Merkwürdiger Deal: Syngenta sponsert ETH Forschung zu nachhaltigen Agrarökosystemen

Am 11. November 2010 gaben die ETH Zürich und Syngenta in einer gemeinsamen Medienerklärung bekannt, dass sie einen Lehrstuhl für nachhaltige Agrarökosysteme initiieren.
© ETH Zürich/Susi Lindig

Kernpunkt des Deals: Syngenta stiftet 10 Millionen Franken für die Finanzierung des Lehrstuhls während der nächsten 10 Jahre. Der Lehrstuhl ist Teil der "World Food System Initiative" der ETH. Die Partnerschaft von Syngenta und ETH soll als Plattform für gemeinsame zukünftige Projekte rund um die Themen Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft dienen.

Es verwundert nicht, dass die Erklärung von Bern auf diese Ankündigung hin kritische Nachforschungen anstellte. Seit Syngentas Bestehen weist die EvB auf die nicht nachhaltige Geschäftspraxis des Basler Agrokonzerns hin. Die Erklärung von Bern hat aufgezeigt, wie der Konzern mit dem Verkauf von Paraquat die Verantwortung für die Vergiftung Tausender Bauern und Bäuerinnen trägt, wie er mit seiner Patentpolitik Innovation behindert und wie er durch sein Lobbying und seine Kommunikation den Verkauf von Pestiziden und von Gentech-Saatgut weiter vorantreibt. Und nun sollte diese Syngenta Partner der ETH im Bereich "Nachhaltige Agrarökosysteme" werden?

Treffen mit der ETH-Leitung

Im Rahmen der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG) – viele Mitgliedorganisationen der SAG hatten dieselben Bedenken wie die EvB – haben Maya Graf, die Präsidentin der SAG und François Meienberg (EvB) bei der ETH weitere Informationen eingeholt. Nach mehrmaligen Briefwechseln mit Ralph Eichler, dem Präsidenten der ETH, wurde ein Treffen der obengenannten SAG-Vertreter mit Hr. Eichler vereinbart. Von Seiten der SAG waren auch Tina Goethe (Swissaid) beim Treffen, von Seiten der ETH Nina Buchman, Professorin am Institut für Agrarwissenschaften und Leiterin des Kompetenzzentrums Welternährungssystem, sowie Nikolaus Gotsch, Mitarbeiter des Präsidialstabs, anwesend.

Hoch anzurechnen ist der ETH ihre transparente Informationspolitik - sie legte auch den Vertrag zwischen Syngenta und der ETH offen. Mit den so erhaltenen Informationen kann die Zusammenarbeit zwischen der ETH und Syngenta besser eingeschätzt werden.

Syngenta-Sitz im Professur-Auswahlgremium

Syngenta hat Anspruch auf einen Sitz im Auswahlgremium (16 Mitglieder) für die Professur. Der/die VertreterIn von Syngenta ist der/die einzige VertreterIn, welche/r nicht einer öffentlichen Forschungsinstitution entstammt. Sollte Syngenta einen begründeten Vorbehalt gegenüber einem Kandidaten/einer Kandidatin haben, wird der/die ETH-PräsidentIn dies beim Entscheid, welchen Kandidaten er dem ETH Rat zur Wahl vorschlagen will, in Betracht ziehen.

Die EvB ist der Ansicht, dass diese Einflussnahme zu weit geht. Mit der Wahl des Professors/der Professorin wird auch die Richtung des Lehrstuhls mitbestimmt. Eine Firma, die im Forschungsbereich ihre wirtschaftlichen Partikularinteressen vertritt, hat in einem solchen Gremium nichts verloren. Ziel muss es sein, die fachlich kompetenteste Person anzustellen – unabhängig davon, ob diese Person Syngenta genehm ist.

Unproblematische Vertretung im "Partnership Council"

Syngenta wird gemeinsam mit anderen Donatoren der World Food System Initiative (Coop, Mercator-Stiftung, Bühler) in einem „Partnership Council“ vertreten sein. Zum Austausch mit den SpenderInnen scheint dies legitim, da dieser Council keinerlei Entscheide zu Forschungsprojekten fällen wird. Im sogenannten Advisory Board des World Food System, welcher beratend wirkt, wird Syngenta nicht vertreten sein.

Bedenklicher Einfluss bleibt unbestreitbar

Dennoch übt Syngenta nach Meinung der EvB einen informellen Einfluss auf den Lehrstuhl aus. Im Wissen, dass die eigene Stelle durch die Spende einer Firma ermöglicht wurde, wird sich der Lehrstuhl vermutlich scheuen, Resultate zu publizieren, welche die Geschäftspraktiken ebendieser Firma kritisieren. Dies ist gerade im Hinblick auf mögliche Forschungsfelder der zukünftigen Professur bedenklich. So wird beispielsweise erwogen, die Umweltauswirkungen des biologischen Landbaus mit denjenigen des konventionellen Landbaus zu vergleichen. Eine Frage bei welcher Syngenta – als weltweit grösster Verkäufer von Agrochemikalien – sicherlich eine dezidierte Meinung vertritt.

Dieser informelle Einfluss besteht selbst dann, wenn die Partner – wie in diesem Fall geschehen – vertraglich regeln, dass die Unabhängigkeit der Forschung, der Lehre und der Publikationen der neuen Professur garantiert ist.

Ist Syngenta als zukünftiger Partner gesetzt?

Ausserdem schreiben Syngenta und die ETH in der gemeinsamen Medienmitteilung, dass die Partnerschaft als Plattform für zukünftige Projekte dient. Bedeutet dies, dass die angeblich unabhängige Professur bei neuen Projekten auf Syngenta als Partner zurückgreifen sollte?

ETH-Präsident Eichler verneinte und versicherte, der neue Lehrstuhl sei bei der Wahl der Partner frei. Ist dies tatsächlich der Fall, bleibt unklar, wieso die ETH in der Medienmitteilung die Spende überhaupt als Plattform für weitere Kooperationen anpreist. Nach Meinung der EvB besteht die Gefahr, dass die Wahl zukünftiger Partner durch die Syngenta-Spende - den Beteuerungen des ETH-Präsidenten zum Trotz - eben doch beeinflusst wird.

Fazit

Unter dem Strich bleibt ein grosses Unbehagen gegenüber der Kooperation. Das Vorgehen der ETH Zürich scheint etwas blauäugig. Die möglichen Folgen der Förderung eines Lehrstuhls für nachhaltige Agrarökosysteme durch den weltweit grössten Pestizidproduzenten können vielleicht durch ein griffigeres Bild besser vorgestellt werden: Was wäre denn, wenn Marlboro einen Lehrstuhl zur Suchtprävention finanzieren würde?

Die ETH wäre gut beraten, wenn sie solche offensichtlichen Interessenskollisionen in Zukunft verhindern würde. Die Unabhängigkeit der Forschung im Interesse der Allgemeinheit ist ein kostbares Gut, das es unbedingt gegenüber Einzelinteressen zu verteidigen gilt.