Geldwäschereibekämpfung Wie sich die Anwaltslobby gegen eine strengere Regulierung wehrt

Im Gründen von Gesellschaften und Erstellen von komplexen Offshore-Konstrukten geniessen die Schweizer Anwältinnen und Anwälte weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Ihre Kundschaft kann mit ihrer Hilfe Steuern optimieren oder umgehen, Vermögen ausser Landes schaffen, Sanktionen entgehen und Geld waschen. Eine Besonderheit der Schweiz ist, dass Anwält*innen, die in der Finanzberatung tätig sind, bislang keinen Sorgfaltspflichten unterliegen. Auf internationalen Druck hin hat der Bundesrat, der in einem ersten Anlauf 2021 am Parlament gescheitert ist, nun erneut einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der sie dem Geldwäschereigesetz unterstellen würde. Recherchen in einem Berufsstand, der in Aufruhr ist.

Für Daniel Richard, der seit 1977 in Genf als Anwalt zugelassen ist, ist es die letzte Runde. Mit 74 Jahren träumt der Rechtsanwalt, der seine Karriere als Jurist beim Getreidehandelsriesen Cargill begonnen hat, von seinem wohlverdienten Ruhestand. Doch nach jahrzehntelangen guten und treuen Diensten für eine Kundschaft aus aller Welt und mit unterschiedlichen Hintergründen muss er eine letzte, eher undankbare Aufgabe erfüllen: die Liquidation der Rosneft Trading SA (RTSA), einer Gesellschaft, die er selbst im Januar 2011 registriert hat, als er für die Genfer Grosskanzlei Python arbeitete. Heute ist Richard der einzige Geschäftsführer der Firma, die nun in seiner Kanzlei PRLEX Avocats domiziliert ist.

RTSA, die lange Zeit florierende Genfer Handelstochter des russischen Ölgiganten Rosneft, stellte ihre Tätigkeiten im Februar 2020 abrupt ein, nachdem sie von den USA wegen Verstosses gegen das von Washington verhängte Embargo für venezolanisches Öl mit Sanktionen belegt worden war. Der Anwalt bezog damals von dem Unternehmen ein Jahresgehalt von 300’000 Franken und musste als Schnittstelle zur UBS und Credit Suisse fungieren, welche die Konten von RTSA gesperrt hatten. Er überwachte auch die Umsetzung eines Sozialplans für die rund 40 entlassenen Angestellten. Seit der russischen Invasion in der Ukraine ist die Lage noch komplizierter geworden: Der Mutterkonzern Rosneft wurde von den westlichen Ländern sanktioniert und die Liquidation von RTSA könnte aufgrund der Komplexität des Falles mehrere Jahre dauern.

«Ich habe RTSA von Anfang bis Ende in Übereinstimmung mit den lokalen Gesetzen verwaltet. Das war eines der schönsten Mandate meiner Karriere!», 

versichert der Anwalt, der auch im Verwaltungsrat mehrerer Gesellschaften war, die zur nebulösen Rosneft-Gruppe gehörten – darunter TNK Trading International SA, die aus denselben Gründen wie RTSA ebenfalls unter US-Sanktionen stand (siehe unsere Infografik zum Rosneft-Universum in Genf). «Egal, um welchen Kunden es sich handelt, ich könnte ihn nicht im Stich lassen. Und in diesem konkreten Fall wäre das nicht mal möglich, weil niemand meinen Platz einnehmen will», gesteht er.

Vielseitige Anwält*innen

Richard gehört zu jener Kategorie von Anwält*innen, die ihrer Kundschaft neben den «typischen» Tätigkeiten wie Vertretung vor Gericht und Rechtsberatung eine ganze Palette von Dienstleistungen verkaufen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Beruf zu tun haben, für den sie vereidigt wurden. Die Liste ist lang: von der Gründung von Gesellschaften, Stiftungen und Trusts über die Verwaltung dieser Unternehmen bis hin zum Kauf und Verkauf von Immobilien.

«Im Gegensatz zu dem, was oft gesagt wird, sind diese Tätigkeiten keineswegs atypisch», korrigiert Daniel Richard und fügt hinzu, dass «die Anwält*innen in Frankreich eher Gerichtsprozesse führen, während sie in der Schweiz für die Verwaltung von Unternehmen bekannt sind». In der Schweiz sind die sogenannten «Berater» – mehrheitlich Männer – seit Jahrzehnten in einem besonders liberalen Umfeld tätig. Im Gegensatz zu den Anwält*innen, die als Finanzintermediär*innen tätig sind (also im Auftrag ihrer Kundschaft Vermögen halten oder beim Transfer von Geldern helfen), unterliegen sie noch immer nicht den Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes (GwG).

Das bedeutet, dass diese Anwält*innen zum Beispiel weder die Absichten einer vermögenden Person, die sich ein Netzwerk von Offshore-Gesellschaften kaufen will, noch die Herkunft ihres Vermögens abklären müssen. Damit bildet die Schweiz eine Ausnahme, denn in den meisten Nachbarländern – darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Luxemburg – müssen ihre Kolleg*innen schon seit langem strenge Überprüfungen durchführen.

