Libanon Geldwäscherei: Genfer Privatbank ignoriert in der Salameh-Affäre alle Alarmsignale
Agathe Duparc, 17. März 2025
In der Schweiz fand die Nachricht kaum Beachtung: Am 24. Juni 2024 gab die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA in einer Medienmitteilung bekannt, dass die HSBC Private Bank (Suisse) «im Zusammenhang mit zwei politisch exponierten Personen» «ihre Sorgfaltspflichten» zur Verhinderung von Geldwäscherei «in schwerwiegender Weise verletzt habe». Sanktioniert wurde die Bank durch den vorübergehenden Entzug der Möglichkeit, neue Geschäftsbeziehungen mit dieser Kategorie von Hochrisiko-Kund*innen einzugehen, solange nicht alle bestehenden Beziehungen dieser Art überprüft worden sind. Zudem wurde das Finanzinstitut aufgefordert, der FINMA «eine vollständige Aufstellung der Verantwortlichkeiten in ihrem Verwaltungsrat und ihrer Geschäftsleitung» vorzulegen.
Die Genfer Privatbank, die in den letzten Jahren bereits wegen mehrerer Finanzaffären am Pranger stand, kommt vorerst ohne strafrechtliche Verfolgung oder Geldbusse davon, trotz ihrer zentralen Rolle in der weitverzweigten Affäre um Riad Salameh. Denn bei der Ermahnung der FINMA, die keine Namen nennt, geht es um diesen riesigen Skandal. Der Ex-Chef der libanesischen Notenbank BDL sowie sein Bruder Raja werden heute in einem Dutzend Ländern, darunter auch in der Schweiz, wegen schwerer Geldwäscherei strafrechtlich verfolgt; die beiden stehen unter dem Verdacht, Hunderte Millionen Dollar zum Nachteil der BDL veruntreut zu haben. Über ein Jahrzehnt lang flossen diese Gelder über die HSBC Private Bank (Suisse).

Der Fall kam 2021 an die Öffentlichkeit. Er hatte im Libanon eine enorme Resonanz und wurde zum Symbol für eine korrupte Führungsklasse, die das Land in eine endlose Wirtschaftskrise gestürzt hat. Zwischen April 2002 und März 2015 wurden in über 300 Transaktionen nachweislich fast 330 Millionen US-Dollar von der BDL auf das Konto von Forry Associates bei der HSBC Private Bank (Suisse) in Genf überwiesen. Forry Associates ist eine in Tortola auf den Britischen Jungferninseln registrierte Offshore-Struktur und Raja Salameh ihr wirtschaftlich Berechtigter.
Ein Einblick in die HSBC-Praktiken
Die weltweit eingeleiteten Verfahren richteten sich zunächst gegen die Salameh-Brüder und ihr engstes Umfeld. Doch im Laufe ihrer Untersuchungen bekamen die Ermittler*innen in mehreren Ländern, darunter Frankreich und Libanon, Zugang zu belastenden Beweisen hinsichtlich schwerwiegender Compliance-Versäumnisse der HSBC Private Bank (Suisse).
Public Eye konnte bisher unveröffentlichte Gerichtsdokumente einsehen, die detailliert aufzeigen, wie der Fall intern gehandhabt wurde. Die Bank meldete ihren Verdacht der MROS erst im Sommer 2020, woraufhin die Ermittlung in der Schweiz und später auch in anderen Ländern startete.
Im Dezember 2001 wurde das Konto von Forry Associates bei der HSBC Private Bank (Suisse) über die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca eröffnet, die im Zentrum des Skandals um die Panama Papers stand. «Da ich Beziehungen zu HSBC Genf hatte, habe ich sie gebeten, eine Firma für mich zu gründen, was sie auch getan haben», erklärte Raja Salameh den französischen Ermittler*innen bei einer Anhörung im Jahr 2021.
Zu dieser Zeit sind die KYC-Prüfungen (Know your costumer; deutsch: Kenne deinen Kunden) noch ziemlich rudimentär. Der Bruder des Gouverneurs der BDL, der als wirtschaftlich Berechtigter der neuen Firma fungiert, stösst denn auch auf keinerlei Hindernisse. Wegen seiner verwandtschaftlichen Beziehung wird er jedoch in die Kategorie «SCC» (Special Categories of Clients) eingestuft. Das sind Kund*innen mit einem höheren Geldwäschereirisiko, die ein strengeres Genehmigungsverfahren erfordern. Erst 2013 wird diese Risikostufe auf «PEP Associate» erhöht – also jemand, der mit einer «politisch exponierten Person» in direkter Verbindung steht. Letztere bezeichnen Inhaber*innen von hochrangigen öffentlichen Ämtern.
Ein Durchlaufkonto
Forry Associates beschert der Bank schnell Schwierigkeiten. Obwohl die kleine Offshore-Firma weder über ein Büro noch über Personal verfügt, erzielt sie einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 25 Millionen US-Dollar. Angeblich ist sie dazu berechtigt, von der BDL ausgestellte Schatzanweisungen und Eurobonds bei libanesischen Finanzintermediären zu platzieren, wofür sie von der BDL «Provisionen und Gebühren» erhält.
Das Konto von Forry Associates mit seinem regen Zahlungsverkehr weist alle Merkmale eines Durchlaufkontos auf. Von den Hunderten von Millionen, die in Genf landeten, fliessen 207 Millionen US-Dollar wieder zurück in den Libanon – auf Konten von Raja Salameh bei vier lokalen Banken, mit dem Vermerk «persönliche Ausgaben». Ein Teil des von der BDL erhaltenen Geldes geht auch auf Konten von Firmen in der Schweiz und im Ausland, von denen heute bekannt ist, dass sie von Riad Salameh kontrolliert wurden. Insgesamt sollen der ehemalige libanesische Zentralbankchef und seine Offshore-Strukturen von Forry Associates direkt oder indirekt mehr als 26 Millionen US-Dollar, 9,2 Millionen Euro und 5,3 Millionen Schweizer Franken erhalten haben. Diese Gelder wurden für Investitionen in Immobilien und Wertpapiere sowohl in der Schweiz als auch im Ausland verwendet, wie wir in einer früheren Recherche aufgedeckt haben.
«Kein Grund zur Beunruhigung»
Das erste Alarmsignal im firmeninternen System der HSBC zur Überwachung von Zahlungen ertönt 2006. In jenem Jahr treffen zwischen Juni und September fünf Überweisungen in Höhe von insgesamt über 8 Millionen US-Dollar in Genf ein. Sie stammen von der libanesischen Zentralbank und sind mit «Central Board Resolution/Fees & Commissions» betitelt. Die Compliance-Abteilung verlangt eine Klärung. Der für das Konto zuständige Banker, der in der Bank eine hohe Position bekleidet, wird konsultiert. «Das ist kein Grund zur Beunruhigung», antwortet er in einer E-Mail. Er behauptet, dass Raja Salameh, den er selbst der Bank vorstellte, bei der Republic National Bank of New York in Beirut gearbeitet (ein Institut, das 1999 von der HSBC aufgekauft wurde) habe. Danach habe er die Finanzberatungsfirma Forry Associates gegründet, die unter anderem von der BDL mit der Vermarktung von Schatzanweisungen und Eurobonds beauftragt worden sei. Was die Beträge angeht, die von dem Konto von Forry Associates abfliessen, so handle es sich dabei um Rajas Immobilieninvestitionen im Libanon, versichert der leitende Angestellte und erklärt, er habe bei seinen Besuchen im Land die Grundstücke und Ferienhäuser gesehen, die sein Kunde gekauft habe.
Forry Associates gibt jedoch weiterhin Anlass zur Sorge. Ende 2007 wird der Fall dem «Due Diligence Committee» (DDC) unterbreitet. Dieses Gremium, das sich aus Mitgliedern der Geschäftsleitung, der Rechtsabteilung und der Compliance-Abteilung von HSBC zusammensetzt, wurde 2003 gegründet, um die heikelsten Fälle zu prüfen. Das DDC entscheidet, dass der Banker noch vor Weihnachten nach Beirut reisen solle, um von der BDL «einen Beschluss» zu erhalten, der die hohen Überweisungen an Forry Associates rechtfertigt. Die HSBC verfügt bereits über einen Vermittlungsvertrag, der 2002 zwischen der BDL und der kleinen Firma abgeschlossen wurde und die Unterschrift von Riad Salameh trägt.

Eineinhalb Jahre bis zum Erhalt der Unterlagen
Im Frühjahr 2009 weist ein Mitarbeiter der Compliance-Abteilung in einer E-Mail höflich darauf hin, dass die anderthalb Jahre zuvor versprochenen zusätzlichen Unterlagen immer noch nicht eingetroffen sind. Einige Wochen später erhält die Bank über Swift (ein von den meisten Banken genutztes Kommunikationssystem) eine Nachricht, in der die BDL bestätigt, dass die Zahlung von Provisionen und Gebühren an Forry Associates durch ihren Zentralrat genehmigt wurde. Diesem gehören neben dem Gouverneur Riad Salameh vier weitere Vizegouverneure sowie ein Vertreter des Wirtschafts- und Finanzministeriums an.
Diese Aussage sollte viele Jahre später in sich zusammenfallen. Die Vizegouverneure der BDL, die 2022 im Rahmen des französischen Verfahrens im Libanon angehört wurden, erklärten, sie hätten keine Kenntnis von der Vermittlerrolle der Firma Forry Associates gehabt.
Doch 2009 kann die Swift-Nachricht der BDL, in der die Verbindungen zwischen Forry Associates und Raja Salameh in keiner Weise erwähnt werden, das einige Monate später einberufene «Due Diligence Committee» beruhigen. Raja Salamehs Banker ist ebenfalls dabei und erklärt seinen Kolleg*innen, dass es «unangebracht» wäre, die BDL nach weiteren Einzelheiten zu fragen, da sie «so freundlich» gewesen sei, die geforderte Bestätigung vorzulegen. Die Erläuterungen, die ihm ebenfalls vom Compliance-Chef der BDL gegeben wurden, hätten ihn keineswegs beunruhigt. Sein Vorgesetzter, ein hochrangiger Bankmanager, gibt grünes Licht für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung.
Anfragen zur Klärung en masse
Public Eye zählte fast 20 Anfragen zur Klärung von Sachverhalten, welche die Compliance-Abteilung zwischen 2006 und 2013 an die Verantwortlichen des Forry-Associates-Kontos geschickt hatte. Neben dem konstanten Geldzufluss werfen auch die Überweisungen an andere Firmen mit undurchsichtigem Profil Fragen auf.
So will ein Mitarbeiter im Sommer 2008 verstehen, warum Forry Associates zwei Zahlungen – eine im Wert von fast 350'000 US-Dollar; die andere in Höhe von über 450'000 US-Dollar – an die panamaische Gesellschaft West Lake Commercial Inc. tätigte, die ihre Konten bei Julius Bär in Zürich hat. Man antwortet ihm, dass diese Offshore-Firma Forry Associates Kundschaft für Investitionen in den Bereichen Immobilien und Rohstoffe vermittelt habe und daher «Kickbacks» erhalte. Die Schweizer Ermittler*innen stellen später fest, dass der wirtschaftlich Berechtigte der West Lake Commercial Inc. – die von Forry Associates insgesamt mehr als 7 Millionen US-Dollar erhalten hat – Riad Salameh selbst ist. Eine entscheidende Information, über welche die HSBC Private Bank (Suisse) zum damaligen Zeitpunkt nicht verfügt.
