Erdöl, Schulden und Raketenwerfer Trafigura und der General mit dem grünen Daumen
Adrià Budry Carbó & Anne Fishman, 18. November 2019
Briefe wie jenen, der Ende August 2017 auf seinen Tisch flatterte, erhält wohl auch José Larocca, der Leiter der Rohöl-Abteilung von Trafigura, nicht jeden Tag. «Invitation Letter» steht als Betreff über dem vom 28. August 2017 datierten Schreiben, verfasst wurde es vom Büro des Präsidenten der Republik Südsudan. Der Absender nimmt zuerst Bezug auf ein Gespräch mit einem gewissen Israel Ziv, mit dem Trafigura «verschiedene Investitionsmöglichkeiten» diskutiert habe. Dann lädt er Larocca «in diesem Zusammenhang» in den Südsudan ein – zu Gesprächen mit dem Finanz- und Planungsminister, dem Erdölminister, dem Minister des Präsidialbüros sowie, «wenn es der Zeitplan erlaubt», zu einem Höflichkeitsbesuch bei Seiner Exzellenz, dem Präsidenten der Republik Salva Kiir.
Dass der junge Ölstaat dem Genfer Unternehmen derart den roten Teppich ausrollt, liegt daran, dass sich Trafigura rasch als unverzichtbare Partnerin etabliert hat.
Das zeigen die vertrauliche Korrespondenz, die Public Eye einsehen konnte, die Finanzberichte der südsudanesischen Regierung und offizielle UN-Dokumente. Bereits wenige Monate nach der Unabhängigkeitserklärung vom 9. Juli 2011 unterzeichnete Trafigura beinahe exklusive Verträge mit dem Südsudan und stach damit seinen Konkurrenten Glencore aus. Seither hat die Handelsfirma dem Südsudan regelmässig Darlehen in der Höhe von Dutzenden Millionen Dollar gewährt. Gemäss der uns vorliegenden Dokumente betragen die letzten Darlehen umgerechnet etwa 85,2 Millionen Dollar für den Zeitraum 2017/2018 und 48,6 Millionen Dollar für 2018 bis 2019.
Die Recherchen von Public Eye zeigen, wie massiv die Rückzahlung dieser Darlehen das Staatsbudget des Südsudans belasten – und dass ein Teil dieser Gelder direkt auf das Konto eines zweifelhaften Mittelsmanns geflossen ist.
Ein den Tradern ausgelieferter Staat
Nach Angaben der Weltbank ist der Südsudan das erdölabhängigste Land der Welt. Das schwarze Gold macht beinahe die Gesamtheit seiner Exporte aus und ist für fast 60 Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) verantwortlich. Die grosse Mehrheit der Konsumgüter muss importiert werden. Das Land, das über Erdölreserven von geschätzt 3,5 Milliarden Barrel verfügt (was etwas mehr als einem Monat des weltweiten Verbrauchs entspricht), ist gezeichnet von heftigen ethnischen Auseinandersetzungen. Zwischen 2013 und 2018 hat der Bürgerkrieg fast 400 000 Menschen das Leben gekostet, 2,4 Millionen sind aus dem Land geflohen und 1,9 Millionen wurden intern vertrieben. Die südsudanesische Bevölkerung machte 2014 und 2017 mehrere Hungersnöte durch. Sieben Millionen Menschen – 61 Prozent der südsudanesischen Bevölkerung – leiden auch heute noch an Hunger.
Der Südsudan ist zudem eines der allerkorruptesten Länder der Welt; im Ranking der Wahrnehmung von Korruption von Transparency International nimmt es den Rang 178 von 180 ein.
Um ihre Funktionsfähigkeit sicherzustellen, greift die Regierung von Salva Kiir offen auf Vorfinanzierungen durch Handelsfirmen wie Trafigura zurück. Diese Verträge, die in offiziellen Berichten als «Erdölvorschüsse» bezeichnet werden, ermöglichen es dem Südsudan, finanzielle Mittel zu erhalten, noch bevor das Öl überhaupt aus dem Boden gepumpt wird. Die Kreditgebenden stellen sicher, dass sie bei den zukünftigen Verkäufen dieses Öls ihr Geld zurückerhalten. Das Land begibt sich in eine Art Schuldknechtschaft.
Laut einem Bericht des Ministeriums für Erdöl und Bergbau stimmte die Regierung in Juba am 31. März 2016 Erdölvorschüssen im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar zu. Zum Vergleich: Das Jahresbudget der Regierung beträgt weniger als eine Milliarde Dollar.