Bereits 2005 schlug die Financial Action Task Force (FATF) Alarm und forderte die Schweiz auf, diese Lücke zu schliessen. Das internationale Gremium, das in der Geldwäschereibekämpfung die Standards setzt, beschrieb damals die «Berater» als «Gatekeeper», eine Art Wächter, die Zugang zum Finanzsystem gewähren. Und zwar im Guten wie im Schlechten, da diese Dienstleister*innen, insbesondere die juristischen Fachleute unter ihnen – Anwält*innen und Notar*innen –komplexe Unternehmenskonstrukte auf die Beine stellen können, mit denen Gelder gewaschen werden können. Damit tragen sie auch dazu bei, dass es der Justiz der betroffenen Länder schwer fällt, Ermittlungen erfolgreich zu Ende zu führen. 

Die Leaks – die durch internationale Journalisten-Konsortien ausgewerteten Datenlecks – haben es ausführlich dokumentiert: Wirtschaftskriminelle, Steuerhinterziehende, die Mafia oder auch jene, die Sanktionen umgehen wollen, nutzen regelmässig die wertvollen Kompetenzen von Anwält*innen, um die Herkunft ihres Vermögens zu verschleiern, Transaktionen zu vertuschen oder auch die wirtschaftlich Berechtigten (die letztendlich Begünstigten) einer Firma oder eines Geschäfts zu verdecken.

Die Panama Papers oder die wichtige Rolle der helvetischen Gatekeeper

Auf diesem riesigen Markt hatte die Schweiz schon immer eine Spitzenposition inne. Die Panama Papers (eine Recherchearbeit des Internationalen Netzwerks Investigativer Journalisten (ICIJ)) lieferten im Jahr 2016 den exemplarischen Beweis dafür.  Danach haben 1339 Schweizer Anwält*innen, Finanzberater*innen und andere Intermediär*innen in den letzten 40 Jahren über 37’000 Offshore-Firmen – also mehr als ein Sechstel aller vom ICIJ erfassten Körperschaften – gegründet, die sich in den Dienst von Steuerflüchtlingen, Potentaten, politisch exponierten Personen (PEP) und sogar Kriminellen stellten. Die Schweiz stand damit an zweiter Stelle der Dienstleistungserbringer, hinter Hongkong und vor Grossbritannien. Die Daten stammten aus einem Hackerangriff auf den Server der Kanzlei Mossack Fonseca (einer der bekanntesten panamaischen Finanzdienstleister).

Damals kamen die zweifelhaften Praktiken mehrerer Stars der Schweizer Anwaltschaft zutage. Ganz weit oben stand der legendäre Marc Bonnant, ein leidenschaftlicher Verfechter der französischen Sprache und Geschäftsführer von mindestens 136 Firmen, von denen die meisten lediglich dazu dienten, Bankkonten zu halten und die Identität der wirtschaftlich Berechtigten zu vertuschen, wie das ICIJ berichtet. 

In den 2010er-Jahren war der Genfer, zu dessen Klientel unter anderem Milliardär*innen und Kleptokraten gehörten, alleiniger Geschäftsführer zweier Konstrukte, die auf den Britischen Jungferninseln registriert waren (und von einem Fonds auf den Kaimaninseln gehalten wurden). Ohne jegliche Erfahrung im Ölsektor hatten sich diese Körperschaften Förderrechte in der Nähe des Albertsees in der Demokratischen Republik Kongo gesichert. Hinter diesem Konstrukt steckte der südafrikanische Geschäftsmann Khulubuse Clive Zuma alias KCZ, ein grosser Liebhaber von Luxusautos und Neffe des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, der KCZ so zu seinem Reichtum verholfen haben soll, wie eine Recherche der  Tamedia-Zeitungen zeigte.

In den 1990er-Jahren war Anwalt Bonnant auch vom franko-israelischen Minenmagnaten Beny Steinmetz beauftragt worden, eine Stiftung in Liechtenstein zu registrieren und zu verwalten, der alle Gesellschaften des Firmenkonglomerats Beny Steinmetz Group Resources (BSGR) gehörten. Und er war einer der Anwälte des Milliardärs, als dieser im September 2022 in Genf wegen Bestechung ausländischer Amtsträger im Zusammenhang mit seinen Geschäften in Guinea strafrechtlich verfolgt und verurteilt wurde.

Auch die Zürcher Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner wurde durch die Panama Papers angeprangert. Laut einer Recherche des britischen «Guardian» aus dem Jahr 2016 habe Mitgründer Andres Baumgartner gegenüber Mitarbeitenden gesagt, er habe «Beziehungen zu Leuten vom KGB bis hin zu Wladimir Putin». Im Jahr 2014, so die Zeitung, half die Kanzlei dem Cellisten Sergei Roldugin – einem engen Freund des russischen Präsidenten und Patenonkel von dessen ältester Tochter – dabei, ein Konto bei der Gazprombank (Zürich) zu eröffnen. In den Unterlagen der Bank stand, dass Roldugin nicht eine «politisch exponierte Person» (PEP) ist. 

