Händler-Eldorado Dubai Russisches Erdöl: Dubai zieht alle Register, um die Schweiz zu verdrängen
Agathe Duparc und Manuel Abebe, in Zusammenarbeit mit Robert Bachmann, 21. November 2023
Ein Morgen wie jeder andere im Erdgeschoss des gigantischen Almas Tower, dem Sitz des Dubai Multi Commodities Center (DMCC). Wir befinden uns im Herzen der Bestie: Das 2002 vom Emirat Dubai gegründete DMCC ist einer der grössten Rohstoffhandelsplätze der Welt. Fast 23’000 Firmen sind hier registriert, die meisten von ihnen Handelsunternehmen aus der ganzen Welt, die mit Diamanten, Getreide, Tee, Kaffee oder fossilen Brennstoffen geschäften.
Am Eingang werden die Besucher von den Porträts der drei führenden Scheichs der Vereinigten Arabischen Emirate begrüsst, darunter Mohammed bin Raschid al-Maktum, der Herrscher des Emirats Dubai mit einem geschätzten Vermögen von 14 Milliarden US-Dollar. Menschengruppen warten auf ihre Zugangsbadges, während die Aufzüge, die bis in den 68. Stock fahren, unentwegt in Bewegung sind. Ein Mann, der glaubt, er habe es mit einer Geschäftsfrau zu tun, steckt uns seine Visitenkarte zu und erklärt, dass sein Unternehmen Dienstleistungen aller Art anbietet und bei der örtlichen Regierung akkreditiert ist. Man sei in der Lage, «alle erdenklichen Bedürfnisse» zu erfüllen. «Sie kommen aus der Schweiz? Sehr gut». Wir gehen nicht weiter darauf ein.
In der kreisförmigen Galerie, die einige Restaurants und Cafés beherbergt, ist das Modell des Geschäftsquartiers ausgestellt: 87 Wolkenkratzer, die wie Bäume um einen künstlichen See auf einer Fläche von über 200 Hektar platziert sind. In den Türmen befinden sich Büros, Luxusresidenzen und Hotels sowie Fitnessstudios, Restaurants, Kindergärten und Geschäfte für die Bedürfnisse der unzähligen Hunde und Katzen. Fast 100’000 Menschen arbeiten in dieser Freihandelszone. Hier arbeitet man DMCC, lebt man DMCC, isst man DMCC. Sogar eine U-Bahnstation wurde nach diesem Kürzel benannt.
Mitten im geschäftigen Treiben ein kleiner Festakt: Zum neunten Mal in Folge wurde DMCC vom Magazin FDI der «Financial Times» zur besten Freihandelszone der Welt gekürt. Zwei junge Frauen, gekleidet wie Detektive in beigefarbenen Trenchcoats und schwarzen Hüten, machen eine Reihe von Fotos, während Hostessen in ärmellosen Glitzerkleidern strahlend weisse Rosen verteilen. Wer will, lässt sich hinter einem Fotorahmen in den Farben von DMCC ablichten. Nach einer halben Stunde ist die Veranstaltung vorbei.
DMCC ist nur eine von 30 Sonderwirtschaftszonen in Dubai, aber seit dem Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland und des Erdölembargos – am 5. Dezember 2022 für Rohöl und am 5. Februar 2023 für Raffinerieprodukte – hat sie sich als bevorzugte Destination für Handelsunternehmen etabliert, die ihre Geschäfte mit Russland ungestört fortsetzen wollen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die zuvor von der Schweiz aus operierten. Im September 2023 besuchte eine Delegation des DMCC Genf und Zürich. Ihr Leiter, DMCC-Direktor Ahmed bin Sulayem, kündigte dabei an, dass innert zwei Jahren die Zahl der Schweizer Unternehmen in der Freihandelszone um 30% zugenommen habe.
Die Vereinigten Arabischen Emirate, die mit ihrem fabelhaften Wirtschaftswachstum beschäftigt sind, haben keine Sanktionen verhängt und stehen Russland und seinem Angriffskrieg mit freundlicher Neutralität gegenüber. Unternehmen in Dubai sind daher nicht verpflichtet, russisches Öl zu dem vom Westen festgelegten «Price Cap» zu kaufen; der Preisdeckel liegt bei 60 Dollar für ein Barrel Rohöl, 100 Dollar für Diesel und Kerosin sowie 45 Dollar für bestimmte Heizöle). Händler in der Schweiz und in den Ländern der Europäischen Union (EU) und der G7 müssen sich daran halten, um weiterhin mit Moskau Handel treiben zu können – vorausgesetzt, das Öl wird in Länder geliefert, die keine Sanktionen verhängt haben. Diese wichtige Massnahme wurde eingeführt, damit Russland seine Produkte weiterhin absetzen kann – eine Voraussetzung, um einen Anstieg der globalen Erdölpreise zu verhindern – und gleichzeitig die Einnahmen begrenzt werden, die Wladimir Putins Kriegsmaschinerie in der Ukraine finanzieren.
