Verbotene Pestizide: EU exportiert über 80'000 Tonnen, ein Drittel davon stammt von Syngenta

Von Public Eye und Unearthed recherchierte Daten zeigen erstmals das Ausmass der Ausfuhren all jener hochgiftigen Pestizide, die in ihren europäischen Herkunftsländern bereits verboten sind. Diese Doppelstandards sind ein politischer Skandal und ermöglichen es der Agrochemie-Industrie, Länder mit schwächerer Regulierung wie Brasilien, Indien oder Marokko weiter mit ihren gefährlichen Produkten zu überschwemmen. Die Basler Syngenta ist die Nummer eins in diesem Geschäft.

Die EU-Staaten haben 2018 den Export von 81'615 Tonnen an Pestiziden bewilligt, deren Nutzung auf den eigenen Feldern wegen inakzeptabler Gesundheits- und Umweltrisiken untersagt ist. 90 Prozent davon kommen aus Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien. Von den 85 Zielstaaten dieser Exporte sind drei Viertel Entwicklungs- und Schwellenländer mit schwachen Vorschriften und hohen Anwendungsrisiken. Auf der Basis der Ergebnisse ihrer Untersuchung haben Public Eye und Unearthed, das Investigativ-Team von Greenpeace UK, eine Giftexport-Karte entwickelt.

Insgesamt haben rund 30 Firmen Exporte von 41 in der EU verbotenen Pestiziden aus 11 Ländern gemeldet. Ein ganzes Drittel des gesamten Exportvolumens (28'000 Tonnen) entfällt auf das Syngenta-Produkt Paraquat und macht den Schweizer Konzern damit zum mit Abstand wichtigsten Akteur in diesem toxischen Geschäft. Im Erhebungsjahr 2018 hat Syngenta fast drei Mal mehr gefährliche Pestizide aus EU-Ländern exportiert als die nächstplatzierte US-Firma Corteva. Wie die vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erhaltenen Daten zeigen, exportiert Syngenta auch aus der Schweiz hierzulande verbotene Pestizide.

In der Schweiz ist die Verwendung von Paraquat schon seit 1989 untersagt, das EU-Verbot folgte 2007. Diverse Studien zeigen, dass dieser Wirkstoff bereits in tiefen Dosen das Risiko für Parkinson-Erkrankungen erhöhen kann. Syngenta produziert Paraquat in Grossbritannien dennoch weiter und verschickt das Herbizid von dort unter anderem nach Brasilien, Mexiko oder Südafrika, wo es zahlreiche Vergiftungen verursacht. Mit diesem zynischen Geschäftsmodell gewichtet der Pestizid-Weltmarktführer seine Profite höher als die Gesundheit von Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Letzten Juli appellierten 36 UNO-Expert*innen an die EU, dieser «erbärmlichen Praxis» endlich den Riegel zu schieben. Die reichen Länder müssten «endlich die Gesetzeslücken schliessen», welche in armen Anwenderländern «häufig Verletzungen der Menschenrechte und der Menschenwürde verursachen» würden. In Frankreich tritt ein solches Exportverbot trotz starker Gegenwehr der Agrochemie-Lobby 2022 in Kraft. Auch die EU und die Schweiz müssen endlich ihre politische Doppelmoral beenden und verbindliche Massnahmen treffen, um den toxischen Exporten einen Riegel zu schieben.

Mehr Informationen bei:

Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch

Carla Hoinkes, Landwirtschaftsexpertin, 044 277 79 04, carla.hoinkes@publiceye.ch

Die Infografiken von Martin Grandjean gibt es hier zum Download.

*Methodologie

Während Monaten haben wir gemeinsam mit Unearthed bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA und bei nationalen Behörden unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz Anträge auf Einsicht in Dokumente gestellt. Wir erhielten Tausende von «Ausfuhrnotifikationen» – Meldungen, welche die Unternehmen gemäss EU-Gesetzgebung ausfüllen müssen, wenn sie Produkte in Drittländer exportieren wollen, welche in der EU verbotene Chemikalien enthalten. Zwar kann die Menge der tatsächlich exportierten Stoffe von diesen beantragten Mengen abweichen. Aber es handelt sich um die beste derzeit verfügbare Informationsquelle.

Alle 41 zum Export gemeldeten Substanzen wurden in der EU ausdrücklich «aufgrund inakzeptabler Risiken zum Schutz von Mensch und Umwelt» verboten. Aus diesem Grund sind sie auch in der sogenannten EU-PIC-Verordnung zur Regelung der Ein- und Ausfuhr gefährlicher Chemikalien und Pestizide aufgeführt, und unterliegen einer Exportnotifikationspflicht.