Die Zürcher Kanzlei erhielt direkt von der Bank Rossija – einem russischen Geldinstitut, das von engen Vertrauten des Kremlchefs geführt wird und wegen der Annexion der Krim durch Moskau unter europäische und US-amerikanische Sanktionen gestellt wurde – Anweisungen, Millionen von Dollar auf dieses Konto zu überweisen und anschliessend an Offshore-Firmen weiterzuleiten. Die Transaktionen wurden von Mossack Fonseca durchgeführt.

«Zurücklehnen und tief durchatmen»

Der Bundesrat hatte sich angesichts des Skandals zunächst unnachgiebig gezeigt, wie bereits 2013 nach der Veröffentlichung der Offshore-Leaks, der ersten Enthüllungen des ICIJ über Steueroasen. Damals wischte er eine vom damaligen Nationalrat Carlo Sommaruga eingereichte Motion vom Tisch, in der bereits gefordert wurde, den Anwendungsbereich des Geldwäschereigesetzes auf Anwält*innen auszuweiten, die für ihre Kundschaft Gesellschaften, Trusts oder Stiftungen gründen.

Angesichts der Schlagzeile um die Panama Papers erklärte der für Finanzen zuständige Bundesrat Ueli Maurer 2016 dem «Blick», dass man sich erst einmal «zurücklehnen und tief durchatmen» müsse. Auf die Frage, ob die beratenden Anwält*innen dem GwG unterstellt werden sollten, antwortete er, dass es «nicht möglich sei, jede Tätigkeit unter staatliche Kontrolle zu stellen», denn «wer kriminelle Energie hat, findet so oder so immer eine Lücke». Maurer meinte, dass man den reichen Leuten die Möglichkeit lassen sollte, Offshore-Geschäfte zu tätigen.

Mehrere Anwälte reagierten empört und erklärten, dass diese Aktivitäten der Vergangenheit angehörten und/oder nicht illegal seien, da die erwähnten Kollegen «absolut nichts» riskierten. Damit lagen sie richtig, denn es wurde keine Strafverfolgung eingeleitet. François Canonica, ehemaliger Präsident der Genfer Anwaltskammer, kritisierte Journalist*innen als «Hehler» von gestohlenen Informationen und bezeichnete sie als «schwarze Schafe». Der damalige Nationalrat Christian Lüscher sah hinter den Lecks die Hand der USA und forderte den «Weltpolizisten» dazu auf, «in seinem eigenen Stall auszumisten».

Es dauerte einige Jahre, bis Bern schliesslich bereit war, den Forderungen der FATF nachzukommen. 2019 wurde im Rahmen einer umfassenderen Revision des GwG ein erster Entwurf zur Unterstellung der Finanzberater unter das Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei ausgearbeitet. Doch im Herbst 2021, nach zwei Jahren intensiver Lobbyarbeit einiger Mitglieder des Berufsstandes und mehreren Monaten hitziger Debatten, wurde der Teil betreffend die Sorgfaltspflicht der Berater im Keim erstickt, da das Parlament nicht auf das Thema eingehen wollte. 

Ueli Maurer versprach daraufhin, dass die Reform, die «nicht der wichtigste Punkt für den Finanzplatz» sei, dem Parlament erneut vorgelegt werden würde.

Das Remake: neues Gesetz mit minimalen Anforderungen

Bern machte sich einige Monate nach der russischen Invasion in der Ukraine wieder an die Arbeit, als die Schliessung der Lücken im Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei zu einer dringlichen Angelegenheit wurde: Der Ruf der Schweiz stand auf dem Spiel. Da die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Moskau übernommen hatte, erschien sie nun in einem ungünstigen Licht: Seit Jahrzehnten ist sie Gastland für dubiose Gelder dem Kreml nahestehender russischer Oligarchen, die unter anderem auf die tatkräftige Unterstützung einiger helvetischer Anwält*innen zählen durften. 

Im Sommer 2023 ging ein Vorentwurf in die Vernehmlassung, gekoppelt mit einem neuen Bundesgesetz über die Transparenz juristischer Personen (TJPG), das die Schaffung eines bundesweiten Registers der wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften vorsieht, ein weiteres unentbehrliches Instrument im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität.

Weitere Informationen

  • Ein Register der wirtschaftlich Berechtigten, das Journalist*innen und NGOs nicht zugänglich ist

    Nebst der Einführung von Sorgfaltspflichten für «Berater» schlägt der Bundesrat vor, das Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei durch die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die Transparenz juristischer Personen (TJPG) zu verstärken. Seine wichtigste Massnahme ist dabei die Einführung eines eidgenössischen Registers der wirtschaftlich Berechtigten.

    Bei ihrer Registrierung werden Unternehmen und andere juristische Personen die Identität ihrer effektiven Berechtigten (Ultimate Beneficial Owner, UBO) bekannt geben müssen. Damit kommen sie einer Empfehlung der Financial Action Task Force (FATF) nach, die sich international zum Standard entwickelt. Das Register wird in erster Linie den Behörden bei ihren Bemühungen zur Bekämpfung der Finanzkriminalität von Nutzen sein. Banken und Finanzintermediär*innen müssen zusätzlich zu den bereits bestehenden Sorgfaltspflichten das Register einsehen. Ein grosser Wermutstropfen ist jedoch, dass Journalist*innen und NGOs, die bei der Aufdeckung von Korruptions- und Geldwäschereiskandalen eine entscheidende Rolle spielen, keinen Zugang zum Register haben sollen.

