In Bellinzona wird die «Omertà» von Trafigura entlarvt

Seit dem 2. Dezember versucht der Genfer Rohstoffkonzern das Bundesstrafgericht in Bellinzona zu überzeugen, dass das Korruptionsschema, mit dem zwischen 2009 und 2011 vier Millionen Euro an einen angolanischen Beamten geflossen sind, von Ex-Angestellten und im Schatten des verstorbenen Gründers Claude Dauphin entwickelt wurde. Allerdings hat das Handelshaus aber grosse Vermögenswerte an seinen Mittelsmann T.P. abgetreten – und zwar sieben Monate nachdem die Schweizer Justiz ihre Ermittlungen aufgenommen hatte. Dies zeigen bislang unveröffentlichte Dokumente.
© Jean-Philppe Kalonji

Am zweiten Tag des Prozesses gegen Trafigura wegen Korruption in Angola war T. P. an der Reihe. Der Mittelsmann hatte für das Handelshaus in Angola und den beiden Kongos lukrative Verträge an Land gezogen. Vor dem Bundestrafgericht beschrieb er sich als bodenständigen Logistiker mit «afrikanischer Leidenschaft». Er war auch Eigentümer von ConsultCo Trading Ltd, jenem Unternehmen, über das (zum Teil als «Geschenk» von Dauphin deklarierte) Gelder an den Chef der Vertriebsgesellschaft Sonangol gezahlt wurden. Aus einer handschriftlichen Notiz, die von der Bundeskriminalpolizei bei der Durchsuchung eines Genfer Treuhänders, dessen einziger Kunde Trafigura war, beschlagnahmt wurde, geht hervor, dass ein gewisser «Mr. Non-Compliant» angewiesen worden war, diese auf den Britischen Jungferninseln domizilierte Firma verschwinden zu lassen («Erase - All ConsultCo»).

Diesem T.P. wurden sieben Monate nach Einleitung der Schweizer Ermittlungen jedoch Vermögenswerte von Trafigura zugesprochen. Im Februar 2021 übertrug die Trafigura-Tochter Puma Energy ihre gesamten Anteile an der kongolesischen SPSA Cobil SA an Translog Sàrl, ein Unternehmen im Besitz von T.P. und seinem kongolesischen Partner. Dies geht aus offiziellen Dokumenten hervor, die Public Eye einsehen konnte. Über Translog Sàrl besass T.P. bereits Anteile an SPSA Cobil SA, die Ölterminals betreibt. Über seine Regierungsbeziehungen in Brazzaville erhielt der Mittelsmann Rohöl von Trafigura, das in staatlichen Raffinerien zu billigem Treibstoff verarbeitet und dann über den Fluss Kongo in die DRK verkauft wurde. Das Geschäft wird in der Branche als «Geldmaschine» beschrieben.

Das Vergütungssystem von Trafigura trägt ebenfalls zu der vom Handelskonzern gepflegten und geforderten Kultur des Schweigens bei. Das gilt selbst für Ex-Top-Manager wie Mariano Marcondes Ferraz. Bei seiner Anhörung Mitte 2023 soll er gesagt haben, dass seine Aktienrückkäufe von Michael Wainwright und dem Rest des Vorstands blockiert wurden. Kommt es zu einem Schuldspruch gegen Trafigura, wäre es das erste Urteil in der Schweizer Geschichte gegen ein Unternehmen, das die Zahlung von Bestechungsgeldern zugelassen hat. Die Verfahren gegen Rohstoffhändler haben sich in den letzten Jahren freilich vervielfacht, wie auch die 20 von Public Eye jüngst analysierten Fälle zeigen. Auf dem Hintergrund von Trafiguras Aktivitäten in Angola unterstreicht diese Häufung die politische Notwendigkeit einer Rohstoffmarktaufsicht (ROHMA) für diesen Hochrisikosektor.

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