Congo Hold-up: 3. Folge Genfer Bank nimmt Millionen eines libanesischen Netzwerks entgegen, das unter Sanktionen steht
Adrià Budry Carbó und Agathe Duparc, 24. November 2021
In dieser Geschichte geht es um Därme, Suppenhühner und Hühnerbürzel, und sie erstreckt sich über drei Kontinente: Die eher minderwertigen Fleischstücke werden weltweit eingekauft, von einem vermutlich der Hisbollah nahestehenden libanesischen Netzwerk importiert und in der Demokratischen Republik Kongo konsumiert. Das Geld dafür landet auf dem Schweizer Konto einer libanesischen Offshore-Firma. Ein «Dreieckshandel» zwischen Unternehmen, die mit einem unter Sanktionen stehenden Netzwerk verbunden und vom Kabila-Clan unterstützt waren.
Das enthüllt Public Eye im dritten Teil von «Congo Hold-Up», dem bislang grössten Datenleck des afrikanischen Kontinents: 3,5 Millionen Dokumente der BGFIBank und Millionen von Transaktionen aus rund zehn Jahren. Ermittelt wurden diese Daten von der NGO PPLAAF, einer Plattform zum Schutz von Whistleblower*innen in Afrika, und dem französischen Onlineportal Mediapart; diese gaben sie weiter an das Recherchenetzwerk EIC (European Investigative Collaborations) sowie an Medien- und NGO-Partner, darunter Public Eye.
Im Zentrum dieses interkontinentalen Import-Export-Systems befindet sich eine winzige libanesische Offshore-Firma, die zwar keine physische Adresse hat, dafür den trügerischen Namen Global and Infinite Traders (GAIT) trägt. Die Rolle der GAIT beschränkte sich in Tat und Wahrheit darauf, Rechnungen für die Fleischstücke mit der Destination Demokratische Republik Kongo auszustellen, die anfallenden Logistik- und Transportkosten zu ermitteln und dann die Einnahmen in Millionenhöhe einzukassieren – hauptsächlich in der Schweiz.
Die Recherchen von Public Eye zeigen, dass im Zeitraum von vier Jahren 62 Zahlungen in Höhe von insgesamt 11,37 Millionen US-Dollar auf dem Konto der kleinen GAIT bei der Genfer Filiale der libanesischen BankMed landeten. Die Bank, deren Muttergesellschaft in Beirut sitzt, befindet sich unter direkter Kontrolle der Familie des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, der 2005 ermordet wurde.
Die Zahlungen kamen von der BGFIBank, die seit über einem Jahrzehnt als Sparschwein des Clans von Joseph Kabila, dem kongolesischen Ex-Präsidenten, fungiert. Den Auftrag gaben sechs Unternehmen mit Konten bei dieser kongolesischen Bank. Alle waren direkt oder indirekt mit Congo Futur verbunden, einem Mischkonzern, der bereits viel Aufsehen erregt hat: Seine Hauptgründer wurden wegen Geldwäscherei und Steuerbetrug verurteilt und wegen Verdacht auf Terrorismusfinanzierung von den USA mit Sanktionen belegt.
Die Demokratische Republik Kongo als letzte Bastion
In der Demokratischen Republik Kongo etablierte sich der 1997 von der libanesischen Händlerfamilie Tajideen gegründete Konzern Congo Futur rasch als einer der grössten Lebensmittelimporteure, auch wenn der kongolesische Markt eigentlich sehr wettbewerbsintensiv ist. Dank seiner Verbindungen zum Kabila-Clan gehört der Konzern zu den offiziellen Zulieferern des Staates. So zählte er 2018 im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage zu den Lieferanten der staatlichen Handelsgesellschaft für Transport und Häfen (SCTP). Und seine Ableger sind inzwischen in den modernsten Gebäuden von Kinshasa untergebracht.
Bereits im Dezember 2000 wies eine Telegrammnachricht der US-Diplomatie auf Vorwürfe von Konkurrenten des Konzerns bezüglich der Finanzierung durch illegale Aktivitäten hin.