Russisches Öl wird neu über Dubai gehandelt
Vor Ort wundert sich niemand über die Tatsache, dass Dubai, das als Bindeglied zwischen der westlichen Welt und den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika fungiert, innerhalb weniger Monate zum neuen Epizentrum des Handels mit russischem Öl geworden ist. Es droht die Schweiz und insbesondere Genf von diesem Thron abzusetzen. Gemäss unseren Schätzungen wurden vor der Invasion der Ukraine 50 bis 60% des russischen Rohöls von Schweizer Händlern verkauft, die ihre Büros mehrheitlich in Genf hatten.
Public Eye konnte Einblick in die Ausfuhrerklärungen für russisches Rohöl erhalten, welche die Lieferanten zwischen Anfang Januar und Ende Juli 2023 bei der russischen Zollbehörde eingereicht haben. Neben Informationen über die gekauften Mengen und Preise enthalten diese Daten auch Angaben zu den Verladehäfen in Russland sowie zu den Namen der Lieferanten und Käufer.
Resultat: In den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 machten die in einer Freihandelszone in Dubai registrierten Unternehmen den Löwenanteil aus. Für den Betrag von mindestens 14 Milliarden US-Dollar kauften diese mehr als die Hälfte der Rohölmengen, die für den Export von den vier grössten russischen Häfen (Ust-Luga, Primorsk, Noworossijsk, Kozmino) gemeldet wurden. Sechs der zehn grössten Käufer von russischem Rohöl auf dem Seeweg haben ihren Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Unsere Analyse zeigt, wie in nur einem Jahr die Weltkarte des Ölhandels neu gezeichnet wurde: Die Mengen, die zuvor von privaten Tradern aus der Schweiz und Singapur verkauft wurden, werden jetzt hauptsächlich über Dubai und Hongkong gehandelt.
«Dubai hat immer versucht, seine Wirtschaft vor weltpolitischen Schwankungen zu schützen. Jetzt wollen die Behörden diversifizieren und den Handel mit russischem Öl zurückgewinnen. Sie machen einen grossartigen Job!» begeistert sich ein Analyst eines Handelsunternehmens, der vor einem Jahr aus der ruhigen Schweiz in die Hitze der Emirate zog. «Die Anziehungskraft von Dubai ist nicht neu. Sie war schon nach dem Ende des Bankgeheimnisses in der Schweiz und während der Pandemie spürbar, aber seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich die Dynamik sehr beschleunigt und jeder will hierherkommen», klärt er uns auf. Wie alle anderen Personen, mit denen wir gesprochen haben, will er anonym bleiben.
Bei den Mutmassungen über die Zukunft spaltet sich die Branche in diejenigen, die glauben, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelt, und solche, die meinen, dass ein Punkt erreicht ist, an dem es kein Zurück mehr gibt. Ein russischer Trader, der bei den grössten Genfer Unternehmen gearbeitet hat, sprach noch vor wenigen Monaten von einem «Witz», wenn von einem Umzug nach Dubai die Rede war. Er wies damals darauf hin, dass die Banken des Emirats keine Erfahrung in der Handelsfinanzierung hätten. Wir treffen ihn an der Bar eines grossen Hotels im Finanzzentrum DIFC (Dubai International Finance Center). Mittlerweile sagt er, dass «in den nächsten zehn Jahren niemand mit Dubai konkurrieren kann», wo er als Berater mittlerweile die Hälfte seiner Zeit verbringt.
Der russische Trader ist jedoch der Meinung, dass die Schweiz weiterhin sehr attraktiv sei. Die grossen Rohstoffhändler seien zwar auf anderen Märkten aktiv, aber hier immer noch fest etabliert, daran interessiert, die Verbindung zu den hiesigen Banken aufrechtzuerhalten. Auch die meisten kleineren Trader haben trotz Umzug nach Dubai noch eine Firma am Genfersee behalten. «Warum sollte man sie schliessen? So kann man immer noch einen Fuss im Westen haben und, das vor allem, die Beziehungen zu den Schweizer Banken pflegen, die den Handel finanzieren, auch wenn sie nichts mehr mit russischen Produkten zu tun haben wollen», bemerkt er.
Die Genfer Rue du Rhône auf 78 Stockwerken
Ab Sommer 2022 verschwanden die Genfer Giganten Trafigura, Vitol und Gunvor, langjährige Partner der staatlichen russischen Ölgesellschaften wie Rosneft, in Erwartung des historischen Embargos, aus den Top 10 der Käufer von russischem Öl. Sie fürchteten um ihren Ruf. Nach und nach wurden sie durch weniger bekannte Händler oder sogenannte «Pop-up»-Unternehmen ersetzt, d.h. Unternehmen mit einem völlig undurchsichtigen Profil, die plötzlich auf dem Markt auftauchten, ohne dass ihre Eigentümer bekannt waren.
