Beny Steinmetz oder wenn sich das Universum gegen einen verschworen hat…
Adrià Budry Carbó, 14. September 2022
Ein paar Kostproben: Verträge sind nicht wirklich Verträge und stehen in keiner Verbindung zueinander; Korruption ist keine missbräuchliche Einflussnahme sondern Lobbying; die Frau des verstorbenen guineischen Präsidenten Lansana Conté bloss eine selbstständige Unternehmerin im Zucker- und Hühnerbürzelgeschäft und die Beny Steinmetz Group Resources (BSGR) nicht von Beny Steinmetz gesteuert. Im Genfer Berufungsverfahren hat die Verteidigung des Bergbaumagnaten Steinmetz Anfang September ihre eigene Interpretation der Fakten rund um die Vergabe von Konzessionen für das Eisenvorkommen Simandou in Guinea geliefert.
Unser Bericht zum Prozess von 2021 «Die ganze Geschichte der Korruption in Guinea»
Bei der Verteidigung des Milliardärs, der angeblich keiner mehr ist, gibt es einen Team- und Strategiewechsel. Schluss mit dem prahlerischen Anwalt Marc Bonnant, der Ende Januar 2021 angekündigt hatte, «bis vor Gott zu gehen, wenn es sein muss». Da sein Mandant die höchste je von Schweizer Behörden verhängte Strafe für Korruption erhalten hat (fünf Jahre Gefängnis), wird er keine Gelegenheit mehr dazu haben. Der gesittete und technokratische Wirtschaftskriminalitätsexperte Daniel Kinzer übernimmt. Ihm zur Seite steht Störenfried Christian Lüscher - für Unterhaltung ist gesorgt.
Selbstgefällig erinnert Lüscher, Anwalt und neuer Vorsitzender der ehemaligen Sberbank (die von den Sanktionen gegen Russland betroffen war), die Gerichtspräsidentin an ihre Pflicht zur Unparteilichkeit. Sie war – vor etwa zwanzig Jahren in einem Anwält*innenkollektiv – Geschäftspartnerin des ehemaligen Staatsanwalts Claudio Mascotto, den Lüscher verdächtigt, mit einem Hauptzeugen in Israel paktiert zu haben. Die Verteidigung schlägt mit markigen Worten um sich, beantragt aber weder die Ablehnung der Gerichtspräsidentin noch erwirkt sie die Anhörung von Mascotto. «Noch nie hat ein Staatsanwalt so viel Energie darauf verwendet, Fragen nicht zu beantworten», so Lüscher.
Die grosse Verschwörung
Das eigentlich Neue an diesem Prozess sind jedoch zwei scharfzüngige Kommunikationsprofis im Dienst von Steinmetz; einer für die Schweizer Medien und einer für den Rest der Welt. Sie haben Einiges zu tun. «Die von Soros finanzierten NGOs haben dafür gesorgt, dass die grossen internationalen Medien Gerüchte und Verdächtigungen streuen», hiess es in einem 16-seitigen Dokument, das vor dem Prozess an akkreditierte Journalist*innen verschickt wurde und eine eigene Interpretation der im Berufungsverfahren zu prüfenden Fakten liefert. Als Handlanger des Grosskapitals stehen unter anderem Global Witness und das NRGI (Natural Resource Governance Institute) auf der Anklagebank. Public Eye bekennt sich schuldig: der kriminellen Vereinigung mit Letzteren im Rahmen von mindestens zwei Recherchen.
George Soros ist Beny Steinmetz' grosse Obsession, sein Erzfeind. Die Rivalität zwischen den beiden Männern geht angeblich darauf zurück, dass sie vor fast drei Jahrzehnten beide um den russischen Telekom-Markt warben. In Guinea behauptete der BSGR-Gründer Steinmetz, der US-amerikanische Investor habe eine Verschwörung angezettelt, damit er seine Schürfrechte in Simandou, einem der grössten Eisenvorkommen der Welt, verliere, um sie anschliessend an Rio Tinto zurückzugeben. Dabei hatte der anglo-australische Konzern zwanzig Jahre lang nichts damit zu schaffen gehabt.
George Soros, der sowohl dafür bekannt ist, dass er 1992 die Bank of England mit seinen Pfund-Spekulationen zu Fall brachte, als auch dafür, dass er ein Netzwerk von Anti-Korruptions-NGOs finanziert, beriet und unterstützte Alpha Condé, der 2010 bei den ersten demokratischen Wahlen in Guinea zum Präsidenten gewählt wurde. Nach seiner Amtsübernahme liess der neue Staatschef die Bergbauverträge erneut prüfen – auch die beiden Konzessionen, die BSGR 2008 kostenlos erhalten und ein Jahr später für 2,5 Milliarden US-Dollar teilweise (51%) an Vale weiterverkauft hatte. Der Mehrwert, den Vermittler Frédéric C. erzielen konnte, ist beachtlich. Für dessen grossherzige Hilfsaktionen – er verteilte Praktika an afrikanische Kinder und hatte sich dabei «mit Malaria angesteckt» – hat die Verteidigung viel Lob übrig, ausserdem spricht sie von Investitionen im Rahmen von satten 160 Millionen Dollar, plus startfertige Bauvorhaben und die «Entdeckung» eines neuen, bisher ungenutzten Vorkommens, Zogota. Wie undankbar die guineische Bevölkerung doch ist!
