HSBC und die Salameh-Saga: Ein Jahrzehnt ignorierter Warnungen

Der in der Schweiz und einem Dutzend anderer Länder strafrechtlich verfolgt Riad Salameh wird verdächtigt, zusammen mit seinem Bruder Raja Hunderte Millionen Dollar an öffentlichen Geldern zum Nachteil der libanesischen Zentralbank, die er von 1993 bis 2023 leitete, veruntreut zu haben. In Genf wurden fast 330 Millionen mutmasslich unrechtmässig erworbene US-Dollar auf Konten der HSBC Private Bank (Schweiz) identifiziert. Anhand bisher unveröffentlichter Gerichtsdokumenten zeigt Public Eye, wie die Genfer Bank über ein Jahrzehnt lang alle Warnungen ihrer eigenen Compliance-Abteilung in den Wind schlug. Dieser Fall legt die Schwachstellen des Schweizer Dispositivs im Kampf gegen die Geldwäscherei schonungslos offen.

Das im Januar 2021 von der Bundesanwaltschaft gegen Riad und dessen Bruder Raja Salameh wegen Verdachts auf schwere Geldwäscherei eröffnete Strafverfahren ergab, dass von April 2002 bis März 2015 fast 330 Millionen US-Dollar von der Banque du Liban (BDL) an die HSBC Private Bank (Schweiz) in Genf überwiesen wurden. Und zwar auf das Konto der Forry Associates, einer auf den Britischen Jungferninseln registrierten Offshore-Struktur, deren gemeldeter wirtschaftlich Berechtigter Raja Salameh ist. Ein Teil dieser Gelder wurde auf Konten im Libanon und anderen Offshore-Gesellschaften mit grösstenteils Schweizer Konten verteilt, deren Endbegünstigter wiederum der damalige BDL-Chef Riad Salameh war. Den Ermittler*innen zufolge haben es diese mutmasslich illegalen Finanzmittel dem Salameh-Clan ermöglicht, Immobilien in mehreren Ländern zu erwerben – wie Public Eye letzten Oktober aufgedeckt hat, auch in der Schweiz. 

Bisher unveröffentlichte Dokumente, die Public Eye einsehen konnte, zeigen, wie dieses sensible Dossier von HSBC Private Bank (Schweiz) gehandhabt wurde. Zwischen 2006 und 2013 hat die interne Compliance-Abteilung rund 20 Warnungen und Anfragen an die Verantwortlichen des Kontos von Forry Associates geschickt. Anlass dazu gaben neben den raschen Geldeingängen auch die zahlreichen Überweisungen an andere undurchsichtige Unternehmen. Die Geschäftsleitung der HSBC Private Bank (Suisse) ignorierte diese Warnzeichen jedoch systematisch, wobei sie sich besonders auf die beruhigenden Worte des für das fragliche Konto Verantwortlichen stützte, der damals eine hohe Position innerhalb des Finanzinstituts bekleidete. 

Dieser Einblick zeigt grundsätzliche Schwächen des Schweizer Anti-Geldwäscherei-Systems, das sich darauf verlässt, dass Finanzintermediäre ihre Kunden im Verdachtsfall selbst anzeigen. Die Bankbeziehung mit Raja Salameh wurde im Frühling 2016 zwar aufgelöst, die HSBC Private Bank (Schweiz) wartete aber noch bis Sommer 2020, als der öffentliche Druck zunahm, mit ihrer Verdachtsmeldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). 

Die Genfer Bank kam bislang recht gut davon. Im Juni 2024 wurde sie von der FINMA zwar angewiesen, ihre internen Verfahren zu überprüfen und es ist ihr bis dahin untersagt, neue Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Personen einzugehen. Der Fall könnte jedoch eine neue Wendung nehmen, denn im Januar soll der libanesische Staat in der Schweiz eine Strafanzeige eingereicht haben. Gemäss unseren Informationen würde sich diese gegen Riad und Raja Salameh sowie andere Beteiligten richten, darunter auch die HSBC.  Ziel ist es, den Umfang der Schweizer Ermittlungen zu erweitern und selbst als Kläger aufzutreten, um mögliche Entschädigungen zu erhalten. 

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