Die Rechercheteams der NGOs Greenpeace (2010), Global Witness (2017) und The Sentry (2017) haben in ihren Berichten die «Vorzugsbehandlung» dokumentiert, die Congo Futur und seine Tochtergesellschaften in der Republik geniessen. Öffentliche Aufträge noch und noch, Steuerbefreiungen und finanzielle Vorteile: Das Konglomerat wird vom kongolesischen Staat massiv gefördert. Trotz der Anschuldigungen und Gerichtsakten, die sich wie dicke Wolken über den Köpfen der Tajideen auftürmen.
Nach einem langwierigen Verfahren wird Kassim Tajideen, das einflussreichste Mitglied der Familie, 2009 in Belgien wegen Urkundenfälschung und Geldwäscherei zu zwei Jahren Haft auf Bewährung, einer Geldstrafe von 150’000 Euro und einem zehnjährigen Verbot, in Belgien ein Unternehmen zu führen, verurteilt.
Im selben Jahr setzt ihn das US-Finanzministerium auf die rote Liste, weil es ihn verdächtigt, einer der grössten Geldgeber der bewaffneten Hisbollah zu sein. 2010 wird sein Konzern Ovlas Trading unter Sanktionen gestellt. Wie sich herausstellen soll, gehört auch die kleine GAIT diesem an, doch zu diesem Zeitpunkt entgeht sie dem US-amerikanischen Fallbeil.
Sind Unternehmen und Einzelpersonen von Sanktionen des US-Finanzministeriums betroffen, sind diese de facto vom Finanzsystem ausgeschlossen, denn sie dürfen den für internationale Transaktionen unverzichtbaren US-Dollar nicht verwenden. Viele Banken ziehen es daher vor, keine Geschäfte mit ihnen zu machen, statt das Risiko einzugehen, selbst sanktioniert zu werden und nicht mehr in US-Dollar handeln zu können.
Seit ihrer Ächtung durch die westliche Welt scheinen die Tajideen nur noch im Kongo freie Hand zu haben – und in der Schweiz, wo die Familie weiterhin Millionen kassiert.
Genfer Bank nahm Gelder offenbar ohne genaue Prüfung entgegen
Die BankMed in Genf hat die wiederholten Überweisungen der BGFIBank RDC auf das Konto der GAIT offenbar entgegengenommen, ohne mit der Wimper zu zucken. Die von Mai 2011 bis April 2015 eingegangenen Zahlungen in 62 Tranchen zwischen 50’000 und 385’000 US-Dollar wurden bis zu viermal am Tag getätigt, mit Vermerken wie «Kauf von Därmen für Wurstwaren», «Kauf von gefrorenem Rindfleisch» oder noch viel vageren Angaben wie «Lizenzzahlung».
Gesamtbetrag: 11,37 Millionen Dollar.
Public Eye kam an zwei GAIT-Rechnungen – beide ausgestellt, nachdem die BGFIBank Belege verlangt hatte. Die erste ist auf den 16. November 2012 datiert und an ein Unternehmen namens Congo Stars for Commerce adressiert. Die darauf aufgeführten Bürzel, Geflügelwürste und Fleisch scheinen alle mit einer «Spice Mix»-Sauce verfeinert zu sein. Merkwürdigerweise entspricht der Endpreis von 140’582,75 US-Dollar (einschliesslich Frachtspesen) keinem der Beträge, die von der BGFIBank auf das GAIT-Konto überwiesen worden waren – was die Compliance-Abteilung, welche die Einhaltung von Gesetzen und regulatorischen Vorgaben überwacht, zumindest hätte misstrauisch machen müssen. Die zweite Rechnung weist denselben Mangel auf. Sie wurde am 11. Dezember 2012 ausgestellt und beläuft sich auf 1’174’600 US-Dollar (einschliesslich Fracht) für gefrorenes Büffelfleisch aus Mumbai, Indien. Gemessen an der Qualität dieses Importfleisches scheint der Kilopreis überhöht zu sein, bestätigt ein Experte auf Anfrage.