Anfang 2013 schlägt eine Mitarbeiterin der Compliance-Abteilung Alarm. Sie schreibt eine E-Mail an ihre Kolleg*innen vom FCC (Financial Crime Compliance), einem internen Ermittlungsteam, das tätig wird, wenn ein potenzielles Risikos festgestellt wird. Die auf dem Konto von Forry Associates getätigten Transaktionen weisen eine «aussergewöhnliche Kadenz mit rasch aufeinanderfolgenden Zahlungsein- und -ausgängen) auf und es gibt keine oder nur wenige Informationen über ihren Charakter, so das Fazit des Ermittlungsteams von HSBC. Die Ermittler*innen beschliessen, ihre Erkenntnisse im Rahmen der SCC/PEP-Kontoprüfung – ein Verfahren, bei dem die Geschäftsleitung der Bank jedes Jahr die Konten der risikoreichsten Kund*innen überprüfen muss – an das Senior Management weiterzuleiten. Nach dieser Prüfung wird Raja Salameh zum ersten Mal als «PEP Associate» eingestuft, was der Kategorie mit dem höchsten Risikoprofil für die Bank entspricht. Nach den beruhigenden Ausführungen seines Bankers wird jedoch letztlich beschlossen, die Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten, ohne weitere Massnahmen zu fordern.

Reputationsrisiko für die Bank
Das Jahr 2015 erweist sich als entscheidend. Innerhalb der Bank werden die wiederholten Warnungen allmählich als Reputationsrisiko wahrgenommen. Die Ermittler*innen des FCC wollen nun mit Hilfe der Financial Intelligence Unit (FIU), einer weiteren internen Ermittlungsstelle, das Konto von Forry Associates sowie das Profil des wirtschaftlich Berechtigten genau unter die Lupe nehmen.
Dabei tauchen einige negative Informationen über die Salameh-Brüder auf, welche die Bank bislang übersehen hat. Ein Beispiel dafür ist die US-amerikanische diplomatische Korrespondenz, ein verschlüsseltes Telegramm zur Übermittlung vertraulicher diplomatischer Nachrichten, vom März 2007, das 2011 von Wikileaks veröffentlicht wurde und in dem ein «Gerücht» erwähnt wird, wonach Raja Salameh Anfang der 1990er-Jahre Provisionen für einen von seinem Bruder Riad ausgeführten Auftrag zum Druck neuer libanesischer Banknoten erhalten haben soll. Die FIU erachtet diese Behauptungen daher für plausibel. Noch besorgniserregender ist, dass die Ermittlungseinheit feststellt, dass Raja Salameh zwar immer behauptet hatte, 100% des Kapitals von Forry Associates zu besitzen, die Bank jedoch keine Unterlagen besitzt, die dies belegen. Der Banker von Raja Salameh – noch immer derselbe – soll deshalb in den Libanon reisen, um den Gouverneur der BDL zu treffen und Klarheit zu erlangen.
Die heimliche Schliessung des Kontos von Forry Associates
Im Juli 2015 erhält der Banker per E-Mail die aktualisierte Version des Vertrags zwischen der BDL und Forry Associates. Doch es gibt ein Problem: Das von Raja Salameh übermittelte Dokument weist Unstimmigkeiten im Vergleich zum Original aus dem Jahr 2002 auf. War im Vertrag damals eine Adresse von Forry Associates an der Place du Lac 2 in Genf angegeben, steht darin jetzt eine Adresse im Libanon. Die libanesische Justiz konnte 2021 feststellen, dass es sich dabei um den Ort in Beirut handelte, wo Raja Salameh damals sein Büro hatte, und bemerkte nebenbei, dass «die Bewohner*innen des Gebäudes sowie die Wartungsleute nie irgendeine Aktivität in diesem Büro bemerkt hatten».
Ebenfalls seltsam: Die erste Version des Vertrags war sowohl von Riad Salameh als auch von einem gewissen «Kevin Walter» unterzeichnet, der in keinem der Dokumente auftaucht, die der HSBC Private Bank (Suisse) bei der Eröffnung des Kontos vorgelegt worden waren. In der aktualisierten Version des Vertrags aus dem Jahr 2015 findet sich die Unterschrift von Raja Salameh als Geschäftsführer neben seinem Bruder, während die Bank ihn lediglich als wirtschaftlich Berechtigten der Organisation identifiziert hat.
