Anderes Syngenta-Pestizid vergiftet weiter brasilianische Bauern und Bäuerinnen

Als der Gebrauch des berüchtigten Paraquat endlich auch in Brasilien untersagt wurde, sind die dortigen Landwirt*innen auf Diquat ausgewichen, ein Herbizid aus der gleichen chemischen Familie. Doch auch dieses Produkt von Syngenta, das europaweit verboten ist, birgt grosse Gesundheitsrisiken, wie eine Feldrecherche von Public Eye und Unearthed zeigt. Exportiert wird der gefährliche Wirkstoff auch aus der Schweiz.

Letzten Oktober reisten Public Eye und Unearthed in den brasilianischen Bundesstaat Paraná, um sich mit Familien von Opfern akuter Diquat-Vergiftungen zu treffen. Deren gesammelte Aussagen sind besorgniserregend: Mehrere Personen berichten von vorübergehenden Lähmungen oder bleibenden Augenschäden nach einem versehentlichen Kontakt mit Diquat. Ein Bauer starb sogar, nachdem er in einem Moment der Verzweiflung einige Schlucke des von Syngenta hergestellten und vertriebenen Pestizids zu sich genommen hatte. Die brasilianischen Behörden sind besorgt über den Anstieg der Vergiftungen durch Diquat. Viele dieser Fälle werden allerdings gar nicht gemeldet, weil es in abgelegenen Landwirtschaftsgebieten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gibt oder weil die Betroffenen Angst vor Vergeltungsmassnahmen ihrer Arbeitgeber haben.

Diquat ist in der Schweiz und der EU wegen seiner akuten Toxizität und des «hohen Risikos» für Anwender*innen und Anwohner*innen von besprühten Feldern verboten. Studien legen zudem nahe, dass dieser Wirkstoff die Parkinson-Krankheit verursachen kann. Diquat gehört zur selben chemischen Familie wie das berüchtigte Paraquat von Syngenta, das weltweit in Zehntausende von Vergiftungsfällen verwickelt ist. Die von Public Eye und Unearthed 2021 veröffentlichten «Paraquat Papers» haben die skandalösen Strategien aufgedeckt, mit denen der Basler Agrochemiekonzern sein gesundheitsschädliches Herbizid auf dem Markt zu halten versucht.    

Nachdem die Verwendung von Paraquat ab 2020 in Brasilien verboten wurde, explodierte der Einsatz von Diquat im weltgrössten Produktionsland von Sojabohnen, Zuckerrohr, Kaffee und Orangen. Von 2019 bis 2022 stieg der Verkauf von 1400 Tonnen auf 24’000 Tonnen im Jahr. Diquat gehört heute zu den zehn am häufigsten verwendeten Pestiziden im Land. Parallel dazu stiegen aber auch die Fälle von Diquat-Vergiftungen. Gemäss den Daten des brasilianischen Gesundheitsministeriums ist grossmehrheitlich Syngentas «Reglone», das dort am häufigsten verwendete Diquat-Produkt, für die Vergiftungen verantwortlich.

Das Basler Unternehmen stellt «Reglone» in seiner Fabrik im britischen Huddersfield her. Unsere Recherchen zeigen, dass Syngenta im Jahr 2023 mehr als 5000 Tonnen Diquat aus Grossbritannien, wo dessen Einsatz seit Jahren verboten ist, exportiert hat. Davon war mehr als die Hälfte für Brasilien bestimmt. Auch aus der Schweiz wird Diquat ausgeführt, allerdings ist nicht bekannt, in welchen Mengen, da diese aufgrund erheblicher Lücken in der Schweizer Gesetzgebung nicht in den offiziellen Daten auftauchen. Es ist höchste Zeit, dass Grossbritannien, die Schweiz und ganz Europa den Export von hochgiftigen, im eigenen Land verbotenen Pestiziden untersagen, um die Menschen und die Umwelt im Globalen Süden nicht länger Giften auszusetzen, die sie ihrer eigenen Bevölkerung nicht zumuten.

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch  

Carla Hoinkes, Landwirtschaftsexpertin, 044 277 79 04, carla.hoinkes@publiceye.ch