Nach Strafanzeige von Public Eye: Glencore wegen korrupter Minen-Deals in der DR Kongo verurteilt
22. August 2024
Vor sieben Jahren erstattete Public Eye Strafanzeige gegen Glencore. Nun verkündete die Bundesanwaltschaft (BA) am 5. August 2024 den lang erwarteten Schuldspruch. Sie verurteilte Glencore wegen «Organisationsmangels» (Art. 102 StGB) zu einer Busse von 2 Mio. Franken und verhängte eine Ersatzforderung von 150 Mio. US-Dollar. Der Zuger Rohstoffkonzern hatte die nötigen Vorkehrungen nicht getroffen, um die Bestechung ausländischer Amtsträger im Zusammenhang mit Minengeschäften in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zu verhindern.
Bereits im Mai 2022 hatte sich Glencore in den USA für Bestechungsaffären in der DRK schuldig bekannt. Die BA hatte die nun abgeschlossene Untersuchung auf diese zwei weiteren Affären ausgedehnt und schon im Mai 2023 eine Ersatzforderung von 29,7 Mio. US-Dollar eingezogen. Diese neuste Millionenstrafe in der Schweiz ermöglicht Glencore, ein Jahrzehnt Korruptionsgeschichten in der DRK juristisch abzuschliessen.
Korrupte Minen-Deals
Glencore nutzte in der DRK die Dienste des israelischen Geschäftsmannes Dan Gertler, um hochprofitable Minen-Deals einzufädeln. Die britische NGO Global Witness informierte die Behörden bereits 2012 über die zweifelhaften Praktiken von Gertler und den Verdacht, dass dieser Schmiergelder zahlte. Gertler steht wegen seiner korrupten Geschäfte unterdessen auf der US-Sanktionsliste. Dass nun die helvetische Justiz mehr als ein Jahrzehnt später korrupte Praktiken in diesem Hochrisikosektor bestraft, ist ein sehr positives Signal.
Die Strafanzeige erstattete Public Eye im Nachgang der Publikation der «Paradise Papers». Diese hatten Deals um Kupfer- und Kobaltminen in der DRK in neuem Licht erscheinen lassen. Einerseits ging es um die Firma Katanga Mining, bei der Gertler 2008 in Neuverhandlungen mit der Regierung von Joseph Kabila innerhalb weniger Wochen für Glencore eine sensationelle Preissenkung erwirkt hatte. Andererseits um die Minen Mutanda und Kansuki, bei denen Gertler 2011 Unternehmensanteile der kongolesischen staatlichen Minengesellschaft weit unter Wert hatte erwerben können.
Nach einer vierjährigen Untersuchung verzichtet die BA auf einen Prozess vor Bundesstrafgericht und verurteilt Glencore per Strafbefehl. Ihre Ermittlungen zeigen, dass rund 26 Mio. US-Dollar auf über Schweizer Bankkonten von Dan Gertler flossen, und davon rund 10 Mio. US-Dollar in bar an einen hohen Beamten und Vertrauten des damaligen Präsidenten der DRK weitergeleitet worden waren. Der wirtschaftliche Vorteil kam dabei letztendlich Glencore zuteil, wie das Urteil der BA festhält.
Ein verkraftbares Urteil
Der Verzicht auf ein Gerichtsverfahren scheint auch Glencore entgegenzukommen, der Konzern hat den Strafbefehl nicht angefochten. Das mag daran liegen, dass der Schuldspruch nur die Fälle Mutanda und Kansuki, nicht aber Katanga Mining betrifft. Jenes Verfahren hat die BA mit ihrem Entscheid eingestellt. Beim Katanga-Deal waren der kongolesischen Bevölkerung Einnahmen von 445 Mio. US-Dollar entgangen, schätzte Public Eye 2017. Lesen Sie mehr zu diesem Fall in unserem Web-Dossier.
Weiter gelang es der BA in ihren Ermittlungen nicht, Glencore oder dessen Angestellten Kenntnis über die konkreten Schmiergeldzahlungen nachzuweisen. Für Public Eye kommt dies überraschend, denn für denselben Zeitraum zwischen 2010 und 2012 hatte Glencore in den USA eingestanden, dass ein Top-Manager aus der Kupferabteilung sowie ein weiterer Angestellter über andere Korruptionsgeschäfte und Schmiergeldzahlungen in der DRK auf dem Laufenden gewesen waren.
Die BA belangt ihren Ermittlungen folgend keine Angestellten von Glencore, spricht aber den Konzern wegen Organisationsmangels (Art. 102 StGB) in Verbindung mit Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB) schuldig. Glencore habe es verpasst, das «Schlüsselrisiko» Bestechung zu identifizieren und seine Geschäfte an den Geschäftspartner Gertler «ausgelagert».
Einmal mehr haftet also ein Konzern, während die Entscheidungsträger nicht belangt werden.