Public Eye Recherche
«Handel mit russischem Öl in der Schweiz: Ein trügerischer Abschied?»
Die grössten Ölhändler hatten bereits Anfang der 2010er Jahre Niederlassungen in dem kleinen Emirat eröffnet, wie aus dem Handelsregister von DMCC hervorgeht. Diese Filialen in Dubai wurden ausgebaut. Und weitere wurden gegründet.
Der Genfer Handelskonzern Gunvor war seit 2011 mit Gunvor Middle East DMCC vertreten, aber im Oktober 2022 wurde mit Gunvor Energy Trading DMCC eine weitere Firma gegründet. Sie fokussierte sich speziell auf Transaktionen mit Russland und ist derzeit praktisch «stillgelegt», wie aus den russischen Zolldaten hervorgeht. Dasselbe gilt für die Ableger der beiden Konzerne Vitol und Trafigura.
Für den russischen Trader Litasco war der Rückzug nach Dubai eine Notwendigkeit. Vor dem Krieg in der Ukraine stammte ein Drittel der Mengen, die das nach wie vor in Genf beheimatete Unternehmen handelte, von den Ölfeldern seiner russischen Muttergesellschaft Lukoil. Um seine Aktivitäten fortzusetzen, versetzte Litasco ab dem Sommer 2022 die Hälfte seines Personals, d.h. etwa 100 Personen, in die Hitze Dubais, in die 18. Etage des Almas Towers. Sie sind jetzt bei Litasco Middle East DMCC angestellt und sind kürzlich in das neueste Schmuckstück von DMCC umgezogen, den Uptown Tower. Dieser ultra-luxuriöse 78-stöckige Turm wurde in fünf Jahren am Rand des Quartiers errichtet. In der Umgebung sind derzeit noch Bauarbeiten im Gange, entsprechend staubig ist es.
Nach unseren Informationen haben hier auch weitere Ableger von Genfer Rohstoffhändlern Unterschlupf gefunden: Trafigura PTE LTD (DMCC Branch), Socar Trading Middle East DMCC, Sahara Energy DMCC und Wellbred Trading DMCC (eine singapurische Firma, die ebenfalls in Genf ansässig ist). An der Rezeption wurde uns erklärt, dass es nicht möglich sei, eine vollständige Liste der Mieter der 23 Büroetagen vorzulegen, da dies «nicht die Politik des Hauses» sei. In der Lobby ist auffällig oft Russisch zu hören.
«Es ist ein bisschen wie in Genf an der Rue du Rhône, nur ist alles viel moderner», meint ein Vertreter der Branche, der immer noch im Almas Tower ansässig ist, der nun als «altmodisch» gilt.
Maximale Offenheit gepaart mit Undurchsichtigkeit
«Dubai will als Handelsplatz offen für alle sein und so viel Geld wie möglich anziehen», sagt ein Compliance-Spezialist, der seit Jahren in der Stadt der Emirate lebt und geschäftlich Erfolg hat. «Es hat sich zwar viel verbessert, aber bei den Firmengründungen gibt es aus unternehmensrechtlicher Sicht immer noch viele Lücken.» Die Behörden des Emirats zeigen wenig Eifer, unklare Verhältnisse zu klären, was in Zeiten von Sanktionen viele Vorteile mit sich bringt. Das DMCC verspricht beispielsweise, die Registrierung eines neuen Unternehmens oder einer Tochtergesellschaft und die Erteilung einer Lizenz benötige höchstens zwei Wochen, und das erst noch mit einer minimalen Sorgfaltsprüfung (Due Diligence). So muss der Name des wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens nicht angegeben werden. Es reicht der Name des Teilhabers, der somit auch bloss ein Strohmann sein kann.
PR-Videoclip von DMCC Corporate (2023)
Auf Anfrage antwortet der Sprecher von DMCC dazu schriftlich: «Alle Gesuche um Registrierung von Unternehmen in der Freihandelszone werden von DMCC in Übereinstimmung mit den lokalen Gesetzen und in einem klaren, umfassenden und soliden Compliance-Prozess streng geprüft».
Dubai wird seit Jahren als Heimat grosser Steuerbetrugs- und Geldwäscherei-Netzwerke angeprangert, wie die Untersuchungen Dubai Papers und Dubai Uncovered dokumentiert haben. Im Februar 2022 setzte die Financial Action Task Force (FATF), welche die Einhaltung des internationalen Mindeststandards zur Bekämpfung von Geldwäscherei überwacht, die Vereinigten Arabischen Emirate und damit Dubai wegen strategischer Mängel bei der Bekämpfung der Geldwäscherei auf eine graue Liste. Das Land steht nun unter Beobachtung und die Behörden haben sich verpflichtet, die Mängel zu beheben, um bei den internationalen Märkten und Investoren den guten Eindruck wiederherzustellen.
