Firmencheck 2019
Die Menschen, die unsere Kleider herstellen, sollen davon in Würde leben können. Existenzsichernde Löhne sind ein verbrieftes Menschenrecht, und Bekleidungsfirmen haben eine klare Verantwortung, sie in ihrer gesamten Lieferkette zu gewährleisten. Immer mehr Marken anerkennen diese Verpflichtung auf dem Papier. Fünf Jahre nach dem «Firmencheck 2014» der Clean Clothes Campaign wollten wir wissen, wie es in der Realität aussieht: Wie viele Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten einen Lohn, mit dem sie in Würde leben können?
Nur bei zwei Firmen erhält ein Teil der Beschäftigten einen Existenzlohn
Das Resultat ist ernüchternd: Nur bei zwei der 45 befragten Firmen (Gucci, Nile) konnten wir Anhaltspunkte dafür finden, dass zumindest einem Teil der Beschäftigten in der Produktion ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird. Und nur bei Nile profitieren auch Arbeiterinnen ausserhalb des eigenen Hauptsitzlandes. Der Firmenvergleich zeigt aber durchaus Unterschiede bei den Zwischenschritten auf: Einige Marken sind weiter, einige Ansätze erfolgsversprechender als andere.
Die Ergebnisse in der Übersicht
Mehrere der befragten Firmen bekennen sich schon sehr lange zu existenzsichernden Löhnen in ihrer Lieferkette.
Doch zwei Jahrzehnte freiwilliger Massnahmen haben kaum konkrete Ergebnisse gebracht.
Diese Studie analysiert, weshalb viele der freiwilligen Ansätze, mit denen Firmen derzeit die Lohnfrage in ihrer Lieferkette angehen, zu kurz greifen. Sie zeigt, dass es mehr Verbindlichkeit braucht, um das Recht auf einen Existenzlohn zu garantieren.
Transparenz, Richtwerte, verbindliche Vereinbarungen
Die Gewährleistung existenzsichernder Löhne muss von den Markenfirmen als Priorität und unmittelbare Verpflichtung verstanden werden, nicht als wünschenswertes oder gar optionales Fernziel. Die Bekleidungsfirmen stehen in der Pflicht, ihre Verantwortung endlich wahrzunehmen: mit mehr Transparenz, Richtwerten für Existenzlöhne, konkreten Zeit- und Massnahmenplänen, rechtsverbindlichen Vereinbarungen und entsprechend angepassten Einkaufsstrategien.
Weitere Informationen
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Freiwilligkeit reicht nicht – es braucht rechtsverbindliche Vereinbarungen
Wie diese Studie zeigt, wurden mit freiwilligen Massnahmen bis heute kaum signifikante Lohnfortschritte erreicht, und keine der Firmen kann einen existenzsichernden Lohn für alle Arbeiterinnen in ihrer Lieferkette nachweisen.
In der Textilbranche gibt es jedoch zukunftsweisende Beispiele rechtsverbindlicher Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Markenfirmen, wie z.B. das Feuer- und Gebäudesicherheitsabkommen für Bangladesch (Bangladesh Accord). Der Accord hat in kürzester Zeit viele konkrete Verbesserungen für die Arbeiterinnen erreicht. Rechtsverbindliche, durchsetzbare Vereinbarungen, welche die Firmen verbindlich verpflichten, durch ihre Einkaufspraktiken und Verhandlungsprozesse einen existenzsichernden Lohn zu zahlen, könnten auch bei der Lohnproblematik die dringend nötigen Verbesserungen bringen. An solchen Lösungen sollten die Markenfirmen arbeiten.
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Richtwerte für einen Lohn zum Leben sind unerlässlich
Es gibt einen klaren Trend bei den grossen internationalen Markenfirmen, den Erfolg ihrer Massnahmen nicht an konkreten Existenzlohnrichtwerten zu messen, sondern einfach kollektiv ausgehandelte Löhne als existenzsichernde Löhne zu definieren. Die globalisierte Textilindustrie ist jedoch von Machtungleichgewichten und Standortkonkurrenz geprägt, und Tarifverhandlungen alleine dürften nur schwerlich zu existenzsichernden Löhnen führen. Diese Taktik ermöglicht es den Bekleidungsfirmen, scheinbare Erfolge bei der Umsetzung von Existenzlöhne zu verkünden, bevor ein Lohnniveau erreicht ist, von dem Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihren Familien leben können.
Ein Existenzlohn ist klar quantifizierbar, aber ständigem Wandel unterworfen, z.B. durch steigende Lebenshaltungskosten. Es braucht Richtwerte als klare Zielgrössen, an denen die tatsächlich gezahlten Löhne gemessen werden können und mit denen regelmässig überprüft werden kann, ob die Strategien und Massnahmen auch tatsächlich wirken oder angepasst werden müssen. Tarifverhandlungen können ein Weg zu diesem Ziel sein, sie dürfen aber nicht damit verwechselt werden.
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Transparenz ist ein Muss
Es braucht dringend mehr Transparenz, damit die Aussagen der Unternehmen zu existenzsichernden Löhnen mit den Fakten abgeglichen werden können. Nur messbare Ziele und konkrete Daten ermöglichen eine unabhängige Überprüfung und erlauben es den Arbeiterinnen und Verbraucherinnen, von den Markenfirmen Rechenschaft einzufordern. Unternehmen müssen nicht nur ihre Lieferantenlisten, sondern auch schlüssige Daten veröffentlichen, welche einen Vergleich der niedrigsten und durchschnittlich gezahlten Löhne mit den Mindestlöhnen und Existenzlohn-Richtwerten ermöglichen. Nur so wird deutlich, wie die Branche und die einzelnen Unternehmen bei diesem wichtigen Thema tatsächlich dastehen.
Firmenprofile: Wo die einzelnen Marken stehen
Die Ergebnisse der Firmenbefragung in der Übersicht zeigt, wo die Marken im Vergleich mit anderen stehen. Die detaillierten Firmenprofile (siehe unten) gehen auf die Massnahmen und Zwischenschritte der jeweiligen Firmen ein und geben Empfehlungen für die nächsten Schritte ab.
- Adidas
- ALBIRO AG
- ALDI (Nord & Süd)
- Amazon
- CALIDA Group
- Chicorée
- Coop
- C&A
- Decathlon
- Esprit
- Fast Retailing (UNIQLO)
- Fruit of the Loom
- GAP
- Gucci
- G-Star RAW
- HOLY FASHION GROUP (Strellson AG)
- Hugo Boss
- H&M
- Inditex (Zara)
- Intersport
- KiK
- Levi Strauss & Co. (Levi's)
- Lidl
- Mammut Sports Group
- Manor AG
- Maus Frères S.A.
- Migros Gruppe
- Nike
- Nile
- ODLO International AG
- Otto Group
- Peek & Cloppenburg KG (P&C)
- PKZ Burger-Kehl & Co. AG
- Primark
- Puma
- PVH
- Remei AG
- Sherpa Outdoor (OTTO'S AG)
- Tally Weijl
- Tchibo
- Triumph International
- Under Armour
- Workfashion
- Zalando
- Zebra Fashion AG
Firmencheck 2019
Der Firmenbericht «Existenzlöhne in der globalen Modebranche?» (2019) ist in Deutsch und Französisch erhältlich. Die internationale Ausgabe «Tailored wages» ist kürzer, sie umfasst nur 20 Modemarken.