    Die Schweiz hat sich für den Alleingang entschieden, da sie den Datenschutz über alles stellt. Die Europäische Union hat nämlich gerade ein neues Gesetz verabschiedet, das die Mitgliedstaaten verpflichtet, allen Personen, die ein «berechtigtes Interesse» geltend machen können, den freien Zugang zu den Registern zu gewähren, also genau dann wenn sie für ein Medium oder eine investigative NGO arbeiten.

Der Bundesrat hat seine Botschaft am 22. Mai 2024 veröffentlicht. In seiner letzten Fassung sieht der Text ein weniger strenges Regelwerk vor als der 2021 vom Parlament abgelehnte Vorschlag. Damals wollte der Bundesrat Sorgfaltspflichten unterschiedslos für sämtliche Beratungstätigkeiten einführen. Die Gegner*innen warnten damals vor der Schaffung eines «bürokratischen Monsters», mit einer «völlig absurden Situation, in der ein Anwalt, der während einer Stunde einen Klienten empfängt, fünf Stunden mit administrativen Schritten beschäftigt sein wird», wie der Anwalt und Nationalrat Vincent Maître (Die Mitte/GE) erläuterte. 

Diese Kritik wurde gehört. Es ist nun vorgesehen, dass Anwält*innen in einer «Beraterfunktion» dem GwG unterstellt werden, allerdings nur, wenn sie Leistungen erbringen, die Risiken der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung bergen: Kauf und Verkauf von Immobilien; Gründung, Leitung und Verwaltung von Gesellschaften, Stiftungen und Trusts; Kapitalisierung, Verkauf oder Kauf einer Gesellschaft; Zurverfügungstellen von Domizilen und Räumlichkeiten für diese Unternehmen; Übernahme der Funktion eines Treuhandaktionärs («nominee shareholder») im Namen einer anderen Person.

Berufsgeheimnis vor Verdachtsmeldung

Wird dieses Gesetz angenommen, werden Rechtsanwält*innen Überprüfungen vornehmen müssen, um den wirtschaftlich Berechtigten der von ihnen registrierten und verwalteten Konstrukte zu identifizieren. Sie werden auch den wirtschaftlichen Hintergrund und die Absicht der angeforderten Dienstleistungen klären und die Dokumentation aufbewahren müssen. Wenn die Antworten nicht vorhanden oder zweifelhaft sind, müssen Anwält*innen die Erbringung dieser Leistungen verweigern, da sie sich sonst wegen potenzieller Unterstützung illegaler Aktivitäten strafbar machen können.

Im Falle eines begründeten Verdachts muss die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) informiert werden. Was als scharfe Massnahme erscheinen mag, hat in Wirklichkeit eine sehr geringe Tragweite: Nur Anwält*innen, die im Namen oder im Auftrag ihrer Kundschaft eine Finanztransaktion durchführen (und die nicht den Status eines Finanzintermediärs haben, weil ihre Aktivität nicht den entsprechenden Erfordernissen entspricht), müssen Meldung erstatten. «Der Fall dürfte in der Praxis eher selten sein», wurde bereits vom Bundesrat angekündigt.

Als weitere Einschränkung gilt, dass alarmierende Informationen, die im Rahmen «typischer» Tätigkeiten von Anwält*innen (Rechtsvertretung und -beratung) gewonnen werden und somit unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht an die Meldestelle weitergegeben werden dürfen. Eine von den Schweizer Anwält*innen hart erkämpfte Garantie, die über die in der EU üblichen Praktiken hinausgeht.

Laut Schätzungen des Bundesrates könnte die neue Regelung zwischen 1500 und 2500 Rechtsanwält*innen (von den 12’000 Mitgliedern des Schweizerischen Anwaltsverbandes) betreffen, von denen die meisten «in den grossen Kanzleien des Landes» angesiedelt sind, so Bern. 720 Anwält*innen haben den Status von Finanzintermediär*innen und unterliegen somit bereits dem GwG (Zahl für 2022). Die parlamentarischen Beratungen werden im Herbst 2024 beginnen.

«Ich bin doch kein Polizist!», sagt ein Anwalt

Die Branche ist schon jetzt in Aufruhr. Die Aussicht, Kontrollen durchführen zu müssen, beunruhigt oder schreckt all jene ab, die meinen, dass das Vertrauensverhältnis zur Kundschaft erschüttert wird. «Du stellst fest, dass ein Kunde eine Dummheit begangen hat, und du zeigst ihn an? Ich bin doch kein Polizist!», erwidert Daniel Richard und ärgert sich darüber, dass man «alles durch Gesetze kontrollieren will, was die Gefahr birgt, dass niemand mehr Verantwortung trägt». Mit den Jahren habe er gelernt, suspekte Anfragen zu erkennen.

Wie bereits 2021, und trotz der Zusicherungen des Bundesrats, sind einige der Ansicht, dass das sakrosankte Berufsgeheimnis erneut bedroht sei und «geschwächt oder sogar regelrecht ausgehebelt» werden könnte.

