Die Vermittler*innen der Korruption
Firmenkonstrukte spielen in Korruptions- und Geldwäschereifällen eine zentrale Rolle, denn sie tragen dazu bei, die Identität der Akteur*innen zu verschleiern: Werden Korruptionsgelder in einer oder mehreren Firmen platziert, können die Besitzer*innen von Vermögenswerten nicht mehr identifiziert werden und Ermittlungen werden erschwert oder verunmöglicht. Die Gelder fliessen oft über mehrere, meist ungenügend regulierte Rechtsräume und die Besitzer*innen profitieren von Lücken in der internationalen Geldwäschereibekämpfung.
Geldwäscherei- und Korruptionsparadies Schweiz
Der Schweizer Finanzplatz ist weltweit einer der führenden. Mit einem Anteil von 9,7% am BIP ist er einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Die Schweiz ist zudem Spitzenreiterin in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung, einer Besonderheit, die seit über einem Jahrhundert der Stolz der Schweizer Banken ist. Ende 2019 verwalteten sie Vermögenswerte in der Höhe von 7893 Milliarden Franken, die Hälfte davon aus dem Ausland. Dies entspricht einem Weltmarktanteil von rund 25%.
Ob im Rohstoffhandel, in der Rüstungs- oder Pharmaindustrie: Die Schweiz spielt in vielen sensiblen Branchen eine wichtige Rolle. Intransparenz, fehlende Regulierung und die zentrale Rolle staatlicher Akteur*innen machen Geschäfte in diesen Branchen anfällig für Korruption. Besonders gefährdet ist der Rohstoffsektor, wie die Bundesverwaltung 2019 in ihrem Bericht über Korruption als Geldwäschereivortat einräumt:
«Rohstofftätigkeiten weisen aufgrund der beteiligten Akteure (öffentliche Unternehmen, fremde Amtsträger), des hohen Gewinnpotenzials, der Intransparenz der Transaktionen (insbesondere Verkäufe staatlicher Gesellschaften) und fehlender spezifischer Vorschriften oder internationaler Standards für diese Transaktionen ein hohes Korruptionsrisiko auf.»
Schweizer Banken und Korruptionsgelder
Emblematische Fälle machen deutlich, dass nach wie vor illegale Gelder über Schweizer Banken fliessen und dass gravierende Mängel bei der Anwendung des Geldwäschereigesetzes (GwG) bestehen.
So zeigt die Korruptionsaffäre Lava Jato die weitreichende Verstrickung von Akteur*innen mit Sitz in der Schweiz, insbesondere Finanzintermediären. Seit 2014 ermittelt die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der brasilianischen halbstaatlichen Erdölgesellschaft Petrobras sowie dem Baukonzern Odebrecht. Brasilianischen Amtsträger*innen wird vorgeworfen, zwischen Petrobras und privaten Unternehmen überteuerte Aufträge abgewickelt zu haben. Im Gegenzug erhielten die Amtsträger*innen Provisionen, die ihnen Vermittler*innen auf Offshore-Konten überwiesen. In diesem Fall richteten die brasilianischen Behörden über hundert Rechtshilfeersuchen an Bern. 2017 hatten die Schweizer Behörden bereits mehr als 1’000 Konten bei über 40 Schweizer Banken untersucht. Ihren Angaben zufolge ging es bei den Verdachtsmeldungen um mehr als eine Milliarde Franken. Trotz massiver Beteiligung der Schweizer Banken behauptete die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard 2017, die Lava-Jato-Affäre sei «ein brasilianisches Problem, kein Schweizerisches».
Die Rolle des brasilianischen Baugiganten Odebrecht im Lava-Jato-Skandal führt die Bedeutung der Schweizer Banken in dieser riesigen Korruptionsaffäre deutlich vor Augen. Um an die Petrobras-Aufträge zu kommen, hatte sich Odebrecht mit anderen Bauunternehmen abgesprochen: Sie bildeten ein Kartell und zahlten Bestechungsgelder, sowohl an die Führungskräfte der brasilianischen Ölgesellschaft als auch an Politiker*innen. Die Odebrecht-Zahlungen flossen von einer Schweizer Bank (PKB Privatbank) an andere Schweizer Banken. Ehemalige Petrobras-Führungskräfte hatten Konten etwa bei der HSBC Private Bank, Julius Bär und der Bank J. Safra Sarasin. Unter ihnen Paulo Roberto Costa: Der ehemalige Petrobras-Direktor, der als eine der tragenden «Säulen» des Korruptionsnetzwerks gilt, wurde 2015 in Brasilien aufgrund seiner Rolle in diesem Fall wegen Geldwäscherei und Erpressung verurteilt.
Lücken bei der Umsetzung des GwG durch die Banken
Die Fälle Petrobras und Odebrecht illustrieren die Grenzen der Überwachung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA). In der Schweiz basiert das System der Bankenaufsicht auf Selbstregulierung – Banken und andere Finanzintermediäre sind verpflichtet, Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Ob eine Geschäftsbeziehung eingegangen wird oder nicht, entscheidet jedoch allein die Bank. Gleichzeitig ist es das Hauptziel einer Bank, Gewinne zu erzielen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichen Pflichten und Gewinnstreben ist einer der Hauptknackpunkte im Schweizer Aufsichtssystem: Finanzintermediäre sollen ihre eigenen Kund*innen überprüfen und verdächtige Transaktionen selbst melden.
Die Zahlen der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) belegen, dass die Überwachung durch die Banken unzureichend ist.
Meistens melden Banken einen Verdacht erst nachdem Medienberichte erschienen sind. Laut einem Bericht der interdepartementalen Koordinationsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung (KGGT) basierten zwischen 2008 und 2017 mehr als die Hälfte der Meldungen auf Medienberichten.
Der ehemalige FINMA-Chef Mark Branson beklagte sich bereits 2016 über die zurückhaltende Meldebereitschaft der Banken: «Im Meldewesen braucht es eine andere Kultur. Banken müssen vermehrt Meldung erstatten, sobald sie konkrete Verdachtsmomente haben, nicht erst, wenn die Medien die Skandale bereits öffentlich gemacht haben.»
Schweizer Banken im Zentrum der venezolanischen PDVSA-Affäre
2016 verlangte US-Staatsanwältin Preet Bharara in Zusammenhang mit Veruntreuungen bei der staatlichen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela (PDVSA) Unterlagen zu 18 Finanzinstituten mit Sitz in der Schweiz. Eine Gruppe von Geschäftsleuten, sogenannte «Bolichicos», nutzte ihre Verbindungen zum Regime von Hugo Chávez und bereicherte sich auf Kosten der venezolanischen Bevölkerung, die zu den ärmsten der Welt gehört.
Seit 2018 untersucht die FINMA mehrere Schweizer Banken wegen Verdachts auf Geldwäscherei, weil sie Gelder in Verbindung mit der PDVSA entgegennahmen. In den USA wurde ein Banker der Julius Bär verhaftet.
Von der Zürcher Polizei und Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungen verdeutlichten 2020 das Ausmass der Plünderungen durch das venezolanische Regime: Die verdächtigen Geldflüsse sollen sich auf rund neun Milliarden Franken belaufen, verteilt auf Hunderte Konten bei etwa 30 Schweizer Banken.
Die Bank, die am häufigsten in US-Gerichtsdokumenten auftaucht, ist die CBH Compagnie Bancaire Helvétique mit Sitz in Genf. Sie steht im Verdacht, innerhalb von zwei Jahren 4,5 Milliarden Dollar gewaschen zu haben.