Auf Nachfrage von Public Eye zu den Einzelheiten dieser Transaktionen lässt Kassim Tajideen uns über seinen belgischen Anwalt eine schriftliche Erklärung zukommen, in der er bedauert, dass er «aufgrund laufender und abgeschlossener Verfahren» nicht in der Lage sei, «detaillierte Antworten auf [unsere] Fragen zu geben».
Das afrikanische Netz der Tajideen
Mit grosser Ausdauer hat der aus dem Südlibanon stammende Clan der Tajideen über Jahrzehnte hinweg ein weltweites Handelsnetz aufgebaut. Kassim Tajideen, der gerne über seinen sozialen Aufstieg spricht, lässt sich 1976 zunächst in Sierra Leone nieder. Er ist damals erst 21 Jahre alt und im Land ist gerade der Bürgerkrieg ausgebrochen. Doch das hindert die schiitische Händlerfamilie keineswegs daran, ihr afrikanisches Netzwerk auszubauen, das bald zu einem effizienten Geflecht für den Warentransport zwischen Europa und Afrika wird. Danach nimmt Kassim Tajideen Kurs auf die Elfenbeinküste, bevor er nach Belgien aufbricht. Die 15 Tajideen-Geschwister sind heute im Immobiliengeschäft, im Diamantenexportsowie in der Verarbeitung und im Vertrieb von Lebensmitteln tätig. In Angola, Gambia, Sierra Leone, Mosambik, den Vereinigten Arabischen Emiraten – sowie natürlich in der Demokratischen Republik Kongo und im Libanon.
Mit Hilfe der berüchtigten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die im Zentrum der Panama Papers steht, siedelt die Familie im Mai 2003 sogar eine Offshore-Firma namens Ovlas Trading S.A. (nicht mit deren Muttergesellschaft Ovlas zu verwechseln) auf den Britischen Jungferninseln an, um den lateinamerikanischen Markt zu erobern.
Dieser Abstecher ist jedoch nur von kurzer Dauer. Kassim Tajideen gerät ins Visier der belgischen Justiz und wird am 13. Mai 2003 im Büro seines Lebensmittelunternehmens Soafrimex in Antwerpen unter dem Vorwurf «gross angelegter Steuerbetrug, Geldwäscherei und Handel mit Diamanten zweifelhafter Herkunft in zweistelliger Millionenhöhe» festgenommen. Sechs Jahre später bleiben von den Anschuldigungen gegen ihn und mehrere ihm nahestehende Personen am Antwerpener Appellationshof nur noch die Fälschung (von Rechnungen), Geldwäscherei und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation übrig.
Auch Congo Futur, dessen Geschäftsräume in Kinshasa von belgischen Inspektor*innen durchsucht worden waren, nutzte ein System mit gefälschten Rechnungen. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um ein System der doppelten Rechnungsstellung, namentlich zwischen den konzerneigenen Einheiten: Auf der Rechnung, die der Käufer erhielt, stand ein viel niedrigerer Betrag als auf der Rechnung des Verkäufers. Die Differenz – bis zu 50 Millionen Euro – ermöglichte es, andere Güter zu importieren und weiterzuverkaufen und so Zollgebühren und Steuern zu umgehen. Der Justiz zufolge hatte Congo Futur damit allein in den Steuerjahren 2001 und 2002 mindestens 14,79 Millionen Euro gewaschen.
Im Mai 2009 wird Kassim Tajideen schliesslich von der US-Justiz beschuldigt, zusammen mit seinen Brüdern «für die Hisbollah ein Netzwerk von Briefkastenfirmen in Afrika» zu betreiben und der islamistischen Partei «zweistellige Millionenbeiträge» bereitgestellt zu haben. Congo Futur und Ovlas Trading, als Eigentum von Kassim Tajideen und des Finanznetzes der Hisbollah bezeichnet, werden ihrerseits im September 2010 auf die rote Liste des US-Finanzministeriums gesetzt.