Unter den Staatsanwält*innen überzeugt dieses Argument nicht. In einem Interview im Jahr 2021 mit Public Eye meinte der Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa, dass die Einführung von Sorgfaltspflichten das Berufsgeheimnis nicht gefährde, da dieses 

«nicht dazu da ist, das Geheimnis von Offshore-Firmen zu schützen, über die Korruptionsgelder fliessen.» 

Sein ehemaliger Kollege, der frühere Staatsanwalt Jean-Bernard Schmid, der heute als Anwalt in der Kanzlei CMS von Erlach Partners AG tätig ist, teilt diese Ansicht. Er weist jedoch darauf hin, dass «manche Anwälte für denselben Mandanten oft neben einer typischen, unter das Berufsgeheimnis fallenden Tätigkeit auch eine atypische oder gewerbliche, nicht unter das Berufsgeheimnis fallende Tätigkeit ausüben», und dass es besonders schwierig sein kann, zwischen beiden zu unterscheiden. 

Der Schweizerische Anwaltsverband warnt vor einer unlösbaren Situation, in der «der Anwalt ständig Gefahr läuft, entweder die Meldepflicht oder das Berufsgeheimnis zu verletzen, was entsprechende Sanktionen zur Folge hat».

Der Anwalt und grüne Nationalrat Raphaël Mahaim (der in einigen Dossiers die Interessen von Public Eye vertritt) ist Verfechter einer Reform, die «jahrzehntelangen unverantwortlichen Praktiken» ein Ende setzen könnte. Er vergleicht die Argumente einiger seiner rechten Parlamentskollegen mit denen der Banker beim Tod des Bankgeheimnisses im Jahr 2009 und befürchtet, dass das Parlament die Reform erneut ablehnen oder ein sehr abgeschwächtes Gesetz verabschieden wird. «Der Bundesrat hat sich bereits für eine stark eingeschränkte Meldepflicht und den Vorrang des Berufsgeheimnisses vor dem GwG entschieden», merkt er an.

In Europa ist es unter Rechtsanwält*innen längst üblich geworden, in verdächtigen Situationen ohne grosse Bedenken zu reagieren. Ein Jurist berichtet von einer skandinavischen Kollegin, die ihren Mandanten bei der Meldestelle für Geldwäscherei anzeigte, als sie erfuhr, dass dieser unter undurchsichtigen Umständen Konkurs gemacht hatte. Sie befürchtete, dass ihr Honorar aus illegalen Quellen stammen könnten.

Ein Schreinermeister ist kein junger Oligarch

Auf der Website seiner Kanzlei fragt sich Anwalt Lorenzo Croce, Spezialist für Trust- und Stiftungsrecht, wie es «vernünftig» möglich ist, «im Voraus zu bestimmen, ob die errichtete Struktur letztendlich als Instrument der Geldwäscherei oder der Terrorismusfinanzierung dienen wird», und verweist ironisch auf das «Totschlagargument des Staatsanwalts, der zehn Jahre später zum Anwalt kommt und sagt: ‹Sie hätten wissen müssen, dass Ihr Mandant mit seiner neuen Firma unlautere Absichten verfolgte!›».

Der Bundesrat wollte die Wogen glätten und relativierte in seinem erläuternden Bericht: «Lässt sich beispielsweise der einzige wirtschaftliche Berechtigte eines lokalen Schreinereiunternehmens, das bereits seit Jahrzehnten geschäftlich aktiv ist, über die Gründung einer Tochtergesellschaft beraten, so ist diese Situation aus Sicht der Risikobeurteilung nicht vergleichbar mit jener, in welcher ein junger, angeblich erfolgreicher Geschäftsmann aus einem Hochrisikoland mit Kontakten zu einer PEP um die Errichtung einer komplexen Truststruktur unter Einbezug mehrerer Offshore-Jurisdiktionen nachsucht, in die er 100 Mio. USD aus dem angeblichen Familienvermögen einbringen möchte.». Im zweiten Fall sollten «angesichts der stark erhöhten Risikosituation» verstärkte Sorgfaltspflichten zur Anwendung kommen.

Doch für viele bleiben die Ungewissheiten bestehen. Eine Westschweizer Anwältin, die nie als Finanzintermediärin tätig war, gesteht, dass sie bislang keine «besonderen Vorsichtsmassnahmen» treffen musste, um herauszufinden, woher das Vermögen ihrer Mandant*innen stammte. «Es kann durchaus vorkommen, dass eine Person, die ihr Vermögen auf kriminelle Weise erworben hat, eine tatsächliche oder fiktive Scheidung nutzt, um ihr Vermögen zu waschen», erklärt sie und zeigt sich besorgt über die Risiken für Rechtsanwält*innen, beispielsweise bei Rechtsberatung im Vorfeld eines Verfahrens zur Auflösung eines ehelichen Güterstands.

