Ungenügende Ethik-Kontrollen
Bereits 2013 hatte Public Eye mit der Kampagne „Berseticum Forte“ auf die Unzulänglichkeit der von Swissmedic durchgeführten Kontrollen hingewiesen. Public Eye zeigte diese Mängel auch im Rahmen einer internationalen Konferenz auf, die gemeinsam mit der NGO Health Action International im September 2016 in Genf in Anwesenheit von international anerkannten Expertinnen und Experten organisiert wurde. Public Eye verfolgte aufmerksam die Debatten im Schweizer Parlament zu diesem Thema, insbesondere durch ein Positionspapier zur Interpellation „In der Schweiz sollen nur einwandfrei getestete Medikamente auf den Markt kommen“, die Marina Carobbio 2013 dem Nationalrat vorgelegt hat, und ein weiteres Positionspapier im Rahmen der Konsultation zur Revision der Verordnungen des neuen Heilmittelgesetzes 2017.
Swissmedic – eine passive Behörde
Swissmedics Aufgabe ist, zu prüfen, ob Medikamententests unter wissenschaftlich und ethisch einwandfreien Bedingungen durchgeführt wurden. Während es internationale Bemühungen gibt, die Datensammlung und Speicherung zu regulieren, sind ethische Normen kein Thema. Werden Tests in einem schwachen Regulierungskontext durchgeführt, so kann es sich die Arzneimittelbehörde nicht erlauben, ihr Urteil nur aufgrund der Schlussfolgerungen lokaler Ethik-Kommissionen oder - wie sie selbst sagt, aufgrund der Aussagen von Auftrageberfirmen - zu fällen. Die Pharmaunternehmen haben selbstverständlich kein Interesse daran, ethische Defizite klinischer Studien zu untersuchen.
Die Intransparenz des Zulassungsverfahrens für Medikamente erlaubt keine Kontrolle durch Dritte. Aufgrund der von Swissmedic veröffentlichten Informationen ist es nicht möglich, festzustellen, welche Tests der Zulassungsentscheidung zugrunde liegen. In diesem Bereich hinkt die Schweiz der EU hinterher. 2010 hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) eine neue Politik angekündigt zur proaktiven Publizierung von vollständigen Berichten (und nicht nur Zusammenfassungen von Studien wie bisher) zu klinischen Versuchen, die der Zulassung eines Medikaments zugrunde liegen. Diese Berichte werden seit 2016 schrittweise auch auf einer spezifischen Webseite veröffentlicht. Seit mehrehren Jahren listet die EMA parallel dazu auch die wichtigsten Versuche auf, die zur Registrierungsentscheidung geführt haben.
Ein neues Gesetz mit grossen Lücken
Ab 2014 verfügt die Schweiz über ein neues Gesetz zur Forschung am Menschen, das Humanforschungsgesetz (HFG). Es vervollständigt das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte, das Heilmittelgesetz (HMG) aus dem Jahre 2001, das derzeit überarbeitet wird. Das HMG wird weiterhin die Marktzulassungsverfahren sowie die formelle Genehmigung klinischer Versuche reglementieren; das HFG die ethischen Prinzipien von Forschungsprojekten, ihre Überwachung, Transparenzfragen sowie die Koordination zwischen verschiedenen Gremien beschreiben.
Auch wenn das Humanforschungsgesetz den Schutz der Versuchsteilnehmenden verstärkt, so beschränkt es sich auf in der Schweiz durchgeführte Forschungsprojekte. Mit dem HFG ist auch einen neues, frei zugängliches Register entstanden (www.kofam.ch), das aber nur in der Schweiz durchgeführten Studien enthält und bloss minimale Informationen (Zusammenfassungen) veröffentlicht. Mit diesem neuen Gesetz hat die Schweiz also eine erhöhte Transparenz der globalisierten klinischen Studien verpasst.
Das überarbeitete Heilmittelgesetz
Ein neues Heilmittelgesetz (HMG) wurde 2017 vom Parlament verabschiedet. Es wird nach Anpassung der entsprechenden Verordnungen - voraussichtlich2019 - in Kraft treten.
Das neue HMG sieht zwei neue Artikel über die Veröffentlichung von Ergebnissen klinischer Studien (Art. 67b) und eine neue Rechtsgrundlage für Swissmedic zur Durchführung von Inspektionen im Ausland (Art. 64a) vor. Public Eye wurde bei der Vernehmlassung der entsprechenden Verordnungen konsultiert (siehe unser Positionspapier).
Im Rahmen der Revision der Verordnung über die Zulassungsanforderungen von Arzneimitteln (AMZV) plant Swissmedic, von den Pharmaunternehmen eine zusätzliche Bestätigung (Selbstdeklaration) für die Einhaltung der anerkannten Regeln der guten klinischen Praxis zu verlangen. Es sind jedoch keine Sanktionen vorgesehen, wenn sich die Erklärung später als falsch erweist (im Gegensatz zu einer ähnlichen Praxis in der EU).
Die Kampagne von Public Eye und der daraus resultierende Dialog mit den Schweizer Behörden haben zweifellos zu diesen legislativen Fortschritten bei klinischen Studien beigetragen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um Transparenz und ethische Kontrollen auf EU-Standard zu erreichen oder sogar zu übertreffen. Die Schweizer Gesetzgebung steckt noch in den Kinderschuhen.