Öltanks und Geisterschiffe in Hülle und Fülle
Obschon 90% der russischen Barrels, die von lokalen Unternehmen gehandelt werden, gar nicht erst in die Emirate gelangen, sondern direkt aus Russland hauptsächlich nach Asien, Afrika und Lateinamerika exportiert werden hat Dubai aus logistischer Sicht viel mehr zu bieten als Genf. Sein Handelshafen Jebel Ali ist der neuntgrösste der Welt, und er erlebt gerade ein rapides Wachstum.
Laut der Online-Fachzeitschrift MEES macht der Import von russischen Ölprodukten, der vor September 2022 praktisch nicht stattfand, nun 10% des Geschäfts aus. Litasco hat dort bereits Flächen gemietet. Aufgrund dieses Zustroms soll ein neues Terminal für Öllagerung und Blending (das Mischen von Ölsorten unterschiedlicher Qualität) errichtet werden. Der Hafen von Fudschaira am Golf von Oman, 120 km östlich von Dubai, ist der wichtigste Umschlagplatz in den Vereinigten Arabischen Emiraten; er profitiert ebenfalls vom russischen Geldsegen.
Genau genommen kehrt Dubai nur zu seiner ersten Liebe zurück. In den 1970er Jahren waren es die Einnahmen aus dem schwarzen Gold die das kleine Fischerdorf, dessen einzige Attraktion der Perlenhandel war, innerhalb weniger Jahrzehnte in eine hochmoderne Stadt verwandelten, die das ganze Jahr über klimatisiert und mit der ganzen Welt verbunden ist. Der Erdölsektor macht heute 65% des Bruttoinlandprodukts der Vereinigten Arabischen Emirate aus.
Der Wüstenstaat spielt auch eine zentrale Rolle, damit Moskau sein Öl verschiffen kann, ohne Aufsehen zu erregen. Laut einer Analyse von CREA, einer finnischen Organisation, die die Umsetzung der Erdölsanktionen gegen Russland beobachtet, sind 41% der so genannten «Geisterschiffe» in den Vereinigten Arabischen Emiraten registriert – 12% in Indien und 8% in Vietnam, Hongkong und China. Es handelt sich dabei oft um schrottreife Tanker, die russisches Öl ohne Einhaltung des Preisdeckels transportieren und nicht-westliche Versicherer in Anspruch nehmen. Diese Schiffe verschwinden regelmässig von den Radarschirmen, indem sie den Funk ausschalten. Auf hoher See pumpen sie in sogenannten Ship-to-ship-Transfers Erdöl von einem Tanker auf einen andern um den russischen Ursprung der Produkte zu verschleiern.
Diese Geisterflotte soll mehr als 400 Tanker umfassen, welche die Ozeane erst noch mit dem Risiko einer Ölpest bedrohen. Hinzu kommen die gut 100 Schiffe von Sovcomflot: Im Frühjahr 2022, übertrug dieser russische staatliche Schiffsriese das Management der Tanker an seine in Dubai registrierte Tochtergesellschaft Sun Ship Management (in der Schweiz auf der Sanktionsliste) und danach teilweise an eine neue Firma, die ebenfalls in Dubai domiziliert ist.
Schweizer Kanzleien kümmern sich um die Umzüge
In der Schweiz beschäftigt das Geschäft mit den Niederlassungen in Dubai mehrere Rechtsanwält*innen. Einer davon erzählt uns, dass er regelmässig dorthin reist, um russischen Klient*innen beim Kauf von Immobilien und der Eröffnung von Bankkonten zu helfen.
Vor kurzem unterstützte der Anwalt ein Handelshaus, das seit 25 Jahren in der Schweiz registriert ist, bei der Verlagerung des Grossteils seines Personals. Das Unternehmen, dessen Namen er nicht nennen will, hat immer noch eine Präsenz in der Schweiz und einer der russischen Teilhaber lebt weiterhin in Genf. Aber es operiert jetzt von Dubai aus. Die Kreditlinien der Schweizer Banken, die seit den Sanktionen kein russisches Öl finanzieren wollen, wurden gekappt. Die Firma in Dubai finanziert sich nun aus eigenen Mitteln, durch private Investoren oder durch über russische Banken. Darüber hinaus hat sie ihre Handelsströme nach Brasilien, Indien und Südafrika verlagert. «Von Dubai aus kann man Zahlungen nach Russland tätigen, während die Banken in der Schweiz dies ablehnen, selbst wenn alles völlig legal ist», so seine Aussage.
«Hier werden meine Kunden gut aufgenommen und sie leben in perfektem Einvernehmen mit den Ukrainern, weit weg vom Krieg», fügt der Rechtsanwalt hinzu. «Es gibt russische Flaggen an einigen Hotels und mehrere Flüge pro Tag zwischen Moskau und Dubai, ohne dass ein Visum erforderlich ist. Man muss hier lediglich eine Immobilie kaufen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.»