Aufgrund dieser zahlreichen Verfehlungen empfiehlt die FCC im März 2016, die Kundenbeziehung zum Bruder des Gouverneurs der BDL zu beenden und das Konto von Forry Associates zu schliessen. Die Entscheidung wird einen Monat später vom Ausschuss für Reputationsrisiken bestätigt. Die Bank verzichtet jedoch darauf, sich an die MROS zu wenden, obwohl Finanzintermediäre nach Artikel 9 des Geldwäschereigesetzes dazu verpflichtet sind, Meldung zu erstatten, sobald sie einen begründeten Verdacht im Sinne dieser Bestimmung haben.
Kommunikation mit grosser Verspätung im Jahr 2020
Der Fall Forry Associates soll noch einige Jahre in der Schublade schlummern. Im Jahr 2019 ist der Libanon in Aufruhr. Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Strasse, um gegen ihre korrupte Staatsführung zu protestieren. Die Landeswährung, die jahrelang künstlich auf einem hohen Wechselkurs gegenüber dem Dollar gehalten wurde, bricht zusammen. Die Arbeitslosigkeit schiesst in die Höhe und Menschen mit Ersparnissen wird der Zugang zu ihren Fremdwährungskonten verwehrt. In der Zwischenzeit hat ein Teil der libanesischen Elite ihr Geld ins Ausland transferiert. Auf den Demonstrationen wird Riad Salameh, der Hauptverantwortliche für diese Währungspolitik, ausgebuht und beschuldigt, an dieser Misswirtschaft beteiligt gewesen zu sein und sich illegal bereichert zu haben.

Im Frühjahr 2020 gibt eine Gruppe libanesischer Aktivist*innen bekannt, dass sie Salameh wegen Veruntreuung von Geldern und Korruption angezeigt hat. Das internationale Journalist*innennetzwerk OCCRP (Organized Crime & Corruption Reporting Project) veröffentlicht zusammen mit dem libanesischen unabhängigen Online-Medium Daraj eine brisante Reportage über Riad Salameh: «Der Offshore-Gouverneur des Libanon». Die Investigativjournalist*innen decken ein ausgedehntes Netzwerk von Offshore-Firmen auf, hinter dem sich Salameh und seine engsten Vertrauten verstecken, um ihr immenses Vermögen zu vermehren und in mehreren Ländern zu investieren, insbesondere in Immobilien. Auch der Name Forry Associates, allerdings gelingt es den Journalis*innen nicht, ihr Geheimnis zu lüften.
Die HSBC Private Bank (Suisse) ist in Aufruhr. Die Beziehung zu Raja Salameh wurde zwar vier Jahre zuvor abgebrochen, doch sein Bruder, der Gouverneur der BDL, ist der wirtschaftlich Berechtigte eines Kontos bei der Bank, das 2003 im Namen der Offshore-Firma Naranore Limited (BVI) eröffnet wurde.
Die «Financial Crime Threat Mitigation (FCTM)» – die Abteilung, die für die Bekämpfung von Finanzkriminalität und die Bewertung von Bedrohungen zuständig ist und zur Compliance-Abteilung der HSBC gehört – wird zu Hilfe gerufen. In einem rund zwanzigseitigen Bericht werden die negativen Medienberichte zusammengestellt. Zudem gehen die Ermittler*innen alle Compliance-Warnungen durch, die in den letzten Jahren rund um die Brüder Salameh in der Bank ausgelöst wurden.
