Wenn Rohstoffhändler erwischt werden

Schliessen

Glencore, Gertler und der Kongo

Betroffene Unternehmen / Personen: Glencore International AG (Schweiz) und eine unbekannte natürliche Person 

Vorwürfe: Bestechung ausländischer Amtsträger (Art. 322septies StGB) gegen die natürliche Person; in Verbindung mit Organisationsmängeln (Art.102 StGB) gegen Glencore 

Schweizer Anwält*innen:  Peter Burckhardt & Nina Lumengo Paka, Schellenberg Wittmer, Zürich

Schauplatz des Geschehens: Demokratische Republik Kongo  

Schauplätze der Verfahren: Schweiz (BA) und Niederlande (Staatsanwaltschaft, DDPO) 

Verfahrensstand: Bundesanwaltschaft: 2 Millionen Franken Busse und 150 Millionen Dollar Ersatzforderungssumme
DPPO: Einstellung nach der Beendigung des Schweizer Verfahrens

Wiedergutmachung: keine 

Der Fall

Dieser Fall ist emblematisch für den Rohstoff-Fluch. Erze, Erdöl, Wälder, Wasser: Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) hat alles. Doch obwohl drei Viertel ihrer 100 Millionen Einwohner*innen mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag auskommen müssen, ist das Land wohlbekannt für seine öffentlichen Aufträge, an die man zumeist durch saftige Provisionszahlungen an hohe Staatsbedienstete gelangt. Dies inspiriert natürlich das Unternehmen Glencore, das die Kupfer- und Kobaltminen des Landes begehrt.  

Im Jahr 2007 geht der Konzern, damals unter der Führung von Ivan Glasenberg, eine riskante Allianz mit Dan Gertler ein. Der israelische Geschäftsmann und Diamantenhändler, ein enger Vertrauter des damaligen Staatschefs Joseph Kabila, ist bekannt dafür, ausländischen Investoren Tür und Tor zu öffnen. Mit Dan Gertlers Hilfe übernimmt Glencore den Betrieb der Bergwerke Mutanda, Kansuki und Kamoto (kontrolliert durch Katanga Mining) in der damaligen Provinz Katanga im Südosten der DR Kongo im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar.

Fünf Jahre nach den ersten Enthüllungen der NGO Global Witness über die dubiosen Geschäfte rund um den Minenkomplex von Mutanda rücken die Paradise Papers den Skandal wieder ins Rampenlicht. Das Datenleck von 2017 stammt aus einer auf die Gründung von Offshore-Firmen spezialisierten Anwaltskanzlei. Es bringt weitere Details zu den Glencore-Verträgen ans Licht und legt nahe, dass beim Erwerb der Minen Gelder veruntreut wurden. Anfang 2009 gewährte Glencore einer von Gertlers Firmen einen Kredit in Höhe von 45 Millionen US-Dollar, der an den Erfolg der Verhandlungen mit den kongolesischen Behörden über den Betrieb von Katanga Mining geknüpft war. Infolge dieser Intervention erzielte Glencore eine sensationelle Senkung der Einstiegsprämie, die auf der Basis der verfügbaren Metallvorkommen berechnet wird, von 585 auf 140 Millionen US-Dollar. Aus Sicht der DR Kongo scheint kein Grund für diese Ermässigung vorzuliegen, die einem Reinverlust in der Höhe des damaligen Bildungsbudgets entspricht.  

Am 19. Dezember 2017 reicht Public Eye Strafanzeige bei der Schweizer Bundesanwaltschaft ein, damit diese prüft, ob Glencore als Unternehmen dabei versagt hat, illegale Praktiken im Sinne seiner Sorgfaltspflichten zu verhindern. Der israelische Milliardär Dan Gertler wird am 21. Dezember 2017 vom US-Finanzministerium mit Sanktionen belegt. In der Schweiz wird ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Bestechung ausländischer Amtsträger zunächst gegen Unbekannt und im Juni 2020 namentlich gegen Glencore eröffnet.

Die Schweizer Justiz verurteilt Glencore schliesslich am 5. August 2024 zu einer Geldstrafe von 2 Millionen Franken und einer Ersatzforderungssumme von 150 Millionen Franken wegen «Organisationsversagens» im Zusammenhang mit Bestechungszahlungen, die ein «Geschäftspartner» geleistet hatte. Die Untersuchung ergab unter anderem, dass rund 26 Millionen US-Dollar über Schweizer Bankkonten von Dan Gertler flossen. Davon wurden rund 10 Millionen US-Dollar in bar an einen hochrangigen kongolesischen Beamten bezahlt, der dem damaligen Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo nahe stand.

In einer Pressemitteilung erklärt das multinationale Unternehmen, dass es die Schlussfolgerungen der Untersuchung der Bundesanwaltschaft ablehne, aber «im Interesse der Lösung dieses Falles» auf eine Berufung verzichte. Es bleibt festzustellen, dass die Schweizer Justiz nicht nachweisen konnte, dass Glencore oder seine Angestellten von den Bestechungsleistungen an den Kabila-Clan wussten. So bezieht sich das Urteil nur auf den 2011 erfolgten und durch Bestechungsgelder von Dan Gertler beförderten Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an den Bergbaubetrieben Mutanda und Kansuki (die 2013 zusammengelegt wurden) «zu einem Betrag, der unter ihrem Wert liegt». Es ging nicht um die Neuverhandlung des Kaufvertrags zu Katanga Mining, der dem kongolesischen Staat ebenfalls einen riesigen Gewinnausfall beschert hatte.

