Maximale Risiken, minimale Daten: Der jüngste Rohstoffbericht des Bundesrats ist eine Bankrotterklärung

Seit dem Ukrainekrieg ist der politische Sprengstoff, den der Schweizer Rohstoffhandel birgt, offensichtlicher denn je und auch im Ausland ein Topthema. Mittlerweile trägt der Transithandel satte 10% zum helvetischen BIP bei und hat damit erstmals den Finanzplatz überholt. Vor diesem Hintergrund ist der neuste Rohstoffbericht des Bundesrats ein peinlicher Papiertiger. Statt wie zahlreiche andere Staaten griffige Massnahmen zur Verhinderung von Sanktionsumgehen oder Sondersteuern auf krisenbedingte Übergewinne zu beschliessen, geht die Schweiz weiter ihren Sonderweg und will auch von einer Aufsicht über den Skandalsektor nichts wissen.

In seiner ersten Analyse des Schweizer Rohstoffsektors vor zehn Jahren anerkannte der Bundesrat zwar dessen hohe Risiken durch Korruption, Steuervermeidung, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzung. Die damals gesteckten Ziele standen jedoch in keinem Verhältnis dazu. Und die Folgerapporte waren ebenso zahnlos. In seinem heute erschienenen Bericht kommt der Bundesrat nun sogar zum Schluss, dass die Umsetzung der 2018 definierten Massnahmen «weit fortgeschritten und in einigen Fällen abgeschlossen» sei. Der nächste Rechenschaftsbericht ist denn auch erst für 2026 geplant.

Dies ist angesichts der ambitionslosen Ziele zwar nicht erstaunlich, wirkt mit Blick auf die äusserst lückenhafte Datenlage und die vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine besonders augenscheinlichen Risiken jedoch zynisch. Der Bundesrat gestand letzten Juni selbst ein, dass zu wichtigen Aspekten wie der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Branche oder den gehandelten Gütern, entweder keine belastbaren Zahlen oder nur grobe Schätzungen vorliegen und kündigte eine Datenerhebung an. Darüber schweigt sich der aktuelle Rohstoffbericht jedoch aus und auch knapp ein Jahr nach der Ankündigung gibt es keine Hinweise darauf, wie und bis wann die marode Datenlage verbessert werden soll. Im Parlament und den zuständigen Departementen sind demnach auch weiterhin kaum datenbasierte und somit informierte Entscheide zur Branche zu erwarten.

Dass dies politisch gewollt ist, zeigt auch das Vorgehen von Bundesrat und Verwaltung bei den Sanktionsmassnahmen gegen russische Rohstoffe, zuletzt gegen Erdöl. Das Seco macht den Händlern nämlich weder Vorgaben noch führt es Kontrollen durch die sicherstellen, dass diese sich an die Sanktionen halten. Man will also gar nicht genau wissen, ob die Sanktionen konsequent eingehalten werden. Und dass trotz Hinweisen, dass Sanktionen über die Schweiz umgangen werden.

Dieser Blindflug zeigt, dass weder Bundesrat noch Parlament gewillt sind, den Hochrisikosektor Rohstoffhandel endlich angemessen zu beaufsichtigen. Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Sektors ist dies ebenso unverständlich wie gefährlich. Gemäss Daten der Schweizerischen Nationalbank erwirtschaftete der Transithandel, der mehrheitlich aus Rohstoffhandel besteht, im Jahr 2022 über 10% des BIP und überholte damit erstmals den Finanzplatz (8,9%). Für eine wirksame Prävention bezüglich der Risiken sowie mehr Transparenz über den mittlerweile grössten Sektor der Privatwirtschaft braucht es zwingend eine branchenspezifische Behörde, eine Rohstoffmarktaufsicht.

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