Zu den Kreditgebenden gehörten chinesische Staatsunternehmen sowie Trafigura und Addax Energy. Die beiden Genfer Firmen waren in diesem Zeitraum die einzigen privaten Unternehmen, die sich an diese problematischen Geschäfte wagten. Trafigura überwies einen Vorschuss von 125 Millionen Dollar, die Höhe des Vorschusses von Addax konnte von den Behörden nicht einmal genau spezifiziert werden. Auf Anfrage von Public Eye beteuerte Addax Energy, im Südsudan nie eine Vorauszahlung getätigt, sondern lediglich im Februar 2016 eine Erdölladung gekauft zu haben.
Der Bericht weist darauf hin, dass diese Schulden untragbar seien und erwähnt die Anstrengungen, die man unternommen habe, um angesichts der sinkenden Ölpreise die Erdölvereinbarungen mit dem sudanesischen Nachbarn neu zu verhandeln. Die Praxis der Erdölvorschüsse an sich wird jedoch noch nicht infrage gestellt.
Eine schwere finanzielle Last
Vorfinanzierungen von Erdölverkäufen geraten regelmässig in die Kritik, da sie die Wirtschaft rohstoffreicher Länder stark belasten. Diese Transaktionen, die wegen der Preisschwankungen risikoreicher sind als direkte Verkäufe, tragen zum hohen Verschuldungsgrad bei. Denn die Rohstoffhändler erhalten bei der Rückzahlung dieser Kredite in Form von Öllieferungen sehr vorteilhafte Preise. Dieser Mechanismus trägt zu einem Teufelskreis bei, da so ein immer grösserer Teil der im Vorfeld erhaltenen Gelder für die Rückzahlung der Schulden verwendet werden muss, statt dass sie für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes eingesetzt werden könnten.
Die Schuldenspirale
Die enge Beziehung zwischen dem Südsudan und Trafigura hat ihre Wurzeln bei der Entstehung des jungen afrikanischen Staates. Bereits Anfang 2012 spielte Trafigura eine wichtige Rolle, als die Firma eine Erdölladung kaufte, deren Eigentum sowohl vom Sudan wie vom Südsudan beansprucht wurde. Der Streitfall wurde letztlich von einem Londoner Gericht zugunsten des Südsudans und seiner Verbündeten Trafigura entschieden – was die Beziehung der Regierung in der Hauptstadt Juba mit dem Genfer Handelsunternehmen besiegelt hat, das seither zu einem Kreditgeber geworden ist und das Regime von Salva Kiir mitfinanziert.
Der erste Vorfinanzierungsvertrag, den wir im Rahmen unserer Recherchen identifizieren konnten, datiert vom 7. März 2013. In diesem Dokument, welches viermal umgeschrieben und erst am 6. Januar 2016 unterzeichnet wurde, verpflichtete sich der Südsudan, mehr als 75 Millionen Dollar in Form von Rohöllieferungen zurückzuzahlen. Das geliehene Geld wurde über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Bank der Zentralbanken mit Sitz in Basel, ausbezahlt. Wir werden noch auf den Profiteur dieser Transaktion zurückkommen.
In einem Brief, den das Fachmedium «Africa Intelligence» am 11. November 2016 publik gemacht hat, lobt Trafigura die «langfristige Partnerschaft» mit dem Südsudan. Und fordert im gleichen Schreiben vom Erdölminister, Ezekiel Lol Gatkuoth, und vom Finanzminister, Stephen Dhieu Dau, die Lieferung der «Novemberladung». Im Gegenzug dafür gebe es eine «Vorauszahlung von etwa zehn Millionen Dollar an das Finanzministerium, um die Auslieferung dieser Ladung zu erleichtern und das Ministerium bei seiner Arbeit zu unterstützen». Der Brief schliesst mit der Bemerkung, dass die Lieferung positiv wäre in Bezug auf «unsere fortlaufende Partnerschaft und weitere Vorauszahlungen in naher Zukunft an die Republik Südsudan». Keine der Parteien hat sich zum Inhalt dieses undatierten Dokuments, das lediglich von einem Manager, der bei Trafigura für Handelsfinanzierung zuständig ist, unterschrieben wurde, geäussert – oder dessen Authentizität infrage gestellt.
Im April 2017 beliefen sich die Rückzahlungen in Form von Rohöllieferungen an Trafigura auf 184 Millionen US-Dollar. Das Finanzministerium beklagte sich über die Schuldenspirale, in die sich der Südsudan verstrickt hatte, und zeigte sich besorgt über den Rückgang der Erdöleinnahmen. Ziehe man die Entschädigungen an den Sudan, die Rückzahlung von Erdölvorschüssen und andere Schuldverpflichtungen ab, habe die Regierung der Republik Südsudan «nur 14 % der Rohöleinnahmen» erhalten, steht im Jahresbericht für das Geschäftsjahr 2016/2017. Ganz zu schweigen von den 82 Millionen Dollar, die Trafigura da bereits für das Folgejahr vorgeschossen hatte.