Wir konnten uns mit einem anderen Schweizer Anwalt unterhalten, dessen Treuhandbüro in diesem Bereich führend ist und seine Dienste auch in Dubai anbietet. «Diese Woche erhielten wir fünf Anfragen von in der Schweiz registrierten Unternehmen, bei der Errichtung einer Niederlassung in Dubai zu helfen», erklärt der Anwalt. «Die Firmen handeln mit Getreide, Öl, Mineralien, Kunstwerken und Privatjets. Pro Monat sind es durchschnittlich 12 Anfragen und dies entspricht 10-15% unserer Aktivitäten. Aber Sanktionen sind bei weitem nicht das Hauptmotiv meiner Mandanten.» Dubai sei ein spritziger Tesla, während Genf ein träger Diesel bleibe. «Es kommt kaum vor, dass Konzerne, die im internationalen Handel mit Russland tätig sind, Dubai erst jetzt entdecken», sagt er und erinnert daran, dass russische Händler von Öl, Gas und Agrarrohstoffen bereits Mitte der 1990er-Jahre in den Vereinigten Arabischen Emiraten auftauchten.
Dubai ist nach wie vor unschlagbar bei den Steuern. Das Emirat hat zwar gerade eine Steuer von 9% auf Unternehmensgewinnen eingeführt, doch Unternehmen, die in Freihandelszonen registriert sind und nicht in den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig sind, können eine Steuerbefreiung für 50 Jahre erhalten. Ihre Angestellten zahlen keine Einkommenssteuer, und Aufenthaltsbewilligungen werden in Rekordzeit ausgestellt.
Russlandfreundliches Dubai
Im Jahr 2022 besuchten mehr als eine Million Russ*innen die Vereinigten Arabischen Emirate, was einem Anstieg von 60% im Vergleich zu 2021 entspricht. Nicht alle sind Touristen. Nach der russischen Invasion in der Ukraine charterten grosse russische Unternehmen Flugzeuge, um ihre Angestellten in Sicherheit zu bringen und ihnen zu ermöglichen, der Mobilisierung zu entgehen. Die wohlhabendsten Menschen kauften Firmen und Immobilien und erhielten somit Aufenthaltsbewilligungen.
Besonders begeistert ist die russische Gemeinschaft von der Wohngegend Marina Dubai mit ihren Promenaden, Restaurants und Luxusboutiquen. Sie hat auch Bluewaters erobert, eine kleine künstliche Insel in der Nähe des Strandes von Marina Dubai. Hier ist Russisch Umgangssprache.
«Es wird oft gesagt, dass Bluewaters Teil des Gebiets der Russischen Föderation sei», scherzte eine Geschäftsfrau, die wir bei Angel Cakes, einer Moskauer Konditoreikette, trafen. Die 30-jährige, die in der Luxusbranche tätig ist, pendelt von Moskau hierher, «solange, bis Putin alles schliesst». Wie viele ihrer Landsleute reiste sie früher oft in die Schweiz. Sie erzählt, dass sie «von einem Tag auf den anderen» von ihren Schweizer Bankiers aufgefordert wurde, ihr Geld anderswohin zu transferieren.
Auch die sanktionierten Oligarchen entdecken die Freuden der Sommer Dubais, wo das Thermometer 55 Grad übersteigen kann. Andrei Melnitschenko, ehemaliger Einwohner von St. Moritz und Gründer des Düngemittelriesen EuroChem sowie von SUEK, dem grössten Kohleproduzenten Russlands, ist in der Schweiz «persona non grata» und hat hier nun seine neue Heimat gefunden. Der Geschäftsmann ist bemüht, seinen Ruf aufzupolieren, wie einem aktuellen Interview der «Financial Times» zu entnehmen ist.
«Pop-ups» im Umfeld von Rosneft und Taschenspielertricks in Dubai
Seit dem Inkrafttreten des Embargos versuchen insbesondere angelsächsische Medien, die Geheimnisse der Dubaier Unternehmen zu lüften, die heute zu den grössten Käufern von russischem Öl gehören. Laut einer aktuellen Recherche von Bloomberg, war Murtaza Lakhani, dessen Unternehmen Mercantile & Maritime (MME) vor dem Krieg ein treuer Partner der staatlich russischen Rosneft war, an der Gründung von drei Firmen im Jahr 2022 in Dubai beteiligt, auch wenn er auf dem Papier keine Anteile an diesen Unternehmen hält. Dazu gehören Tejarinaft FZCO und Amur II FZCO, die Anteilseigner von Amur Investments Limited ist. Tejarinaft FZCO und Amur Investments Limited gehören aktuell zu den grössten Abnehmern von russischem Rohöl auf dem Seeweg. Gegen Lakhani wird nun in den USA wegen des Verdachts der Umgehung von Erdölsanktionen ermittelt, wie das «Wall Street Journal» schrieb. Zuletzt hat sich der Geschäftsmann bemüht, über seine Sprecher und Anwälte zu versichern, dass seine Firma MME sich im Juli 2022 vollständig aus dem Russlandgeschäft zurückgezogen hat. Bis September 2022 wurden seine Geschäfte über die Schweiz abgewickelt, wo das Rosneft-Netzwerk vor dem Ukrainekrieg fest verankert war, wie Public Eye berichtete.
