Eine Rohstoffmarktaufsicht für die Schweiz
Trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung und seinem risikoreichen Geschäftsmodell ist der Rohstoffplatz Schweiz politisch erst seit etwa 10 Jahren ein Thema. Entscheidend dafür war das Public Eye-Rohstoffbuch vom Herbst 2011.
Nach der Publikation des Buches wurden allein bis Ende 2012 27 parlamentarischen Vorstösse eingereicht, viele davon explizit zum «Rohstoffplatz Schweiz». So wurde der Bundesrat beispielsweise in einem Postulat dazu aufgefordert, einen Bericht zur Schweizer Rohstoffbranche auszuarbeiten.
Im März 2012 beauftragte der Bundesrat gleich drei Departemente (EDA, EFD, WBF) mit der Erstellung eines «Grundlagenberichts Rohstoffe». In diesem ein Jahr später publizierten Papier bestätigt die Regierung den Rohstoff-Fluch, Korruption, Geldwäscherei, Umweltvergehen und Verletzung der Menschenrechte als zentrale Problemfelder, mit denen in der Schweiz ansässige Handels-, Bergbau- und Ölkonzerne auch international regelmässig für Negativschlagzeilen sorgen.
Auch der Bundesrat erkennt die Problematik des Rohstoff-Fluchs. So schreibt er in seinem Transparenzbericht vom Juni 2014: «Rohstoffe werden oft in Ländern abgebaut, die über schlecht funktionierende staatliche Strukturen verfügen. Vor diesem Hintergrund besteht bei der Rohstoffextraktion bzw. beim Handel mit Rohstoffen regelmässig ein Risiko, dass die an die jeweiligen Regierungen geleisteten Zahlungen – wie etwa Steuern, Nutzungsabgaben oder weitere bedeutende Ausgaben – aufgrund von Misswirtschaft, Korruption und Steuerflucht versickern oder zur Konfliktfinanzierung missbraucht werden. In der Folge profitiert die Bevölkerung kaum vom Rohstoffreichtum ihres Landes und verbleibt in Armut, was als sogenannter 'Rohstofffluch' bezeichnet wird.»
Trotz dieser Einsicht fehlen in den Berichten wirkungsvolle Vorschläge, wie sich die anerkannten Risiken dieser Branche für ressourcenreiche Entwicklungsländer, aber auch für die Schweiz politisch minimieren lassen. Auch drei Folgeberichte des Bundesrates in den Jahren 2014 – 2016, ein weiterer Grundlagenbericht von 2018, sowie zwei Umsetzungsberichte 2021 und 2023 änderten daran kaum etwas.
Mit der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 und den Sanktionen des Bundesrats gegen den Handel mit Kohle, Erdöl und Gold aus Russland kam ein zusätzliches Risiko hinzu: Bei der Durchsetzung von Sanktionsmassnahmen im Rohstoffsektor stützt sich der Bund hauptsächlich auf die Selbstregulierung der beteiligten Unternehmen. Verschiedene Berichte hinterlassen jedoch den Verdacht, dass einzelne Unternehmen Schlupflöcher nutzen, um die Sanktionen zu umgehen. Die Selbstregulierung der Rohstoffhändler wird daher im In- und Ausland kritisiert.
Die Lösung: Aufsicht und Regulierung analog zur FINMA
Der Bundesrat hält zwar auch fest, «dass die Schweiz in der Regel keine spezifisch auf einzelne Sektoren ausgerichtete Wirtschaftspolitik betreibt». Dazu gibt es jedoch eine gewichtige Ausnahme: Die eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA leistet eine «konsequente Aufsicht und berechenbare Regulierung». Zudem ist der Finanzsektor durch eine eigene Gesetzgebung reguliert.
Mit dem Vorschlag von Public Eye für eine Rohstoffmarktaufsicht Schweiz (ROHMA) liegt seit bald 10 Jahren ein konkreter Vorschlag für die umfassende Regulierung des Rohstoffsektors in der Schweiz vor. Als unabhängige Behörde könnte die ROHMA durch Aufsicht und Regulierung von Rohstoffförder- und Rohstoffhandelsfirmen sowie von Goldraffinerien einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Problematik des Rohstoff-Fluchs und zur Mobilisierung von Ressourcen für Entwicklung und Armutsbekämpfung in rohstoffreichen Entwicklungsländern leisten.
Die Volksabstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 und das erreichte Volksmehr haben gezeigt, dass verantwortungsvolle Unternehmensführung auch in der Schweiz mehrheitsfähig ist. In der EU steht ein umfassendes Konzernverantwortungsgesetz vor der Verabschiedung, welches auch den Rohstoffsektor betrifft. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, muss die Schweiz den Hochrisikosektor Rohstoffhandel unter Aufsicht stellen.
Im Frühling 2023 kam ein im Auftrag von Public Eye erstelltes Rechtsgutachten zum Schluss, dass die bestehende Selbstregulierung im Rohstoffsektor den Risiken nicht Rechnung trägt und daher ein zusätzlicher Rechtsrahmen erforderlich ist, dessen Anwendung von einer staatlichen Aufsichtsbehörde kontrolliert werden sollte.
Wirksame Massnahmen gegen den Rohstofffluch
Die ROHMA würde sicherstellen, dass die Unternehmen weitreichende Sorgfaltsprüfungen (Due Diligence) vornehmen müssen:
- Sorgfaltsprüfungen bezüglich der ganzen Zulieferkette: Sie verhindern den Handel mit illegalen oder illegitimen Rohstoffen, mit Rohstoffen, die unter Verletzung der Menschenrechte oder Missachtung von Umweltnormen erworben wurden oder Konflikte sowie kriminelle Organisationen finanzieren.
- Sorgfaltsprüfungen bezüglich der Geschäftspartner: Sie verhindern unerlaubte Geschäfte mit politisch exponierten Personen, die auf Kosten der Bevölkerung in ihre eigenen Taschen wirtschaften.
Ebenso würde die Aufsicht erreichen, dass die Unternehmen ihre Pflichten bezüglich Vertrags- und Zahlungstransparenz erfüllen, internationale Sanktionen befolgen und auf aggressive Steuervermeidung verzichten. Nach Erhalt einer Lizenz von der ROHMA würde diese sicherstellen, dass die Rohstoff-Unternehmen alle Bedingungen für ihre Lizenz und alle gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen dauerhaft erfüllen. Schliesslich könnte sich die Schweiz, weil sie mit der ROHMA wichtige Pionierarbeit geleistet hat, international dafür einsetzen, dass auch andere Rohstoffhandelsplätze vergleichbare Massnahmen gegen den Rohstofffluch erlassen.
Weitere Informationen
- www.rohma.ch
- Magazin: Rohstoffmarktaufsicht Schweiz «ROHMA» (2014)
- Report: Mit einer Rohstoffmarktaufsicht gegen die Regulierungsoase (2014)
- Rechtsgutachten von Prof. Katia Villard (Universität Genf) zur ROHMA (2023, französisch)
- Deutsche Zusammenfassung des Rechtsgutachtens zur ROHMA (2023)