Glencore kommt glimpflich davon
Schliesslich kommt Glencore auch mit der Ersatzforderung von 150 Mio. US-Dollar glimpflich davon. Die BA beteuert zwar, diese wie üblich anhand des Grundsatzes festgelegt zu haben, dass sich strafbare Handlungen wirtschaftlich nicht lohnen dürfen. Ihre Berechnung nachvollziehen können Aussenstehende aber bedauerlicherweise nicht.
Unseren Versuch, mit einem Fragekatalog mehr darüber zu erfahren, beantwortet die BA ablehnend. Sie könne keine weiteren Informationen dazu geben, dies würde einer Einsicht in die vertraulichen Untersuchungsakten gleichkommen. Sogar Public Eye, die Strafanzeige erstattet hatte, kann diese nicht einsehen. Seit geraumer Zeit fordert die Organisation, dass NGOs in Korruptionsfällen als Privatkläger auftreten können. So hätten sie umfassende Einsichts- und Mitwirkungsrechte.
Ist die Ersatzforderung angemessen? Eine Werteinschätzung der Mine Mutanda, die Glencore wenige Monate nach dem korrupten Geschäft veröffentlicht hatte, lässt vermuten, dass der kongolesischen Bevölkerung eine wesentlich höhere Summe entgangen ist, als von der BA berechnet. Allein um den Vorteil der korrupt erstandenen Firmenanteile an dieser einen Mine zu decken, müsste die Ersatzforderung um mindestens 130 Mio. US-Dollar höher sein, schätzt Public Eye.
Auch die Schweiz holt sich ihren Batzen
Durch die drei Minengeschäfte mit Glencore sind der kongolesischen Bevölkerung wohl Einnahmen nahe einer Milliarde US-Dollar entgangen. Im Gegenzug erhält die DRK wenig. Im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung für ein Jahrzehnt Geschäfte unter Korruptionsverdacht im Land erhielt die Regierung der DRK im Dezember 2022 von Glencore 180 Mio. US-Dollar. Diese Vereinbarung wird von der kongolesischen Zivilgesellschaft scharf kritisiert: Nicht nur bleibt ihr Inhalt und somit auch der Verwendungszweck der Gelder geheim. Auch deckt die Vereinbarung alle bisherigen und künftigen Anschuldigungen in diesem Zeitraum ab. Der Konzern hat sich also auf intransparente Weise für immer von allen Korruptionsvorwürfen zwischen den Jahren 2007 bis 2018 freigekauft.
Mit dem neuen Urteil der BA steht nun die Schweiz auch rein buchhalterisch besser da als die DRK, nachdem sie bereits die menschenrechtlichen und ökologischen Risiken der Minenindustrie ausgelagert hat. Der Sitzstaat zahlreicher Rohstoffkonzerne erhält von Glencore Ersatzforderungen in Höhe von 179,7 Mio. US-Dollar sowie 2 Mio. Franken Busse. Unter dem Strich über eine Million Franken mehr also als der zentralafrikanische Staat.
Und dieses Geld fliesst nicht zurück an die kongolesische Bevölkerung. Anlässlich eines anderen Korruptionsfalls im Rohstoffsektor hielt der Bundesrat 2022 fest, es seien «die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für eine […] Rückerstattung nicht gegeben». Diese Auslegung trifft wohl auch in diesem Fall zu und wird von Beobachter*innen in der DRK bereits kritisiert. Damit die Standortpolitik der Schweiz nicht darin gipfelt, dass sie sich an Korruptionsdelikten ihrer Konzerne im Ausland bereichert, muss das Parlament hier zwingend nachbessern.
Damit die Standortpolitik der Schweiz nicht darin gipfelt, dass sie sich an Korruptionsdelikten ihrer Konzerne im Ausland bereichert, muss das Parlament hier zwingend nachbessern.
Kein guter Deal für die Menschen im Kongo
Glencore streitet das Resultat der Untersuchung der BA weiter ab, verzichtet aber darauf, den Strafbefehl anzufechten. Der Baarer Konzern kann ein dunkles Kapitel abschliessen und bezahlt dafür nur einen Bruchteil dessen, was die Minen in der DRK einbringen. 2023 produzierten diese Kupfer und Kobalt – zwei für die «Grüne Revolution» zentrale Metalle – im Gegenwert von über 3 Mrd. US-Dollar.
Dan Gertler wurde zwar für seine Rolle als korrupter Vermittler in der DRK von den USA auf ihre Sanktionsliste gestellt, erhält aber von Glencore weiterhin zehntausende Dollar Tantiemen täglich aus diesen Minen, die durch eine strafbare Handlung erworben worden sind.
Wenig bis nichts haben die eigentlichen Leidtragenden vom Abschluss der Verfahren. Die kongolesische Bevölkerung wurde um hunderte Millionen von Einnahmen aus den korrupten Rohstoff-Deals betrogen, die über den Staatshaushalt in Infrastruktur wie Schulen oder Spitäler fliessen sollten.