräftigt (2016). Im TRIPS-Abkommen werden die Nutzung, die Gründe, die Umstände und die Art der Probleme der öffentlichen Gesundheit, bei denen Zwangslizenzen erteilt werden können, nicht eingegrenzt. Die Erklärung von Doha gesteht den WTO-Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht zu, Zwangslizenzen auszustellen und selber festzulegen, wann diese zum Einsatz kommen..