Ein niederländisches Strafverfahren, das denselben Sachverhaltskomplex betraf, wurde aufgrund des Entscheids der Schweizer Justiz eingestellt. Mit dem Schweizer Urteil sind alle Strafverfahren, die auf Glencore lasteten, abgeschlossen. Und es gibt noch eine gute Nachricht für den multinationalen Konzern: In den USA erwägt die Regierung eine Aufhebung der Sanktionen gegen Dan Gertler.

Schlüsseldokumente: 

Chronologie 

Datum

Ereignis

Quelle

2007Glencore verbündet sich mit Dan Gertler, um Anteile an zwei Kobalt- und Kupferminen in der damaligen Provinz Katanga zu erwerben. Public Eye
9. Mai 2012 Anlässlich der ersten Generalversammlung von Glencore veröffentlicht Global Witness einen Bericht über die Korruptionsrisiken rund um die Expansionspläne des Unternehmens in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Global Witness
5. November 2017 Die Paradise Papers bringen neue Details zu dieser Angelegenheit ans Licht.International Consortium of Investigative journalists
19. Dezember 2017 Public Eye erhebt Strafanzeige bei der Schweizer Bundesanwaltschaft (BA). Zwei Tage später wird Dan Gertler auf die Sanktionsliste des US-Finanzministeriums gesetztPublic Eye
26. Januar 2018Aus Presseberichten zu einem Entscheid des Bundesstrafgerichts geht hervor, dass die USA die Schweiz im Zusammenhang mit Dan Gertler bereits 2016, wahrscheinlich sogar noch früher, um Rechtshilfe ersucht haben. Tribune de Genève
Mai 2019Die BA eröffnet eine Untersuchung «gegen Unbekannt» wegen Verdachts auf Bestechung ausländischer Amtsträger im Zusammenhang mit Rohstoffgeschäften.  Le Courrier
22. Mai 2019 Public Eye reicht ein zusätzliches belastendes Dokument bei der BA nach. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes «Services Agreement», abgeschlossen 2013 zwischen einer Tochtergesellschaft von Glencore International AG und einer Firma, die von einem Vertrauten von Dan Gertler geleitet wurde. Aus diesem Vertrag geht hervor, dass die Tochter jährlich 6 Millionen US-Dollar für die Beziehungspflege zu den höchsten kongolesischen Stellen bis hin zum Kreis um den Präsidenten zahlte. Public Eye
19. Juni 2020Glencore bestätigt die Eröffnung eines Strafverfahrens durch die BA gegen den Konzern wegen «Organisationsmängeln» in Zusammenhang mit einer vermuteten Korruptionsaffäre in der DR Kongo.  SRF
24. Mai 2022Das US-Justizministerium gibt bekannt, dass Glencore mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar zahlen wird, weil es über ein Jahrzehnt hinweg umgerechnet 100 Millionen US-Dollar an Mittelsmänner gezahlt hat, um Beamte in Nigeria, Kamerun, der Elfenbeinküste, Äquatorialguinea, Brasilien, Venezuela und der DR Kongo zu bestechen.  

Glencore räumt ebenfalls ein, sich der «Manipulation von Marktpreisen» schuldig gemacht zu haben, wodurch das «Vertrauen der Marktteilnehmer in das faire und effiziente Funktionieren der Rohstoffmärkte» untergraben wurde, wie es das US-Justizministerium formuliert. Diese Sachverhalte währten bis August 2019. 
Serious Fraud Office
15. Mai 2023  Glencore schliesst im Zusammenhang mit Manipulationen von Erdöl-Deals eine Vereinbarung mit der Schweizer Justiz über die Zahlung von 29 Millionen US-Dollar an die Eidgenossenschaft, um in den Genuss einer Reduzierung seiner Geldstrafe in den USA zu kommen.  Public Eye
5. August 2024Die Bundesanwaltschaft verurteilt Glencore zu einer Geldstrafe von 2 Millionen Franken und einer Ersatzforderung von 150 Millionen US-Dollar. Aufgrund dieses Entscheids wird das niederländische Verfahren eingestellt. Das Schweizer Verfahren war im Mai 2019 nach einer Strafanzeige von Public Eye eröffnet worden.Bundesanwaltschaft

Lücken und Schwächen der Rechtsordnung  

  • Verschleierung der Verantwortung durch Einschaltung von Vermittlern zur Zahlung von Bestechungsgeldern
  • Systematische Bestechung als Organisationsmangel
  • Fehlende Kooperation der lokalen Justiz. Schwieriges Vorankommen für die Schweizer Justiz
  • Zu niedrige Bussgelder (maximal 5 Millionen Franken) und damit fehlende Abschreckungswirkung für Konzerne mit Milliardengewinnen
  • Ersatzforderungssumme wird an die Schweizer Justiz und nicht an die Korruptionsopfer gezahlt
  • Keine spezifische Aufsichtsbehörde im Rohstoffsektor und keine angemessenen Sorgfaltspflichten für die Händler