Flugmode-Boom in der Schweiz

Die Schweiz erlebt eine beispiellose Zunahme von Fast-Fashion-Importen per Luftfracht - angetrieben durch E-Commerce-Plattformen wie Temu oder Shein. Ende 2024 wurde bereits jedes siebte Bekleidungsstück per Flugzeug in die Schweiz geliefert, mehr als drei Viertel davon aus China.

Zürich, 10. Februar 2025

Flugmode? Absurd, aber leider Realität: Um Fast-Fashion weiter anzuheizen, transportieren manche Modefirmen T-Shirts, Hosen und Schuhe massenhaft per Flugzeug, obwohl dies ein Zigfaches an Treibhausgasemissionen verursacht. 2023 deckte Public Eye erstmals das Ausmass dieses Phänomens auf. Unsere Recherche zeigte, wie Inditex (Zara) den Flughafen Zaragoza zum Drehkreuz seiner globalen Modelogistik ausgebaut hat. Trotz aller Appelle setzt der spanische Modegigant weiterhin - und gemäss unserer Datenanalyse sogar verstärkt - auf Flugmode. Welche Auswirkungen dies in Bangladesch hat, beleuchtet inzwischen auch ein investigativer Dokumentarfilm. 

Jedes siebte Kleidungsstück fliegt direkt in die Schweiz 

Bis 2023 gelangte Flugmode fast nur indirekt über Zaragoza oder andere EU-Flughäfen in die Schweiz, doch inzwischen nehmen auch die Direktimporte rapide zu. 2024 wurden mehr als 22'000 Tonnen Textilien, Bekleidung und Lederwaren per Luftfracht in die Schweiz eingeführt, davon 17'000 Tonnen - also mehr als drei Viertel - aus China.

Im Herbst 2024 erreichten diese Importe mit über 2000 Tonnen pro Monat ein Allzeithoch. Vergleichbare Mengen wurden nur im Frühjahr 2020, während der ersten Pandemiewelle eingeflogen – damals aber, weil dringend Schutzkleidung aus Fernost benötigt wurde.  

Vor allem bei Bekleidung (ohne andere Textilien und Lederwaren) sind die Importe auf dem Luftweg in den letzten eineinhalb Jahren regelrecht explodiert. Im Dezember 2024 wurden 13,9% aller Bekleidungswaren direkt per Flugzeug in die Schweiz importiert, aus China sogar 30,1%.  

Onlinehändler mit Ultra-Vielfliegerstatus 

Die ökologischen Folgen sind dramatisch. Laut dem Emissionsrechner EcoTransIT verursacht der Transport einer Tonne Kleider per Luftfracht vom Fast-Fashion-Produktionshub im chinesischen Guangzhou nach Zürich 49-mal mehr Treibhausgasemissionen als der Seetransport nach Genua mit anschliessendem LKW-Transport in die Schweiz. 

Haupttreiber dieser Entwicklung sind die schnell wachsenden Marktanteile von Plattformen wie Shein und Temu, die chinesische Waren zu Niedrigstpreisen binnen weniger Tage direkt an Schweizer Haushalte liefern. 2024 fiel das Preisniveau der Flugmode aus China sogar deutlich unter den Durchschnittspreis aller Schweizer Bekleidungsimporte. Das zeigt: Nicht mehr die eher teurere Ware wird eingeflogen, sondern vor allem Billigmode.  

Textilien und Bekleidung machen rund 40% aller Flugimporte aus China aus, hier war der Anstieg am steilsten. Aber auch Kunststoffartikel, Spielwaren, Elektronik oder Einrichtungsgegenstände, die vor allem auf der Gemischtwarenplattform Temu beworben werden, verzeichnen deutliche Zuwächse. 

Im Oktober 2024 überschritten die Luftfrachtimporte aus China erstmals die 5’000-Tonnen-Marke. Die Gesamtmenge im Jahr 2024 entspricht der Ladekapazität von mehr als 470 Frachtmaschinen, davon allein rund 170 für Textilien, Bekleidung und Lederwaren.  

Klimaschutz braucht Regulierung 

Diese jüngste Entwicklung zeigt deutlich: Trotz vieler vollmundiger Beteuerungen wird sich die Modebranche nicht freiwillig auf den dringend notwendigen steilen Reduktionspfad begeben. Natürlich gibt es auch Firmen, die diesbezüglich grosse Anstrengungen unternehmen, doch ihre Fortschritte werden von Konkurrenten pulverisiert, die keinerlei Hemmungen haben, Marktanteile auf Kosten des Klimas zu erobern.  

Ein erster konkreter Schritt wäre eine Deklarationspflicht für Konsumgüter, die neben dem Transportweg auch weitere Nachhaltigkeitsinformationen der Herstellung transparent macht – etwa durch einen verpflichtenden Produktpass. Darüber hinaus sollten die indirekte Subventionierung des Flugverkehrs durch die fehlende Besteuerung von Kerosin sowie die Ausnahmen für aussereuropäische Flüge beim Emissionshandel schnellstmöglich abgeschafft werden.  

Wichtig ist dabei, dass Regulierungsmassnahmen nicht nur auf die neuen chinesischen Plattformen abzielen, sondern alle Händler und Hersteller in die Pflicht nehmen. Denn wie das Beispiel Inditex zeigt, haben auch etablierte europäische Player erheblichen Nachholbedarf auf dem Weg zum nachhaltigen Wirtschaften. 

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