Im November 2016 wird Kassim Tajideen in den USA wegen Umgehung des Embargos und Geldwäscherei angeklagt. Im März 2017 wird er in Casablanca festgenommen und an die USA ausgeliefert, wo er sich im Dezember für schuldig bekennt. In der US-Anklageschrift ist auch der Gründer und Aktionär der Firma GAIT, Imad Hassoun, als «Vertrauter und Stellvertreter» von Kassim Tajideen aufgeführt.
Imad Hassoun hat nicht auf unsere Anfragen reagiert. In seiner schriftlichen Erklärung betont Kassim Tajideen, er sei gegen jede Form von Gewalt, finanziere keine politische Partei und engagiere sich nicht politisch. «Die allfälligen Anklagepunkte gegen mich im Rahmen des US-Verfahrens betrafen nicht meine Beteiligung an Terrorismus, und dies wurde auch nie bewiesen. Ich habe stets betont, dass meine Aufnahme in die Liste [des US-Finanzministeriums] unangemessen war und dass ich weder eine Terrororganisation noch die Hisbollah jemals finanziell oder anderweitig unterstützt habe», verteidigt er sich in seinem Brief.
Eine Galaxie vernetzter Firmen
Für die Schweizer BankMed-Mitarbeitenden waren offenbar auch die Verbindungen zwischen der libanesischen Briefkastenfirma GAIT und dem bereits seit 2010 von den USA sanktionierten Congo-Futur-Konglomerats – einem verworrenen Geflecht aus miteinander verbundenen Einrichtungen, einige davon bereits in Geldwäschereiaffären verwickelt – kein Grund zur Sorge.
Unsere Recherchen zeigen, dass sechs verschiedene Unternehmen Geld auf das Genfer Konto der GAIT überwiesen haben: Congo Stars for Commerce, Atlantic Trading Company, Glory Group, General Trade Company, Congo Quality Industries und Kin Trading. Alle sind direkt oder indirekt Teil des komplexen Congo-Futur-Konglomerats. Und alle haben mindestens ein Konto bei der BGFIBank RDC, wo sie offensichtlich bevorzugt behandelt werden.
Woher kommt das Geld, mit dem die Offshorefirma GAIT so grosszügig finanziert wird? Ein Blick auf die kongolesischen Konten derjenigen Unternehmen, die die höchsten Beträge an die GAIT überwiesen haben, ist durchaus aufschlussreich. Die Konten offenbaren einen massiven Bargeldzufluss, jeweils ohne Angabe des Zahlungsgrunds. Während sie mit der kleinen GAIT Geschäfte machten, erhielten Congo Stars for Commerce und die Atlantic Trading Company umgerechnet 110,6 Millionen US-Dollar (wobei die Zahlungen in US-Dollar oder Kongo-Francs erfolgten) auf ihre Konten bei der BGFIBank. Auf diese Bargeldeingänge folgten unmittelbar (am selben oder am nächsten Tag) grosse Fleischkäufe, laut Recherchen des Konsortiums unter anderem beim niederländischen Unternehmen Meat Plus.
Um die Puzzleteile zusammenzusetzen, hätten die Compliance-Verantwortlichen der BankMed gut daran getan, einen öffentlich zugänglichen Bericht des kongolesischen Wirtschafts- und Handelsministeriums vom 13. Juni 2013 zu Rate zu ziehen, der sich mit «Preisen und Dreieckshandel» in der Demokratischen Republik Kongo befasst.
Darin erfährt man, dass die mysteriöse libanesische GAIT in Wirklichkeit keine unabhängige Einheit ist, sondern zur Ovlas-Trading-Gruppe gehört, die wiederum unter Congo Futurs Schirmherrschaft steht. Gründer und Aktionär der GAIT ist ein gewisser Imad Hassoun. Er wird 2016 an der Seite von Kassim Tajideen von der US-Justiz angeklagt und in einer Anklageschrift als dessen «Vertrauter und Stellvertreter» bezeichnet.