Bei der Analyse der Daten des russischen Zolls fällt das Profil anderer Unternehmen auf, wie das von Demex Trading Limited DMCC, einem in der Branche wenig bekannten Händler. Zwischen Januar und Juli 2023 war das Unternehmen der fünftgrösste private Käufer von russischem Rohöl mit einem Volumen von mindestens 5,6 Millionen Tonnen. Dies entspricht pro Monat 8 Ladungen eines Tankers vom Typ Aframax.
Wir konnten nachzeichnen, dass dieses Unternehmen auf dem Papier zu 100% im Besitz einer Bürgerin der Seychellen ist, die zwischen 2010 und 2021 als Buchhalterin oder Direktorin bei mehr als 100 britischen Offshore-Firmen tätig war.
Laut einem Dokument, das uns vorliegt, waren im September 2022 vier Russen leitende Kader bei Demex, darunter Mikhail Meschentsew, der zwischen 2008 und 2010 Direktor von Transnefteproduct war, das zur staatlich russischen Transneft gehört, die alle Pipelines in Russland kontrolliert. Mehrere Quellen berichten, dass Meschentsev auch für Concept Oil Services Limited, ein Unternehmen mit Sitz in Hong-Kong tätig ist. Vor dem Krieg in der Ukraine stand Concept Oil auf der Forbes-Liste der grössten Käufer von russischem Rohöl und war dafür bekannt, dass es sein Rohöl von kleinen russischen Produzenten bezieht, den sogenannten «Malychis» (Babys). Der offizielle Eigentümer des Unternehmens, der Lette Michael Zeligman, lebt in Monaco und hat bereits in mehreren Medien von sich reden gemacht.
Gemäss den Zolldaten, die wir einsehen konnten, scheint Concept Oil Services Limited nach Inkrafttreten des Embargos von der Bildfläche verschwunden zu sein. Demex Trading Limited DMCC scheint den Stab übernommen zu haben und versorgt sich bei praktisch denselben russischen Lieferanten – hauptsächlich Irkutsk Oil Company (INK) und RNG JSC.
Concept Oil Services Limited steht seit mehreren Jahren unter dem Verdacht, von ehemaligen Transneft-Managern kontrolliert zu werden. Laut einer Recherche des unabhängigen russischen Mediums Istories stehen hinter dem Unternehmen der ehemalige Schwiegersohn von Nikolai Tokarev – aktuell Chef von Transneft und ein enger Vertrauter von Wladimir Putin – und Mikhail Arustamov, der frühere erste Vize-Direktor von Transneft. Arustamov hat diesen Sommer in Genf eine Liegenschaft im Wert von 3,8 Millionen Franken erworben, wie das Magazin «Bilan» berichtete.
Demex und Concept Oil haben unsere Fragen nicht beantwortet.
Die USA geben den grossen Tradern den Tarif durch
Washington und seine europäischen Verbündeten sind schon länger besorgt darüber, dass der russische Ölmarkt nun von Unternehmen dominiert wird, die möglicherweise von der russischen Regierung kontrolliert werden und die oft Schiffe der berüchtigten «Geisterflotte» chartern.
Wie wir erfahren haben, wurden im späten Frühjahr 2023 mehrere Genfer Ölhändler diskret von Vertretern des OFAC – der Sanktionsbehörde der Vereinigten Staaten – und des US-Aussenministeriums kontaktiert. «Sie zeigten sich sehr besorgt darüber, dass der Markt nun in den Händen kleiner, undurchsichtiger kremlnaher Unternehmen mit schrottreifen Tankern und schlecht ausgebildeten Besatzungen liegt. Sie legen uns nahe, wieder in den Handel mit russischem Öl einzusteigen», berichtet ein Angestellter einer dieser Händler.
Nach unseren Informationen wurden diese diskreten Anfragen im Sommer anlässlich eines informellen Besuchs von Vertretern des US-Finanzministeriums in Genf erneut vorgebracht. Die Presse berichtete. Der Schweizer Branchenverband der Rohstoffhändler SuisseNégoce und das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco nahmen an diesem Treffen teil, das von Gunvor und Trafigura initiiert wurde und bei dem es um die weltweite Energieversorgung ging.
Angeblich richtete Washington sein Anliegen auch an einige grosse Banken, die Handelsgeschäfte finanzierten, und bat sie, das Russlandgeschäft wieder aufzunehmen. Noch gezeichnet von den Geldstrafen, die in den letzten Jahren gegen einige Banken wegen Verstössen gegen US-Sanktionen verhängt wurden, soll keines der Finanzinstitute darauf reagiert haben. «Unsere Banken haben uns mitgeteilt, dass sie es uns nicht übel nehmen würden, wenn wir das Geschäft mit Russland mit unserem eigenen Kapital oder über andere Finanzierungskanäle wieder aufnehmen wollten. Aber sie weigern sich immer noch kategorisch, irgendetwas zu finanzieren, was mit russischen Produkten zu tun hat», sagte dieselbe Person, die bei einem Genfer Händler beschäftigt ist.