«Wenn man die beratenden Anwälte dem GwG unterstellt, werden sie ihrer Kundschaft einfach sagen, wie sie sich anderswo eine Offshore-Firma kaufen können. So einfach ist das!», prophezeit der Partner einer Genfer Kanzlei. Der Kunstmarktexperte lehnt «das klischeehafte Bild der Arbeit des Wirtschaftsanwalts ab, der Konstrukte aufbaut, um Geldwäscherei zu vertuschen, wo doch diese Gesellschaften in den meisten Fällen aus völlig legitimen Gründen gegründet werden». Als Beispiel führt er einen reichen Sammler an, der sein berühmtes Gemälde als Leihgabe für eine Ausstellung bewegen will und verlangt, dass man eine Firma in Panama registriert, um den wertvollen Vermögenswert dort zu parkieren. «Das ist eine gängige und legale Praxis! So wird der Name des Eigentümers nicht angezeigt und man ist vor Zwangsvollstreckungen durch Kreditgeber geschützt», erklärt er.

Was der Anwalt nicht erwähnt: Dies ermöglicht auch Besitzer*innen von Kunstwerken mit unklarer Herkunft, im Verborgenen zu bleiben. So wurde im Rahmen  der Panama Papers nachgewiesen, dass ein Gemälde von Modigliani, das die Nazis im Zweiten Weltkrieg gestohlen hatten, den Ermittlungen der Justiz jahrelang entgehen konnte. Es befand sich im Besitz einer Firma in Panama, hinter der sich ein grosser Kunsthändler verbarg.

Das abgedroschene Mantra des Artikels 305bis

Seit mehreren Jahren verpassen die Gegner*innen der Reform auch keine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Artikel 305bis des Strafgesetzbuches bereits die Verfolgung wegen Geldwäscherei ermöglicht, wenn jemand «eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren». Das gilt natürlich auch für Anwält*innen.

Wie der Schweizerische Anwaltsverband kürzlich erklärte, wäre dies der Beweis dafür, dass das Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei genug wirksam ist, da «alle Anwälte strafbar sind, wenn sie sich an Transaktionen beteiligen, bei denen das Risiko der Geldwäscherei oder eines qualifizierten Steuerdelikts besteht». 

Der Bundesrat war lange Zeit mit der Verteidigung des florierenden Schweizer Finanzberatungsbusiness’ beschäftigt und hat derartige Argumente immer wieder vorgebracht. Heute ist die Regierung jedoch der Ansicht, dass «die Anwendung des ordentlichen Strafrechts (insbesondere Art. 305bis StGB) genügt nicht», um «Notarinnen und Notare oder Anwältinnen und Anwälte zu verpflichten, ihren Kundinnen und Kunden die unverzichtbaren Fragen zu stellen », und fügt hinzu, dass es «für die Strafbehörden oft schwierig oder gar unmöglich ist, die nichtfinanziellen Intermediäre zu identifizieren, die von der kriminellen Herkunft der Gelder oder der von ihnen geschaffenen oder beratenen Rechtsstrukturen gewusst haben».

Bisher gibt es keine Statistiken darüber, wie viele Anwält*innen nach Art. 305bis StGB verfolgt werden, und die vermutlich äusserst seltenen Strafverfolgungen werden so gut wie nie öffentlich gemacht.

2017 enthüllte das auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Portal «Gotham City» den exemplarischen Fall einer Mitarbeiterin der Genfer Kanzlei Meyer Legal(einer auf die Verwaltung von Yachten und Privatflugzeugen spezialisierten Kanzlei), die auf der Grundlage dieses Artikels in Untersuchungshaft kam. Sie hatte zwei Offshore-Gesellschaften verwaltet, in deren Besitz sich die beiden Yachten von Teodorin Obiang befanden, dem Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea,  gegen den damals in Genf wegen Geldwäscherei und ungetreuer Geschäftsbesorgung ermittelt wurde. Die Genfer Staatsanwaltschaft warf der Anwältin vor, sie habe eine «entscheidende Vermittlungstätigkeit in einem scheinbaren Konstrukt ausgeübt, das auf die Verschleierung des Ertrags aus in Äquatorialguinea begangenen Straftaten abzielte». Unter Berufung auf das Berufsgeheimnis kämpfte sie erfolglos um die Ablehnung des für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwalts Claudio Mascotto, wie in einem Urteil des Bundesstrafgerichts nachzulesen ist. Der Berg hat schliesslich eine Maus geboren: Der Fall wurde von der Genfer Justiz gemäss Artikel 53 StGB zur Strafbefreiung bei Wiedergutmachung eingestellt und die Anklage fallen gelassen.

Unterwäsche für Oligarchen und Diktatoren

Seit den Panama Papers haben weitere Enthüllungen und Datenlecks die Dringlichkeit von gesetzlichen Regelungen in Erinnerung gerufen. Im Oktober 2021, sechs Monate nachdem das Parlament die Unterstellung von Beratern unter das GwG abgelehnt hatte, sorgten die Pandora Papers erneut für Aufsehen. Dieses Mal wurden 90 Schweizer Anwaltskanzleien, Treuhandbüros und Notariate vom ICIJ erfasst, die Hand in Hand mit 14 Kanzleien arbeiteten, die Dienstleistungen für ehemalige und aktuelle Führungskräfte aus aller Welt, Politiker*innen und hohe Beamt*innen sowie eine Handvoll Betrüger und Mörder erbrachten.

