Hochgiftiges Paraquat: stellt Syngenta unter ChemChina Produktion ein?
29. Juni 2017
Es herrschte eine seltsame Atmosphäre, als am 26. Juni im Basler Kongresszentrum die letzte Generalversammlung Syngentas vor der Übernahme durch ChemChina über die Bühne ging. Bloss sechzehn Aktionäre waren anwesend, die anderen hatten zum grossen Teil ihre Anteile bereits verkauft. In der ersten Reihe sass Jianxin Ren, Präsident von Chem China, der fast 96% des Aktienkapitals Syngentas besitzt. Umgeben von seinen engsten Mitarbeitenden wartete er geduldig auf die offizielle Bekanntgabe seiner Wahl als neuer Verwaltungsratspräsident.
Schöne Worte – und die Realität ?
Sein Vorgänger, Michel Démarré, zeigte sich in seiner letzten Ansprache stolz, einem Unternehmen vorzustehen, das sich für Ernährungssicherheit, nachhaltige Landwirtschaft und Innovation einsetze. Innovation? Genauer betrachtet hat der Basler Multi seit 2000 bloss einmal sieben neue Produkte eingeführt und verkauft weiterhin sehr alte Pestizide, wie beispielsweise Paraquat, das bereits 1962 auf den Markt kam. Ernährungssicherheit? Erinnern wir daran, dass Syngenta 45% seines Umsatzes mit zwei Kulturen macht: Soja und Mais, die nicht in erster Linie als Nahrungsmittel sondern als Biotreibstoffe und Kraftfutter verwendet werden. Nachhaltigkeit? Erst kürzlich haben Experten des Menschenrechtsrats der UNO in einem Report die „verheerenden Auswirkungen von Pestiziden für die menschliche Gesundheit und die Umwelt“ betont und festgehalten, dass "die Beteuerungen der Agrochemie-Industrie, Pestizide seien für die Ernährungssicherheit notwendig, so falsch wie gefährlich irreführend" seien.
Weltmarktführerin auf dem Pestizidmarkt
In seinem Jahresbericht weist Syngenta einen leichten Rückgang der Verkäufe für 2016 aus, bei stabilem Gewinn von 2,7 Mia. Dollar vor Besteuerung. Mit rund 10 Mia. Verkäufen bleibt der Basler Konzern die Nummer eins auf dem Pestizidmarkt, vor Bayer und BASF. Syngenta produziert ca. 120 Pestizid-Wirkstoffe, von denen rund 40 als hochgiftig klassiert werden. Paraquat, eines der giftigsten Pestizide der Welt, verursacht jährlich Tausende Vergiftungen. Immer mehr wissenschaftliche Studien belegen auch einen Zusammenhang mit Parkinson.
Groteske Zahlen und falscher Ansatz
An der Generalversammlung erinnerte Public Eye mit einer Wortmeldung an diese düstere Realität: Jedes Jahr sterben rund 200'000 Menschen durch akute Vergiftung mit Pestiziden, 99% davon in Entwicklungsländern. Als Weltmarktführerin trägt Syngenta eine hohe Verantwortung. Auf diese Kritik antwortet der Konzern, er habe die Absicht, bis ins Jahr 2020 20 Mio. Menschen für die Nutzung seiner Produkte zu schulen. In den letzten drei Jahren seien bereits 17 Mio. Menschen geschult worden – stimmten diese Zahlen, wären es durchschnittlich rund 20‘000 Menschen pro Tag. Abgesehen davon, dass diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen sind, ist der ausschliesslich auf Schulungen basierende Ansatz an sich problematisch: Wie die FAO in ihrem Verhaltenscodex zum Umgang mit Pestiziden erklärt, kann die Reduktion der Risiken hochgiftiger Pestizide nicht durch Schulungen, sondern nur durch den Ersatz mit alternativen, weniger giftigen Pestiziden geschehen. Anders ausgedrückt: eine sichere Anwendung hochgiftiger Pestizide ist schlicht nicht möglich, insbesondere in Entwicklungsländern, wo Regulierungen meist schwächer sind und Schutzmassnahmen weniger konsequent umgesetzt werden.
Doppelstandards – wie lange noch ?
Paraquat ist weltweit in mehr als 40 Ländern verboten. Nachdem die EU und die Schweiz die Nutzung des Pestizides bereits seit vielen Jahren untersagen, verbietet seit 2016 auch China Paraquat, um die „Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung zu schützen“. Dieses hochgefährliche Produkt ist also im Land, wo Syngentas Hauptsitz liegt, in dem seines Hauptaktionärs und auch in den Ländern seiner grössten Produktionsstätten verboten. Public Eye fordert von den neuen Eigentümern des Konzerns, diesen heuchlerischen Doppelstandards ein Ende zu setzen und ein für alle mal aus diesem lukrativen, aber illegitimen Geschäft auszusteigen.
Weitere Informationen:
Unser Dossier zu Pestiziden