Theoretisch gibt es neben dem Reputationsrisiko nichts, was westliche Trader daran hindern würde, den Handel mit Russland wieder aufzunehmen, solange das Öl unter dem Preisdeckel gekauft wird und die Ware in Länder geliefert wird, die keine Sanktionen anwenden. Bis Ende Juni 2023 waren die Bedingungen für die Wiederaufnahme des Handels sogar günstig, da Urals, die wichtigste russische Rohölsorte, für weniger als 60 US-Dollar pro Barrel gehandelt wurde – die durch den Price Cap festgelegte Obergrenze.
Aber bereits im Juli wurde dasselbe Barrel über 60 US-Dollar gehandelt, was das Geschäft viel risikoreicher machte. In Dubai ansässige Unternehmen, die sich nicht an die Sanktionen halten müssen, können indes immer noch einspringen. «Viele Händler würden sich freuen, wenn der Preisdeckel nach oben angehoben würde. Dies ist die Bedingung für ihre Teilnahme am Handel mit russischem Öl», so ein Analyst eines in Dubai ansässigen Handelshauses.
Die grossen Rohstoffhändler bleiben jedoch auf der Hut. Seit dem Inkrafttreten des Embargos für russisches Rohöl und Erdölprodukte (Dezember 2022 respektive Februar 2023) waren Vitol, Trafigura und Gunvor kaum auf dem russischen Markt tätig. Vergangenen Juni berichtete Gunvor, auf Anfrage der Financial Times, zwischen Januar und April 2023 700'000 Tonnen Erdölprodukte aus Russland gekauft zu haben. Unseren Zolldaten zufolge handelte seine Tochtergesellschaft in Dubai – Gunvor Energy Trading DMCC – nur sehr kleine Mengen russischer Ölprodukte, einige zehntausend Tonnen seit Anfang Jahr. In Bezug auf Dieselkraftstoff gab der Trader an, dass er nur eine einzige Ladung über seine Niederlassung in Dubai gehandelt habe, im Juni 2023, und dies «weit unter dem Preisdeckel».
Gunvor erklärte, «ein Team von Sanktionsexperten, die Vollzeitmitglieder des Rechtsteams sind und sich ausschliesslich auf die Einhaltung aller anwendbaren Sanktionen konzentrieren», zusammengestellt zu haben. «Die Einhaltung der Sanktionen bedeutet, dass man legal handelt, aber nicht unbedingt, dass man den Handel [mit Russland, Anmerkung der Redaktion] einstellt, denn das würde dem Ziel der Massnahme zuwiderlaufen», so kann man weiterlesen.
Hier die vollständige Antwort von Gunvor auf Englisch
Vitol verfügt über eine Tochtergesellschaft in Bahrain – Vitol Bahrain EC – die unseren Daten zufolge ebenfalls geringe Volumen Russischen Öls gehandelt hat, vergleichbar mit denjenigen von Gunvors Ableger in Dubai. Vitol wollte diese Transaktionen auf Anfrage nicht kommentieren und unterstrich: «Jegliche von Vitol gehandelte Produkte Russischen Ursprungs würden unter voller Einhaltung der relevanten Sanktionsregime gehandelt». Im Juni 2023 registrierte der Händler in der Freihandelszone Dubai International Financial Center (DIFC) eine neue Zweigstelle, Vitol Bahrain (DIFC branch). Laut dem Konzern ist letztere nicht im physischem Ölhandel aktiv.
Hier die vollständige Antwort von Vitol auf Englisch
Zurzeit läuft lediglich Litasco Middle East DMCC auf Hochtouren, mit grossen Mengen, die hauptsächlich von der Muttergesellschaft Lukoil gekauft werden. Den analysierten Zollerklärungen zufolge kaufte jedoch auch die Genfer Einheit Litasco SA weiterhin russisches Öl von Genf aus, zumindest bis Juli 2023. Dies betraf hauptsächlich Transaktionen nach Bulgarien, dem einzigen Land in der EU, dem es erlaubt ist, weiterhin russisches Öl auf dem Seeweg zu importieren.
Litasco SA antwortete auf Anfrage lediglich, dass man «alle anwendbaren Gesetze und Regulierungen einhält, einschliesslich der Regeln für den von den G7-Ländern eingeführten Preisdeckel».
Die Genfer Firma gibt an, dass eine vollständige Trennung von dem Unternehmen in Dubai vorgenommen wurde. «Litasco SA besitzt und kontrolliert Litasco Middle East DMCC nicht. Der teilweise gemeinsame Name der beiden Unternehmen ist ein Überbleibsel aus der Zeit, als Litasco Middle East DMCC eine Tochtergesellschaft von Litasco SA war», lautet die Antwort der Sprecherin. Litasco Middle East DMCC liess mehrere unserer Anfragen unbeantwortet.