Der ehemalige russische Finanzminister Wladimir Tschernuchin, der 2004 von Putin entlassen wurde, verbarg sein Vermögen mithilfe eines komplexen Systems aus 28 Offshore-Konstrukten, die von Zürcher und Genfer Anwält*innen gesteuert und verwaltet wurden. Laut «24 heures» war das Genfer Anwaltsehepaar Dominique und Michel Amaudruz – die Eltern von Céline Amaudruz, SVP-Vizepräsidentin und Nationalrätin – an einer Offshore-Konstruktion beteiligt, die dem Kauf der 25’000 Quadratmeter grossen Villa des ehemaligen hochrangigen Beamten in Cap d'Antibes an der Côte d'Azur diente. Während eines Prozesses in London gegen einen seiner Rivalen meinte Tschernuchin, dass die Strukturen, die sein Vermögen verschleiern, «wie Unterwäsche» seien. 

«Sie sind schön und sauber, aber ich möchte sie nicht allen zeigen», 

erklärte er.

Public Eye hat in mehreren Recherchen die Rolle von Schweizer Anwälten im Dienste reicher und mächtiger Menschen aus Ländern aufgedeckt, in denen die Korruption allgegenwärtig ist. Kasachstan ist einer dieser autoritären und rohstoffreichen Staaten, in denen einige wenige Familien den grössten Teil des Reichtums des Landes auf Kosten der Bevölkerung unter sich aufgeteilt haben. Diese Elite hat seit langem ein Auge auf die Schweiz und ihre Banken geworfen und freut sich über die diskreten Ratschläge ihrer Anwaltschaft.

In den 2010er-Jahren führte der Minister und Diplomat Kassym-Schomart Tokajew – der 2019 zum Präsidenten Kasachstans gewählt wurde – seine dunklen Geschäfte über seinen Sohn und seinen Neffen von Genf aus. Die Familie hatte sich an einen vielseitigen Anwalt ihres Vertrauens gewandt: Thierry Ulmann, der sowohl bei Fragen zum Leben in der Schweiz als auch bei der Registrierung von Firmen und Immobilienkäufen zu Rate gezogen wurde. Er war es auch, der die Statuten der Familienstiftung der Tokajews mit dem Namen «Stiftung für innovative Diplomatie» entwarf. Die Stiftung befindet sich derzeit in Liquidation. 

Ulmann wollte sich auf Anfrage nicht zu diesem Mandat äussern. Der Anwalt erklärte, dass er aufgrund seines Status als Finanzintermediär bereits dem GwG unterstellt sei, und schickte uns eine lange Antwort, in der er behauptete, dass «die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes zu mehr bürokratischem Aufwand und Ineffizienz in der Justiz führen wird» (...) «als ob man Ihnen jedes Mal, wenn Sie über das Leben von Katzen und Hunden schreiben, sagen würde, dass Sie ein Tierarztdiplom machen sollen».

Anwalt Jean-Christophe Hocke – Partner der Grosskanzlei Python und später von Kellerhals Carrard in Genf – berät seit Jahrzehnten die schwerreiche Familie von Nursultan Nasarbajew, der von 1991 bis 2019 Präsident und unangefochtener Herrscher Kasachstans war. Der Anwalt organisierte Nasarbajews jüngster Tochter Dinara Kulibajewa, die eine C-Bewilligung besitzt, die Niederlassung in Genf. Sie ist mit dem Milliardär Timur Kulibajew verheiratet, der sein Vermögen im Ölgeschäft gemacht hat und gegen den in der Schweiz eine Zeit lang in einem Verfahren wegen Geldwäscherei ermittelt wurde, das Ende 2013 schliesslich eingestellt wurde. 2009 gönnte sich Dinara für die astronomische Summe von 74,7 Millionen Franken ein Anwesen in Anières bei Genf. Zehn Jahre später erwarb sie das Schloss Bellerive (106 Millionen Franken), in das sie sich «verliebt» hatte, wie Anwalt Hocke damals in den Medien erklärte. Uns vorliegende Dokumente zeigen, dass der Anwalt auch zwei Kasachen unterstützte, die den Kulibajews nahestanden und Immobilien in Cologny erwerben wollten. Sie waren mit dem Rohstoffhandelsriesen Vitol im Geschäft, wie unsere Recherchen ergaben.

Russlandfreundliche Anwälte im Visier

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die «atypischen» Aktivitäten einiger Anwälte im Dienste russischer Oligarchen wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. In unserer Galerie der Oligarchen befand sich der Multimilliardär Wladimir Lissin, ein Stahlbaron, der trotz seiner Nähe zu Putin bislang von den Sanktionen verschont geblieben ist. Der Industrieboss hatte in Genf, wo auch sein Sohn studierte, seinen Vertrauensmann: Alain Bionda, ein russlandfreundlicher Anwalt, der einen Teil von Lissins riesigem Vermögen in der Schweiz verwaltete und seinen Klienten auch heute noch in den höchsten Tönen lobt.