Die von uns eingesehenen Quartalsberichte für 2016 und 2017 zeigen alle die erdrückende Last der Schuldenrückzahlungen im Vergleich zu den Gewinnen aus dem Erdölsektor.
Der «grüne» General
Ein Teil des Geldes der Vorfinanzierung wurde wohl sogar am Staatsbudget vorbei ausgegeben. Dies ist bei derVorauszahlung vom 6. Januar 2016 der Fall, als Trafigura 75 Millionen Dollar überwies. In einem internen Memo, das sich Public Eye beschaffen konnte, wird der Gouverneur der Zentralbank aufgefordert, am 13. Januar 2016 die Überweisung von 45 Millionen Dollar auf ein Konto der ZIVHG Ltd zu veranlassen. Der Zweck dafür sei die Finanzierung von «Agrarprojekten». Hinter der Firma ZIVHG verbirgt sich ein Mittelsmann, der noch peinlich für Trafigura werden wird: Israel Ziv – der Mann also, der in dem eingangs zitierten Einladungsschreiben aus dem Südsudan vom August 2017 erwähnt wird.
Ein hochriskanter Kontext
Der Vertrag vom 6. Januar 2016 wurde von Salvatore Garang Mabiordit unterzeichnet, dem damaligen Unterstaatssekretär des Ministeriums für Finanzen und Planung – einem Cousin von Präsident Salva Kiir. Im März 2018 wird Mabiordit zum Minister ernannt, da sein Vorgänger, Stephen Dhieu Dau, im Verdacht steht, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Diese Anschuldigungen beunruhigen das US-Aussenministerium. In seinem aktuellen Bericht zum Südsudan warnt es davor, dass die Korruption «sämtliche Ebenen der Regierung und der Gesellschaft» durchdrungen habe – insbesondere den Erdölsektor. Die südsudanesische Regierung habe zwar im Rahmen der Anhörungen zum Jahresbudget 2018 einige Informationen über ihren Schuldendienst veröffentlicht, aber bis heute die Einnahmen aus dem vorverkauften Öl (die Haupteinnahmequelle des Landes) nicht offengelegt. Das Erdölministerium und das Finanzministerium seien «besonders intransparent. Gegen beide Ministerien sind Korruptionsvorwürfe erhoben worden». Lassen solche Berichte Trafigura einfach kalt?
Die Bank Hapoalim, die das Konto von ZIVHG führt, hat ihren Sitz in der israelischen Ortschaft Mevasseret Tsion, keine zehn Kilometer von Har Adar entfernt, der Siedlung im Westjordanland, in der Israel Ziv lebt. Der Veteran der israelischen Armee hat mit seinen militärischen und sicherheitstechnischen Erfahrungen schon auf der ganzen Welt erfolgreich Geschäfte gemacht. In Kolumbien zum Beispiel hat er mit seinem Unternehmen «Global CST» den Verteidigungsminister zu Taktiken der Aufstandsbekämpfung beraten und wollte sich gemäss der kolumbianischen Zeitung «El País» gemeinsam mit Trafigura an einem zweifelhaften Eisenbahnprojekt beteiligen, welches dann aber nie realisiert wurde. In einem Interview mit der israelischen Tageszeitung «Haaretz» behauptete er, bei der Freilassung von Íngrid Betancourt, einer Geisel der FARC-Guerilla, eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. In von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Berichten wird Global CST vorgeworfen, in Guinea 2010 «mit der guineischen Militärjunta den Verkauf von Waffen und die Ausbildung von Soldaten ausgehandelt» zu haben.
Doch im Südsudan tritt Israel Ziv in einer ganz anderen Rolle auf: als landwirtschaftlicher Berater. «[Ich habe ihnen erklärt,] dass sich das Land nicht nur auf der Basis von Erdöl entwickeln und erholen kann», begründete er dies gegenüber dem Journalistennetzwerk OCCRP (Organized Crime & Corruption Reporting Project), welches im vergangenen Juli eine ausführliche Recherche über seine Aktivitäten veröffentlichte. In die schöne Geschichte des zur Landwirtschaft konvertierten Militärs passt, dass er im Dezember 2015 einen Auftrag für ein Agrarprojekt erhält, das eigenen Angaben zufolge auf dem israelischen Entwicklungsmodell basiert. Das Projekt mit dem Codenamen «Green Horizon» wird auf 45 Millionen Dollar budgetiert und hat das ambitionierte Ziel, Millionen von Menschen zu ernähren oder den Südsudan sogar in einen Nettoexporteur von Agrarprodukten zu verwandeln.