Im Bericht ist zu lesen, dass die GAIT, die gemeinsam mit zwei anderen libanesischen Offshore-Strukturen agierte, einer der wichtigsten Lieferanten von Congo Futur war. Zumindest auf dem Papier, denn im Bericht wird erläutert, dass diese Firmen «nicht existieren und von einer einzigen Geschäftsstelle vertreten werden (...), deren Tätigkeit sich auf die Verwaltung der Lieferungen und die Beziehung zu den Lieferanten (von Congo Futur) beschränkt», und keine der Firmen an der auf den Rechnungen angegebenen Adresse physisch existiert. Unter dem libanesischen Offshore-Regime können sie hingegen Waren ausserhalb des Landes kaufen, die sie dann wiederum in ein Drittland exportieren.
Ohne auf die Details der Verbindungen innerhalb des Congo Futur-Netzwerks einzugehen, kritisiert Kassim Tajideen in seinem Schreiben, in den von uns zusammengetragenen Informationen und der Argumentation gebe es «viel Verwirrung». Die in unseren Fragen erwähnten Personen und Unternehmen würden «wahllos miteinander in Verbindung gebracht und dann als ein und dieselbe Einheit dargestellt, die für bestimmte Handlungen verantwortlich sein soll». Dass kein Verfahren eingeleitet wurde, ist dem Patriarchen der Tajideen zufolge sogar ein Argument, das für ihn spricht: «Unternehmen und Personen, gegen die keine US-Sanktionen verhängt wurden, werden von der US-Regierung gewissermassen entlastet, was sie zu legitimen Unternehmen oder legitimen Personen mit legitimen Transaktionen macht.»
Die Bank ignoriert die Alarmsignale
Diese Argumentation teilen nicht alle Compliance-Verantwortlichen der Banken. So scheint man bei der BGFIBank, obwohl sie in Sachen Compliance alles andere als ein Vorbild ist, wachsamer gewesen zu sein als bei der BankMed. Wir haben eine Reihe von Schriftwechseln zurückverfolgt, in denen ernsthafte Zweifel an den Zahlungen an die GAIT geäussert wurden.
So äussert sich die Pariser Tochter der BGFIBank, die als Korrespondenzbank der BGFI RDC deren internationale Devisenüberweisungen ausführt, am 31. Mai 2011 beunruhigt über eine Anweisung, 810’345 Dollar von der Atlantic Trading Company auf das BankMed-Konto in Genf zu überweisen. In seinem Schreiben erwähnt der Compliance-Verantwortliche besorgt «die wiederholt stattfindende Transaktion. Die Höhe der Beträge. Die Überweisung der Gelder an BankMed Suisse, die keine übliche Bank in unseren Zahlungsströmen ist». Zusätzliche Recherchen bestätigen, dass das Unternehmen zu einer Unternehmensgruppe gehört, die unter Sanktionen steht, und dass die Transaktion «vorsichtshalber» abgelehnt werden muss. Die kongolesischen Kolleg*innen werden aufgefordert, die Identität ihres Kunden zu überprüfen.
Die BGFIBank RDC ist anderer Meinung und verweist auf das gute «Preis-Leistungs-Verhältnis» der GAIT, die sie als «empfehlenswert und vertrauenswürdig» bezeichnet. Das Geld kommt durch, das konnten wir nachweisen, doch ab diesem Zeitpunkt werden solche Transaktionen von der BGFI in Paris blockiert.
Am 6. Juni 2011 blockiert die Compliance-Abteilung der Pariser BGFIBank erneut die von Kin Trading (und Galaxy Frame Trading) erteilten Transaktionsanweisungen zugunsten der GAIT. «Wir können keine Geschäfte mit einem Unternehmen tätigen, das von einer Person geleitet wird, die laut den USA Terrorismus finanziert», begründet der Compliance-Beauftragte und betont, dass «Kin Trading in Wirklichkeit von Ahmed Tajideen geleitet wird». Er erinnert auch daran, dass er erst noch das Dossier von Congo Star for Commerce und Atlantic Trading Company prüfen wolle und keine Zahlungen an die GAIT genehmigen werde, bevor er nicht «beweiskräftig(e) Elemente zu dieser Firma» habe.