Nach den Korruptionsvorwürfen gegen die BSGR trat Vale im April 2013 vom Abkommen zurück und verzichtete auf seine Vorauszahlung von 500 Millionen US-Dollar. Rio Tinto erhielt die Konzession zurück. Laut Steinmetz der Beweis dafür, dass George Soros alles für seine angelsächsischen Freunde eingefädelt hat. Und hat nicht auch Alpha Condé mit seinem Reformprogramm versagt und das Land nach dem Staatsstreich, der im September 2021 gegen ihn verübt wurde, auf der weltweiten Rangliste der Korruption mehr oder weniger da zurückgelassen, wo er es übernommen hatte? Für Steinmetz’ Anwalt Daniel Kinzer ist sein Klient – reich, israelisch und zeitweise pauschalbesteuert – der perfekte Sündenbock und «auf jeden Fall schuldig, wenn auch nicht an dem, was man ihm vorwirft».
Die Verteidigung betont beharrlich die Substanzlosigkeit der Akten und hält sich nicht damit auf, vor Gericht und Staatsanwaltschaft «mit ihrem übermässigen, wenn nicht gar imperialistischen Ehrgeiz» auf die Fakten einzugehen. Seitdem sie Venezolaner und Angolaner verteidigen, haben die Genfer Wirtschaftsanwälte beschlossen, aus der Place du Bourg-de-Four einen Schauplatz der Revolution zu machen. An die Adresse der Betroffenen: Ich schenke Ihnen hiermit eine Mitgliedschaft bei Public Eye.
Von lästigen Fakten und klebriger Konfitüre
In den Akten lassen sich doch einige Beweisstücke finden. Zum Beispiel Vereinbarungen zwischen der vierten Frau des guineischen Präsidenten und dem Offshore-Unternehmen Pentler oder der BSGR direkt. Eine Vereinbarung vom 20. Februar 2006 verspricht Mamadie Touré als Gegenleistung für die Erteilung der Schürfrechte in Simandou, dass sie ein Stück vom Kuchen erhält. Oder von der Konfitüre, so die Metapher, die im Gerichtsaal zu hören war.
Das sei absurd, meinen die Anwälte und betonen, die Bergbaukonzessionen würden nicht in den Zuständigkeitsbereich des Präsidenten fallen, der ohnehin nicht der Ehemann von Mamadie Touré sei. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass – Zitat eines hohen guineischen Beamten – «Bestechung gar nicht nötig ist, um Förderlizenzen zu erhalten», da ihre «Vergabe nach dem Zufallsprinzip erfolgt und zu nichts berechtigt». Nach dem Zufallsprinzip? Die Bevölkerung Guineas, die seit Jahren auf die Einnahmen aus ihren Bodenschätzen wartet, weiss dies bestimmt zu würdigen.
Und dann sind da noch die vom FBI abgehörten Telefongespräche vom Frühjahr 2013. Der Vermittler Frédéric C. steigt in dringender Mission – seiner Aussage zufolge aus eigenem Antrieb – in ein Flugzeug nach Florida, wo er die Frau des Präsidenten drängt, belastende Dokumente zu entsorgen. «Es muss ein Ort gefunden werden, um sie zu entsorgen, um sie zu vernichten, sie vollständig zu vernichten, zu verbrennen [...] Alles, was ich dir sage, kommt direkt von Beny [...] Wenn du ihnen sagst, ja ich habe Geld erhalten [...], dann wirst du ein sehr grosses Problem haben, kein kleines Problem, sondern ein sehr, sehr grosses Problem».
Frédéric C., der es kaum wagt, den Namen Beny Steinmetz zu nennen, gibt heute zu, dass diese Behinderung der US-Justiz «nicht die klügste Entscheidung meines Lebens» war. Grossmütig erklärt er, dass er es Mamadie Touré nicht übel nehme, schliesslich sei sie «Opfer einer Intrige, die die BSGR zu Fall bringen sollte und sie zermalmt hat».
Dass man in den geschlossenen Reihen des Steinmetz-Lagers so hartnäckig darauf beharrt, den immerselben Schleier der Verschwörung über dem Prozess schweben zu lassen, grenzt an fast schon rührende Naivität. Doch muss man die Verteidigung daran erinnern, dass in erster Instanz weder Rio Tinto noch George Soros verurteilt worden sind. Und Beny Steinmetz vielleicht daran, dass er weiterhin an die Macht seiner Träume glauben sollte. Denn wie Paulo Coelho schreibt: «Wenn man etwas will, verschwört sich das ganze Universum, damit man bekommt, was man sich wünscht».
«Als ich im Junior-Team spielte, sagte mein Trainer immer: 'Wenn Du das Spiel gewinnen willst, musst Du Deinen Kopf dahin stecken, wohin andere nicht einmal den Fuss setzen würden.' Vielleicht hatte er Recht.»
Adrià Budry Carbó ist Mitglied des Rechercheteams von Public Eye, spezialisiert auf den Rohstoffhandel und dessen Finanzierung. Davor war er Journalist bei der Tageszeitung Le Temps sowie der Tamedia-Gruppe. In einem anderen Leben arbeitete er ebenfalls am Nuevo Diario in Nicaragua.
Kontakt: adria.budrycarbo@publiceye.ch
Twitter: @AdriaBudry
Dieser Text ist eine Übersetzung des französischen Originaltextes.
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