Hier die vollständige Antwort von Litasco auf Englisch
Eine «Chinesische Mauer» zwischen Dubai und Genf?
«Wie kann man bei grossen Handelskonzernen den Desk, der in Dubai mit russischem Öl handelt, vollständig isolieren?», fragt sich ein Mitarbeiter eines führenden Schweizer Händlers. Er könne mit dieser Geschichte mit der «Chinesischen Mauer» wenig anfangen. «Finanzielle Risiken können unabhängig voneinander berechnet werden, aber wenn das Unternehmen einem einzigen Aktionär oder einer Gruppe von Aktionär*innen gehört, müssen die Verluste einer Sparte durch die Gewinne der anderen ausgeglichen werden. Alle Positionen müssen konsolidiert werden», meint er.
Ein in Dubai ansässiger Trader äusserte sich so: «Um sicher zu sein, dass eine vollständige Trennung zwischen einer Schweizer Firma und der Einheit in Dubai besteht, muss man sich mindestens zwei Fragen stellen: Welche Kontrolle hat die erste über die Durchführung der Geschäfte in Dubai und profitiert sie von den in Dubai erzielten Ergebnissen?».
Unseren Informationen zufolge hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), das für die Durchsetzung des Erdölembargos gegen Russland zuständig ist, mehrere Trader, darunter im April 2023 die Genfer Paramount Energy & Commodities, zu dieser Frage kontaktiert. Auch die «Financial Times» berichtete. Unmittelbar nach der russischen Invasion der Ukraine stand dieses wenig bekannte Unternehmen an der Spitze der Käufer von Rohöl der Qualität ESPO Blend Crude im Hafen von Kozmino in der Nähe von Wladiwostok. Public Eye berichtete darüber. Im Juni 2022, als sich ein Embargo auf Russisches Öl abzuzeichnen begann, übernahm ein Unternehmen namens Paramount Energy and Commodities DMCC, das im Dezember 2020 gegründete wurde, dieses Geschäft. Der lukrative Handel konnte bis Januar 2023 fortgesetzt werden, als der Preis für ESPO den Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel bereits während mehrerer Monate überschritten hatte, wie aus den von uns eingesehenen Zolldaten hervorgeht.
Am 8. November 2023 setzte Grossbritannien dieses Unternehmen aus Dubai auf die Sanktionsliste. Es sei, so das britische Aussenministerium, «für seine intransparente Eigentümerstruktur bekannt und sei von Russland genutzt worden, um die Auswirkungen der Erdölsanktionen abzufedern». Ebenfalls sanktioniert wurde der Schweizer Staatsbürger François Edouard Mauron, welcher bis Mai 2023 als Direktor des Unternehmens eingetragen war. Paramount Schweiz und Paramount Dubai sollen heute, zumindest auf dem Papier, zwei vollständig getrennte Einheiten.
Aber wie kann man sicherstellen, dass diese «Chinesische Mauer» nicht nur Fassade ist? In der Schweiz definiert das Embargogesetz den territorialen Anwendungsbereich von Sanktionen nicht explizit. In den letzten Monaten hat das SECO einen Balanceakt vollzogen und erklärt, dass «rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen im Ausland oder im Ausland niedergelassene Schweizer Bürger*innen in der Regel nicht der Schweizerischen Rechtssetzung und damit auch nicht den Sanktionsmassnahmen des Bundesrats unterliegen». Diese schweizerische Besonderheit lässt viel Spielraum. Im Klartext bedeutet sie, dass ein Unternehmen mit Sitz in Dubai, das auf dem Papier völlig unabhängig geführt und verwaltet wird und nicht denselben Aktionär wie die Schweizer Struktur hat, im Falle eines Verstosses gegen die Sanktionen für russisches Öl nicht verfolgt wird.
Für das SECO hat die Stunde der Wahrheit geschlagen
In einem zunehmend angespannten internationalen Umfeld und angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass die Preise für Erdöl dauerhaft über der Preisobergrenze bleiben, muss das SECO diese Fragen so schnell wie möglich beantworten. Diesen September nahm der Nationalrat ein Postulat an, das den Bundesrat dazu aufforderte, zu analysieren, «inwieweit die Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor derzeit eingehalten werden und wo noch Mängel bestehen». Die Sanktionsabteilung des SECO wurde kürzlich reorganisiert und hat ihr Team zur Analyse von mutmasslichen Verstössen verstärkt. Der vom Parlament geforderte Bericht wird ein guter Indikator für den Kenntnisstand des SECO über die neuen Realitäten des Handels mit russischem Erdöl sowie die Rolle der in der Schweiz ansässigen Händler und deren ausländischen Niederlassungen sein. Der anhaltende Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erfordert eine schnelle und wirksame Reaktion.