Jedes Mal, wenn sich eine Tür schliesst, findet die kongolesische Tochter der BGFIBank offenbar eine Lösung bei einer anderen Korrespondenzbank. Den Risiken der Transaktionen scheint sie keine Beachtung zu schenken. Nach dem «Nein» der BGFIBank in Paris im Juni 2011 wendet sie sich an andere internationale Banken, die bei der Abwicklung ihrer Devisentransaktionen weniger kleinlich vorgehen. Fündig wird sie bei der deutschen Commerzbank und der maltesischen FIMBank.
Doch selbst die Commerzbank äussert schliesslich Zweifel an den Geschäftspartner*innen der GAIT. In einem Compliance-Bericht der BGFIBank RDC vom August 2012 an ihre Geschäftsleitung heisst es, dass «alle von der Atlantic Trading Company angeordneten Überweisungen von allen unseren Gesprächspartnern aus Compliance-Gründen abgelehnt werden», es ist die Rede von zwei von der deutschen Commerzbank gesperrten Transaktionen. «Angesichts des Imagerisikos, das dieser Kunde darstellt», empfiehlt der Bericht, das Konto aufzulösen und es der kongolesischen Finanzaufsicht Cenaref zu melden. Dieser Empfehlung wird offenbar nicht Folge geleistet. Von da an wickelt die BGFIBank RDC ihre Geschäfte fast ausschliesslich über die FIMBank ab.
Diese will unsere Fragen aus Gründen der Vertraulichkeit nicht beantworten und verweist lediglich auf ihre «langjährige Bankbeziehung zur BGFIBank RDC».
Der Modus Operandi des Geldwäschereinetzwerks
Hatten die millionenschweren Transaktionen zwischen GAIT und ihren Geschäftspartnern des Congo-Futur-Konglomerats eine echte wirtschaftliche Grundlage oder verbargen sich dahinter weniger redliche Finanzgeschäfte? Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die in Belgien, Indien, den Niederlanden oder den USA gekauften, im Libanon in Rechnung gestellten und in der Schweiz bezahlten Innereien und tiefgekühlten Fleischstücke tatsächlich im Kongo angekommen sind. Jedenfalls landet der komplexe und undurchsichtige Modus Operandi solcher «Dreiecksgeschäfte» immer wieder vor Gericht, da er Preismanipulationen oder sogar Geldwäscherei ermöglicht.
Wie bereits erwähnt wird Kassim Tajideen 2009 von der belgischen Justiz wegen Geldwäscherei verurteilt. Er und seine Kompliz*innen haben ein System der doppelten Rechnungsstellung aufgebaut, das insbesondere zwischen den verschiedenen Gesellschaften der Unternehmensgruppe genutzt wurde. Der Betrag auf der Rechnung, die das kaufende Unternehmen erhielt, war viel niedriger als derjenige auf der Rechnung des verkaufenden Unternehmens. Die Differenz – bis zu 50 Millionen Euro – ermöglichte es, andere Güter zu importieren und weiterzuverkaufen und so Zollgebühren und Steuern zu umgehen. Congo Futur war da bereits involviert und hat der belgischen Justiz zufolge in den Steuerjahren 2001 und 2002 mindestens 14,79 Millionen Euro gewaschen.
Ging es bei den Transfers an die GAIT ähnlich zu und her? Tatsächlich weisen die beiden Fälle verblüffende Parallelen auf.