Der von den USA, der EU und der Schweiz mit Sanktionen belegte Senator Suleiman Kerimow aus der russischen Republik Dagestan, der sein Vermögen mit Düngemitteln und im Goldsektor gemacht hat, liess seine Geschäfte lange Zeit vom Luzerner Treuhänder Alexander Studhalter führen. Als dieser jedoch in Frankreich unter dem Verdacht festgenommen wurde, über eine Schweizer Firma ein luxuriöses Anwesen in Cap d'Antibes gekauft zu haben, erschien ein Zuger Anwalt auf der Bildfläche. Wie mehrere Medien berichteten, handelte dieser im Auftrag der Tochter des Oligarchen, Gulnara Kerimova, die 2021 die besagte Villa sowie drei weitere französische Anwesen kaufte, die angeblich ihrem Vater gehörten.

Im November 2022 setzte das US-Finanzministerium den Zuger auf die Sanktionsliste, «weil er direkt oder indirekt im Auftrag von Gulnara Kerimova gehandelt oder zu handeln versucht hat», dies für das gesamte Netzwerk und die Familie des Oligarchen. Der Anwalt hat mehrere Klagen gegen Journalist*innen eingereicht, damit sein Name aus ihren Artikeln entfernt wird.

Nach Dubai geflüchtet

Ein Schweizer Anwalt, der zahlreiche Personen aus der ehemaligen Sowjetunion berät, versucht, sich so diskret wie möglich zu verhalten. Er versichert, dass er immer die nötigen Vorsichtsmassnahmen getroffen habe: «Die Familien, die ich betreue, kenne ich seit 15 Jahren und ich weiss, was sie tun». «Vor ein paar Jahren suchte mich ein Ukrainer auf und fragte mich, ob er mit 5 Millionen Cash ein Haus kaufen könne... Solche Leute berate ich nicht. Dasselbe gilt für Oligarchen, weil es zu riskant ist», berichtet er. 

Der Gesetzentwurf des Bundesrats weckt jedoch sein grösstes Misstrauen. «Bevor wir eine Beratung durchführen, selbst wenn sie nur allgemeiner Natur ist, werden wir gezwungen sein, unsere Kundschaft nach der Herkunft ihres Geldes zu fragen. Das ist viel Arbeit und bringt neue Verpflichtungen mit sich, und vor allem müssten wir die Geldströme kontrollieren, was fast unmöglich ist», räumt er ein.

Seine russische Kundschaft ist grösstenteils nach Dubai abgewandert, weshalb er häufig in den Stadtstaat der Emirate reisen muss. Er erzählt, dass mehrere seiner Schweizer Kollegen in das kleine Steuerparadies umgezogen sind, das keine Sanktionen gegen Moskau verhängt hat und in dem man ungestört seinen Geschäften nachgehen kann.

© Panos

Siehe unsere Recherche zu Dubai.

Ständerat und Anwalt Beat Rieder will die «Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen»

In der Schweiz wird derweil der Handlungsspielraum immer enger. Neben der anstehenden Reform weht auch beim brisanten Thema der Sanktionen gegen Russland ein scharfer Wind. Im Herbst 2022 verbot Bern den Anwält*innen, direkte oder indirekte Rechtsberatungsdienste – ausserhalb von Gerichtsverfahren – für die russische Regierung sowie für in Russland ansässige juristische Personen, Organisationen oder Unternehmen zu erbringen, und übernahm damit das von der EU verabschiedete achte Sanktionspaket.

Diese Reaktion auf Russlands grobe Verletzungen des Völkerrechts hat heftige Kritik hervorgerufen. Sandrine Giroud, Anwältin der Grosskanzlei Lalive und Präsidentin der Anwaltskammer von Genf, ist der Ansicht, dass «das Verbot zu weit geht und die von der UNO erlassenen Grundprinzipien bezüglich der Rolle der Rechtsanwälte verletzt». Die Genfer Anwaltskammer hat bereits zwei Briefe an Bundesrat Guy Parmelin geschickt und ihn gebeten, diese Massnahme zu streichen. Währenddessen stellten die Anwaltskammern von Genf, Brüssel und Paris gemeinsam beim Gericht der EU mit Sitz in Luxemburg einen Antrag auf Nichtigerklärung. 

Ende 2023 nahm sich der Walliser Mitte-Ständerat und Anwalt Beat Rieder des Themas an und reichte eine Motion mit dem nüchternen Titel «Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen» ein, in der er die Ansicht vertritt, dass «das Verbot (...) der Rechtsberatung der Abschaffung eines Grundrechts gleichkommt». Als Gegner des Entwurfs über beratende Anwält*innen weist Rieder auf die «unklare Abgrenzung zwischen Rechtsberatung und Rechtsvertretung hin». Im Februar 2024 lehnte der Bundesrat die Motion ab, da er den Geltungsbereich des Verbots für ausreichend eng halte und offen für weitere Abklärungen mit der Branche sei. 

Die kommenden Monate versprechen also eine intensive Lobbyarbeit hinter den Kulissen – ob es nun darum geht, sich aus rechtsstaatlichen Überlegungen gegen dieses Verbot zu wehren oder kompromisslos ein Geschäftsmodell zu verteidigen, das darin besteht, seiner reichen Kundschaft zu Diensten zu sein, ohne unbequeme Fragen stellen zu müssen.

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