Wohin geht das Geld?
Laut OCCRP wurden von der Südsudanesischen Zentralbank mindestens 140 Millionen Dollar an Israel Ziv ausgezahlt. Dieser wird vom US-Finanzministerium beschuldigt, unter dem Deckmantel eines landwirtschaftlichen Beratungsunternehmens sowohl der Regierung von Salva Kiir als auch der politischen Opposition im Lande Gewehre, Granaten- sowie Raketenwerfer und Munition im Wert von 150 Millionen Dollar verkauft zu haben. Unangenehm für Trafigura, die zur gleichen Zeit fast identische Beträge an die Südsudanesische Zentralbank überwiesen hatte.
Israel Ziv wird beschuldigt, beiden Seiten Waffen für 150 Mio. $ verkauft zu haben, unter dem Deckmantel eines landwirtschaftlichen Beratungsunternehmens.
Das OCCRP-Journalistennetzwerk besuchte eine der vier Farmen des «Green Horizon»-Projekts und fand dort nur etwa zwanzig demobilisierte Soldaten vor, die in den Feldern sassen oder auf ihren Traktoren herumlümmelten. Die Fördergelder für Ziv liefen offensichtlich am regulären Budget vorbei, denn laut Regierungsberichten wurden zwischen 2015 und 2018 weniger als 10 Millionen Dollar in land- und forstwirtschaftliche Projekte investiert – und zwar hauptsächlich für die Lohnzahlungen von Beamtinnen und Beamten
Die Überweisung auf das Konto der ZIVGH Ltd. steht auch im Widerspruch zum Friedensabkommen, das 2015 zwischen dem Präsidenten Salva Kiir und dem Rebellenführer Riek Machar unterzeichnet wurde. Dieses sieht vor, dass «sämtliche Einnahmen aus dem Erdölgeschäft […] auf das Ölkonto der BoSS [der Bank of South Sudan] einzuzahlen sind und dass die Auszahlungen in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Verfahren des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaftsplanung erfolgen müssen». Das Abkommen sieht sogar vor, dass «die Einzahlung oder Umleitung von Erdöleinnahmen auf ein anderes als das designierte Ölkonto bei der Bank of South Sudan strafrechtlich zu ahnden» seien.
Am 14. Dezember 2018 wurde Israel Ziv vom US-Finanzministerium auf die Liste der sanktionierten Personen gesetzt – ebenso wie drei der von ihm kontrollierten Unternehmen: Global N.T.M. Ltd, Global Law Enforcement and Security Ltd und Global IZ Group Ltd. Der Grund dafür bildet seine leitende Position in «Organisationen, deren Handeln das Ziel oder den Effekt haben, den Konflikt im Südsudan zu erweitern oder zu verlängern». unter Verdacht, «Söldnerangriffe auf Erdölfelder und Infrastrukturen im Südsudan geplant zu haben, um ein Problem zu kreieren, das nur sein Unternehmen und dessen Tochtergesellschaften lösen können».
In der Medienmitteilung des US-Finanzministeriums heisst es: «Ziv wurde durch die Ölindustrie bezahlt und hatte eine enge Zusammenarbeit mit einem grossen multinationalen Ölkonzern.» Das hat dazu geführt, dass sich auch Trafigura einigen unangenehmen Fragen stellen musste.
Keine Einladungen mehr
Vor dem Expertengremium der Vereinten Nationen hat Trafigura am 9. April dieses Jahres zugegeben, dass man «sich bewusst war, dass ein Teil der Vorauszahlung für das ‹Green Horizon›-Projekt verwendet werden sollte» und dass man «die Verwendung der Erdöleinnahmen für Entwicklungszwecke befürwortet». Das Unternehmen bekräftigte jedoch, «keine Partnerin in diesem Projekt» zu sein. Der Rohstoffhändler gab ausserdem zu, dass er die Dienste einer der Firmen des Ex-Militärs, L.I.O. Ziv Ltd, in Anspruch genommen habe, um «lokale Unterstützung bei der Verwaltung des Rohölhandels zwischen Trafigura und der Regierung des Südsudans zu erhalten». Er beteuerte jedoch, dass diese Vereinbarung im Mai 2017 beendet worden sei.