Im Kongo hat die Komplexität dieses «Dreieckshandels», der bei libanesischen Geschäftsleuten, die sich in Afrika niedergelassen haben, durchaus gängig ist, die kongolesische Regierung jedenfalls dazu veranlasst, bei der internationalen Consultingfirma Menaa Finance den bereits erwähnten Bericht in Auftrag zu geben. Seine Schlussfolgerungen legen nahe, dass Offshore-Firmen es den Behörden der Demokratischen Republik Kongo unmöglich machen, die Importkette bis zum Ausgangsland zurückzuverfolgen – was es den Lieferant*innen wiederum ermöglicht, den mit ihnen verbandelten Grossimporteur*innen überhöhte Preise für ihre Produkte in Rechnung zu stellen. Ein System, mit dem Gewinne verschleiert werden können, die im Kongo steuerpflichtig sind. «Eine Organisation, die die Bevölkerung eindeutig benachteiligt», die unter den explodierenden Preisen für Grundnahrungsmittel leidet, schliesst der Bericht.
«Ich habe viel gelitten»
Was die Terrorismusfinanzierung angeht, konnten weder die belgische Justiz noch das US- Finanzministerium ihre Anklagen schliesslich begründen. Das Congo-Futur-Geflecht ist so komplex und undurchsichtig, dass es ohne Weiteres grosse Summen zwischen seinen Tochtergesellschaften hin- und herschieben und Gelder aus verschiedensten Quellen befördern kann.
Bereits 2017 regte sich die US-amerikanische NGO The Sentry in ihrem Bericht «The Terrorists’ Treasury» (Die Schatzkammer der Terroristen) darüber auf, dass das Congo-Futur-Netzwerk in der Demokratischen Republik Kongo noch immer floriert und trotz der Sanktionen über die kongolesische BGFIBank Zugang zum US-amerikanischen Finanzsystem hat. Die internationalen Korrespondenzbanken hingegen scheinen die Familie Tajideen nach und nach zurückgewiesen zu haben. Mit einer Ausnahme – der BankMed in Genf, der Empfängerin der Gelder, die die Zahlungen an die Offshore-Firma GAIT bis April 2015 entgegennahm.
Die BankMed (Schweiz) ist nicht bereit, eine Liste detaillierter Fragen zu beantworten, die an ihren Hauptsitz und ihren Generaldirektor geschickt worden ist. Sie beruft sich auf das «Schweizer Gesetz», das es ihr nicht erlaube, Auskunft über ihre Kund*innen zu erteilen. Sie bekräftigt, dass sie die Gesetze und Vorschriften in Sachen Compliance und Geldwäschereibekämpfung einhalte. So versichert sie, «keine Konten zu eröffnen oder Transaktionen für Personen oder Unternehmen zu akzeptieren, die oder deren wirtschaftlich Berechtigte unter Sanktionen stehen.»
Die BGFIBank RDC gibt ihrerseits keine Antwort auf die Fragen, die wir ihr per E-Mail und Einschreiben gesendet haben. Nach der Veröffentlichung eines Berichts von The Sentry behauptet sie 2018 in einem vertraulichen Dokument, das Public Eye vorliegt, die Unternehmensgruppe Congo Futur sei nie ihr Kunde gewesen und sie würde keine Geschäftsbeziehungen zu Kin Trading, der Atlantic Trading Company oder Congo Stars for Commerce mehr pflegen.
Kassim Tajideen wurde im Juni 2020 freigelassen und konnte in den Libanon zurückkehren. Offiziell wird dies mit der Befürchtung einer Coronavirus-Infektion im Gefängnis begründet. Mehrere Medien, darunter die Nachrichtenagentur Reuters, argumentieren, dass die Freilassung in Wirklichkeit mit einem grösseren Gefangenenaustausch zwischen Washington und Teheran zusammenhängt. Grund genug für die Compliance-Abteilungen der Banken, zumindest ihr Augenmerk auf ihn zu richten.
Kassim Tajideen selbst sieht darin eine Freilassung aus «Mitgefühl» und bedauert, dass sich das «Gerücht» hartnäckig hält. Der Libanese betont: «Ich habe während meiner juristischen Auseinandersetzungen in den USA sehr unter der Vermischung von Fakten und Personen gelitten und leide auch hier noch darunter». Doch er kann beruhigt sein – die juristischen Scherereien scheinen seinen Geschäften in der Schweiz bislang nicht im Wege gestanden zu haben.