Es ist unmöglich, diese Angelegenheit weiterhin unter den Teppich zu kehren. Am 20. August 2020 meldet die HSBC Private Bank (Suisse) der MROS drei Konten: jene von Raja Salameh und Forry Associates, die vier Jahre zuvor aufgelöst worden waren, sowie das Konto des ehemaligen Notenbankchefs. Bis zur letzten Minute versucht ihr Banker, der seit 2006 gesagt hatte, dass ihn die Situation «keineswegs beunruhige», sie zu schützen. Drei Tage vor der Meldung an die MROS erklärte er, dass die angekündigte Strafverfolgung von Riad Salameh im Libanon hauptsächlich politisch motiviert sei. Diesmal ohne Erfolg. Unseren Informationen zufolge wurde er im Juni 2021 im Rahmen des Schweizer Verfahrens als Zeuge angehört.

Rechtliche Konsequenzen für HSBC?
Für die HSBC Private Bank (Suisse) könnte es jetzt noch schlimmer kommen. Wie eine Zeitung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kürzlich enthüllte, hat der libanesische Staat Mitte Januar bei der Schweizer Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige gegen die Bank eingereicht, was im Fall Riad Salameh die erste rechtliche Massnahme des Libanons gegen eine ausländische Bank wäre. Nach unseren Informationen würde sich die Klage gegen Riad und Raja Salamé und alle beteiligten Parteien, einschließlich HSBC, richten. Ziel ist es, den Umfang der in der Schweiz durchgeführten Ermittlungen zu erweitern und als klagende Partei aufzutreten, um mögliche Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
Die Bundesanwaltschaft war nicht in der Lage, unsere Fragen zur Strafanzeige bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels zu beantworten.
Die HSBC Private Bank (Suisse) beantwortete unsere Anfrage folgendermassen: «Wir nehmen die von der FINMA im vergangenen Jahr aufgeworfenen Fragen zur Kenntnis. Die HSBC nimmt ihre Verpflichtungen zur Geldwäschereibekämpfung sehr ernst und hält sich an alle Gesetze und Vorschriften in allen Märkten, in denen sie tätig ist. Es wäre unangemessen, eine regulatorische Angelegenheit weiter zu kommentieren.»
Weitere Informationen
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Die Schweizer Banken bekämpfen die Geldwäscherei an vorderster Front
Das Geldwäschereigesetz (GwG) ist eine der Säulen im Kampf gegen schmutzige Gelder in der Schweiz. Es enthält repressive und präventive Elemente und verpflichtet die Banken und Finanzintermediäre dazu, ihre Kund*innen zu überprüfen und sie bei Verdacht auf illegale Transaktionen der Schweizerischen Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) zu melden.
Gegen dieses System erhebt sich zum Teil Kritik. So sind einige Staatsanwälte der Ansicht, dass es schlecht funktioniert. «Man verlangt von Leuten, die ihren Lebensunterhalt mit ihr verdienen, dass sie ihre eigene Kundschaft anzeigen», sagte zum Beispiel der Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa in einem Interview mit Public Eye im Jahr 2021. Er war der Meinung, dass die Finanzintermediäre «ihre Aufmerksamkeit nicht genügend auf gross angelegte Geschäfte mit Domizilgesellschaften richten, über die Millionen und Abermillionen fliessen.»
Bei Verletzung ihrer Meldepflicht (Art. 37 GwG) droht den Finanzintermediären eine Geldstrafe von maximal 500'000 Franken. Banken können für das Versäumnis, die notwendigen Massnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei innerhalb der Bank zu ergreifen (Organisationsmangel, Art. 102 StGB), strafrechtlich verfolgt und mit einer Geldstrafe von bis zu 5 Millionen Franken belangt werden. Diese Beträge werden von den Strafverfolgungsbehörden als lächerlich gering und wenig abschreckend angesehen.
Dieses System hat jedoch den Vorteil, dass die Kosten der Überwachung auf den Privatsektor und nicht auf die Steuerzahlenden abgewälzt werden. Es zwingt die Banken auch nicht dazu, neben den Verdachtsmeldungen automatisch Informationen zu melden, wie es beispielsweise in Frankreich der Fall ist. Nach Ansicht der Befürworter wird so verhindert, dass die Meldestelle für Geldwäscherei mit Verdachtsmeldungen überschwemmt wird und an Effizienz verliert.