Nebenbei bemerkt: Wie im Südsudan steht der Einsatz solcher Mittelsmänner und Türöffner auch im Zentrum der Ermittlungen des US-Justizministeriums gegen Trafigura wegen Korruptionsverdacht in Brasilien. Unter diesem Druck kündigte der Rohstoffhändler am 15. Juli 2019 an, dass er bis im Oktober 2019 alle entsprechenden Verträge beenden werde. Überprüfen lässt sich diese Ankündigung natürlich nicht.
Wir haben Israel Ziv über das Berufsnetzwerk LinkedIn gefragt, was ein pensionierter General der israelischen Armee dazu veranlasst, plötzlich auf Landwirtschaft umzusteigen. Er hat uns nicht geantwortet. Auch die Vorwürfe des US-Finanzministeriums hat er stets zurückgewiesen. «Dies ist nicht das erste Mal, dass diese Regierung Sanktionen nutzt, um ihre Aussenpolitik durchzusetzen», verkündete er aggressiv in einem Interview für den Radiosender der israelischen Armee. In seiner Antwort an das OCCRP-Journalistennetzwerk behauptet Israel Ziv auch, nichts von der Finanzierung von Green Horizon durch den Rohstoffhändler zu wissen. «Es ist ja nicht so, dass Trafigura mir das Geld im Rahmen einer Abmachung oder eines Dreiervertrags gegeben hätte», erklärte er damals.
Public Eye hat sich auch an Trafigura gewandt, um weitere Informationen über die Art der Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem ehemaligen Soldaten zu erhalten. Trotz zahlreicher Kontakte und nach der zweimaligen schriftlichen Zusendung eines Fragenkatalogs hat das Unternehmen bis jetzt immer noch nicht reagiert.
Es scheint, dass sich das Verhältnis des Genfer Rohstoffriesen mit der Regierung des Südsudans etwas abgekühlt hat. Am 20. September hat Trafigura bei einem Londoner Handelsgericht im Zusammenhang mit nichtnäher erläuterten vertraglichen Angelegenheiten eine Klage gegen die Regierung und die Zentralbank des Südsudans eingereicht. Es ist also kaum anzunehmen, dass der Leiter der Rohöl-Abteilung von Trafigura bald wieder einen «Invitation Letter» aus dem Büro des südsudanesischen Präsidenten auf seinem Bürotisch vorfinden wird.
Der Intransparenz der Vorfinanzierungen ein Ende setzen
Der Südsudan ist ein klassisches Beispiel für den sogenannten Rohstofffluch. Das im Juli 2011 unabhängig gewordene Land wird immer noch geplagt vom Bürgerkrieg, sein BIP pro Kopf ist auf etwa 200 US-Dollar gesunken, und seine Abhängigkeit vom Erdöl nimmt mit der zunehmenden Verschuldung weiter zu. In seinem Bericht vom Juni 2019 über den Südsudan äusserte sich der Internationale Währungsfonds IWF besonders besorgt über die «Intransparenz der Erdölvorschüsse», die «die Anfälligkeit für Korruption stark erhöhen». Der IWF-Exekutivausschuss forderte die lokalen Behörden auf, «die geplanten Massnahmen zur Beendigung von Erdölvorschussverträgen umzusetzen». Einige Wochen nach Veröffentlichung des Berichts wurde die Sistierung der Erdölverträge von der Regierung Salva Kiir tatsächlich angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob diese Ankündigung in die Praxis umgesetzt wird.
In diesem Kontext muss man sich fragen, wie ein Unternehmen, das sich seiner «Null-Toleranz-Politik gegen Korruption» rühmt, im Südsudan sorglos derart intensive Handelsbeziehungen aufbauen kann, ohne sicherzustellen, dass die Zahlungen an Mittelsmänner nicht für Korruption oder illegale Zwecke verwendet werden.
Egal, wie gerne sich Trafigura als Modell für Transparenz und soziale Verantwortung darstellt: Diese Recherche zeigt einmal mehr, dass freiwillige Massnahmen von Handelsunternehmen nicht ausreichen, um das Problem der Korruption und Veruntreuung wirksam anzugehen.
Das Beispiel des Südsudans veranschaulicht, wie dringend es politische Regulierung des Rohstoffsektors braucht:
- Die Gründung einer spezifischen Aufsichtsbehörde des Rohstoffsektors. Da die politischen Machtträger diesen Schritt nicht wagen, hat Public Eye selbst realitätsnah eine solche Behörde entworfen – die ROHMA.
- Die Verpflichtung von multinationalen Konzernen zu einer vernünftigen Sorgfaltspflicht, wie es die Konzernverantwortungsinitiative verlangt.