Sortenschutzrecht
Sortenschutztitel sind geistige Eigentumsrechte für eine Pflanzensorte. Sie geben den Züchterinnen und Züchtern während 20 bis 30 Jahren Monopolrechte an der von ihnen entwickelten Pflanzensorte.
Es handelt sich um ein System, das für die spezifischen Bedürfnisse bei der Entwicklung neuer Sorten gemacht wurde: Während der Inhaber des Sortenschutztitels ein Monopol für die Vermarktung der von ihm entwickelten Sorte erhält, steht es Wettbewerbern frei, die geschützte Sorte für die Entwicklung einer neuen Sorte zu nutzen. Mit anderen Worten, der Zugang zu genetischen Ressourcen für die Entwicklung neuer Sorten bleibt frei.
Ursprünglich betrafen die Sortenschutztitel die Landwirte nicht: Es stand ihnen frei, Saatgut aus ihrer eigenen Ernte wiederzuverwenden und auszutauschen. Aber mit der Annahme des Übereinkommens UPOV91 (Union internationale pour la protection des obtentions végétales - Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) hat sich die Situation geändert.
Bedrohung für die Rechte der Kleinbäuerinnen
Sortenschutztitel, die nach dem UPOV91-Modell entwickelt wurden, verbieten den Landwirten nunmehr den Austausch und Verkauf von landwirtschaftlich gewonnenem Saatgut aus geschützten Sorten und schränken ihr Recht auf Wiederverwendung in ihren eigenen Betrieben drastisch ein.
In den Ländern des Südens bedroht die Durchsetzung von UPOV91-ähnlichen Gesetzen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen den Zugang zu Saatgut und das Recht auf Nahrung für Millionen von Bauern. Eine im Oktober 2014 veröffentlichte Menschenrechtsanalyse zeigt erstmals die existenzielle Bedrohung, die eine zwangsweise Aktualisierung der Sortenschutzgesetzgebung für Kleinbauernfamilien im Süden darstellen würde, die für ihren Lebensunterhalt auf konventionelle Saatgutvermehrung angewiesen sind.
Eine Wirkungsanalyse auf die Menschenrechte
Die von Public Eye in Zusammenarbeit mit anderen NGOs durchgeführte Studie "Owning Seeds, Accessing Food" beschreibt und belegt erstmals die konkreten Einschränkungen durch strenge Sortenschutz-Gesetze für Kleinbauern und -bäuerinnen bei der Verwendung von geschütztem Saatgut aus der vorjährigen Ernte. Denn die UPOV-Normen verbieten grundsätzlich den Tausch und Verkauf von derart produziertem Saatgut und schränken die freie Verwendung, selbst auf dem eigenen Feld, erheblich ein.
Die durch UPOV91 verliehenen Rechte stehen im Widerspruch zu den Rechten der Landwirte, die im FAO-Vertrag und in der Erklärung über die Rechte der Landwirte anerkannt sind.
Das UPOV-Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen wurde von 20 Industrieländern ausgehandelt, ohne die Besonderheiten und Bedürfnisse der Länder des Südens zu berücksichtigen. Es wird nun der ganzen Welt aufgezwungen, insbesondere durch Freihandelsabkommen. Auf Drängen von Industrieländern wie z.B. der Schweiz sind viele Entwicklungsländer gezwungen, strengere Sortenschutz-Gesetze zu erlassen.
Es gibt Alternativen
Der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, empfiehlt, dass jedes Land ein eigenes, an seine Bedürfnisse angepasstes Sortenschutzsystem entwickeln soll, welches auch die Rechte der Bäuerinnen und Bauern und die Biodiversität stärkt.
UPOV91 ist nicht das einzig existierende Modell für Sortenschutz. Es ist durchaus möglich, Sortenschutz zu gewährleisten und gleichzeitig die Rechte der Bäuerinnen und Bauern zu respektieren. In unserem Bericht (auf Englisch) zeigen wir entsprechende Alternativen zu UPOV91 auf.
Die Staaten verfügen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) über die Flexibilität, sui generis Systeme einzuführen.
Public Eye setzt sich für die Förderung alternativer Sortenschutzsysteme ein, welche die Rechte der Kleinbäuerinnen respektieren, aber auch dafür, im Rahmen des UPOV-Übereinkommens selbst mehr Freiheiten und Rechte für die Bauern zu erwirken.
Public Eye ist eines der Gründungsmitglieder von APBREBES, der ersten zivilgesellschaftlichen Dachorganisation der Welt, die - nach einem hartnäckigen Kampf - von UPOV einen Beobachterstatus erhalten hat.