Ukrainekrieg: Auch die Schweiz muss die Sanktionen endlich ernsthaft umsetzen

Drei Jahre nach der russischen Invasion ist das Schicksal der Ukraine ungewisser denn je. Vor dem Hintergrund der russisch-amerikanischen Gespräche übt die EU mittels Sanktionen weiterhin Druck auf Moskau aus. Die Schweiz hat diese bis auf eine bedeutsame Ausnahme alle übernommen, weigert sich aber, sie konsequent umzusetzen und Schlupflöcher zu schliessen – sie zieht es vor, die Interessen des Rohstoffhandelsplatzes zu schützen, der über Jahrzehnte eine zentrale Bedeutung für russische Rohstoffe und Vermögen hatte. Behörden und Bundesrat beugen sich lieber dem Lobbying des Rohstoffhändlerverbands, als diesem Hochrisikosektor die überfälligen gesetzlichen Leitplanken zu setzen.

Die bis heute mutigste Reaktion der Schweiz auf den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war die vollständige Adaption des ersten EU-Sanktionspakets gegen Russland. Mittlerweile wurden deren 15 übernommen und vom dafür zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) umgesetzt, allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme. Um den Rohstoffhandelsplatz zu schützen, dessen volkswirtschaftliche Bedeutung in den Kriegsjahren weiter zugenommen hat, bleibt die Umsetzung der Massnahmen zudem lückenhaft. So ist etwa der Import und Handel mit russischer Kohle, der vor der Invasion zu 75% über Schweizer Firmen lief, zwar auch hierzulande seit April 2022 verboten. Ob diese zumeist in Zug angesiedelten Unternehmen ihre Geschäfte weiter betreiben, wurde aber nie seriös überprüft.

Dem wenig später von Brüssel verhängten Importverbot von russischem Erdöl, Moskaus grösster Einnahmequelle, schloss sich die Schweiz auch an. Zugleich begannen aber viele wichtige Genfer Händler von Putins schwarzem Gold ihre (zum Teil neu gegründeten) Ableger in Dubai zu nutzen. Ob diese Tochterfirmen – wie vom Seco gefordert – unabhängig agieren, also keine Anweisungen oder Gelder aus der Schweiz empfangen, ist bis heute unklar. Spätestens letzten Herbst hätte der Bundesrat diese offene Flanke schliessen müssen: Das 14. EU-Paket beinhaltete nämlich auch eine Verpflichtung für Unternehmen sicherzustellen, dass ihre ausländischen Töchter keine Sanktionen untergraben dürfen. Der Bundesrat entschied sich jedoch dagegen und wischte diesen Punkt vom Tisch.

Offiziell begründet wurde diese brisante Ausnahme mit der «Vermeidung rechtlicher Unsicherheit», also exakt jenem Argument, mit dem Suissenégoce, der Verband der Rohstoffbranche, beim Seco für dieses Laisser-faire geworben hatte. Dass der standortpolitische Opportunismus nach drei Jahren Blutvergiessen in der Ukraine in Bern wieder die Oberhand hat, zeigte zuletzt der öffentliche Dank der Finanzministerin an die Rohstoffkonzerne für ihren substanziellen Steuerbeitrag zu den Bundesbudgets der Kriegsjahre 2022/23. Von einer Übergewinnsteuer auf die exzessiven Profite der Krisengewinnler wollten Parlament und Bundesrat – im Gegensatz zur EU – schon im Herbst 2022 nichts wissen.

Es ist allerhöchste Zeit für eine Rückbesinnung auf die politische Verantwortung der Schweiz und die Tatsache, dass ihr Rohstoffhandelsplatz dafür den wirkungsvollsten Hebel bietet. Deshalb gehören alle übernommen Sanktionen lückenlos durchgesetzt. Sonst gerät unser Land in den Verdacht, einmal mehr schamlos von der Not Anderer zu profitieren.

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch