Zahlungstransparenz: Und die Schweiz?
Der Schweizer Rohstoffsektor umfasst neben Förderaktivitäten vor allem den Handel: Hier nimmt die Schweiz eine weltweit führende Stellung ein. Im Transparenzbericht (Juni 2014) anerkannte der Bundesrat, den "internationalen Trend" hin zu mehr Zahlungstransparenz, und dass als "international führender Rohstoffhandelsplatz die Schweiz eine besondere Verantwortung (trägt), die internationalen Bemühungen für mehr Transparenz zu unterstützen." Der Bericht empfiehlt die Prüfung einer Vernehmlassungsvorlage zur Zahlungstransparenz. Bereits im Rohstoffbericht vom März 2013 kündigte der Bundesrat eine solche im Rahmen der Aktienrechtsrevision an.
Unzureichende Gesetzesvorlage
In der im November 2016 in die Vernehmlassung geschickten Vorlage zur Revision des Aktienrechts wird aber ausgerechnet der Rohstoffhandel von der Pflicht ausgenommen, alle Zahlungen an Regierungen offenzulegen. Die Vorschriften kämen damit nur bei Firmen zur Anwendung, die Rohstoffe fördern, was ihre Reichweite sehr stark einschränkte. Denn vom Gesetzesentwurf des Bundesrates wären gemäss unserer Einschätzung, die sich auf eine Datenbank mit 544 Schweizer Rohstofffirmen stützt, lediglich vier Schweizer Rohstofffirmen mit Förderaktivitäten betroffen.
Am 14. Juni 2018 ist der Nationalrat dem Bundesrat gefolgt und hat Änderungsanträge für den Einbezug des Rohstoffhandels abgelehnt. Wenn dies vom Ständerat nicht noch korrigiert wird, erhält die Schweiz ein Alibi-Gesetz. Zwar würde sie die internationalen Entwicklungen für Zahlungstransparenz von Rohstoffförder-Firmen endlich nachvollziehen. Aber der Nutzen dieser Gesetzgebung für die Bevölkerung rohstoffreicher Länder ist ohne Einbezug des Rohstoffhandels minim. Gerade mal 4 Rohstoff-Förderfirmen wären neu betroffen.
Falls das Parlament den Rohstoffhandel doch noch einbezieht, würde die Schweiz dagegen einen entscheidenden Beitrag leisten: Die Schweizer Gesetzgebung würde eine grosse Zahl von Firmen und deren umfangreichen Zahlungen an die Regierungen rohstoffreicher Länder in den globalen Transparenzstandard einbinden.
Immense Zahlungen von Schweizer Rohstoffhandelsfirmen an Regierungen
Und es geht um sehr viel Geld: Im Juli 2014 haben Public Eye (damals EvB), SWISSAID und das Natural Resource Governance Institute (NRGI) eine Pionierstudie vorgestellt, welche erstmals Zahlungsströme zwischen Schweizer Rohstoffhändlern und ausgewählten Ländern quantifizierte. Für die grössten zehn afrikanischen Ölländer südlich der Sahara betrugen sie zwischen 2011 und 2013 mindestens 55 Mrd. USD. Das ist das Doppelte der gesamten weltweiten Entwicklungshilfe an diese Länder, und das 28-fache der öffentlichen Entwicklungshilfe des Bundes für ganz Afrika. In Ländern wie Nigeria oder Äquatorialguinea stammen 20 bis 30% aller Staatseinnahmen von Schweizer Rohstoffhandels-Firmen.
Ohne den Einbezug des Rohstoffhandels in die Transparenzbestimmungen bleibt der Ertrag eines beträchtlichen Teils der Zahlungen von Förderfirmen im Dunkeln: derjenige nämlich, der nicht in Geld, sondern in Rohstoffen geleistet wird. Vor allem in der Ölgewinnung ist es üblich, dass die Firmen einen Teil dessen, was sie den Förderländern schulden, als Rohöl der staatlichen Ölgesellschaft überlassen, die dieses Öl dann weiterverkauft.
In den Berichten, z.B. unter der britischen Umsetzung der EU-Rechnungslegungs- und Transparenzrichtlinien, wird der Wert des Öls zwar nach Marktpreisen in Geldwerten angegeben. Dies entspricht aber nicht den Einnahmen, welche die nationalen Ölgesellschaften durch den Weiterverkauf tatsächlich erzielen.
Die EU-Gesetze erfassen lediglich die Zahlungsströme 1 und 2, während 3 und 5 (teilweise) in EITI-Ländern deklariert werden. Nirgends abgedeckt ist aber der entscheidende Zahlungsstrom 4, die Zahlungen der Rohstoffhändler. Deren Offenlegung ist zentral, denn nur so kann überprüft werden, ob in den Transaktionen zwischen Rohstoffhändlern und den oft korruptionsanfälligen staatlichen Ölgesellschaften alles mit rechten Dingen zu- und hergeht. Diese Lücke sollte geschlossen werden, indem man den Rohstoffhandel den gleichen Bestimmungen unterstellt wie die Rohstoffförderung.
Transparenzvorschriften auch für Rohstoffhandel überfällig
Einige Schweizer Rohstoffhändler haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt: Trafigura publizierte als erste Handelsfirma auf freiwilliger Basis ihre Zahlungen an staatliche Ölgesellschaften, Glencore folgte und Gunvor hat diesen Schritt angekündet. Diese Initiative eines der grössten Schweizer Unternehmen belegt, dass Zahlungstransparenz im Rohstoffhandel keine Wettbewerbsnachteile und auch keine unüberwindlichen bürokratischen Hürden mit sich bringt.
Die von Trafigura publizierten Zahlen legen offen, dass 2016 in EITI-Ländern 1,1 Mrd. USD an staatliche Firmen flossen, in Nicht-EITI-Ländern, also an Länder ohne jegliche Transparenzbestimmungen flossen 20,1 Mrd. Ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit entsprechender Vorschriften in den Sitzstaaten von Rohstoffhandels-Firmen.
Solange sich die Schweiz als weltgrösster Handelsplatz nicht bewegt, kommt die Zahlungstransparenz im Rohstoffhandel nicht vom Fleck und die Schweiz wird der vom Bundesrat anerkannten "besonderen Verantwortung" in keiner Art und Weise gerecht. Wir haben mit der (fiktiven) Rohstoffmarktaufsicht Schweiz (ROHMA) einen Lösungsvorschlag präsentiert.
Weitere Informationen
- Fragen und Antworten zur Zahlungstransparenz im Rohstoffsektor (2017)
- Datenbank: Swiss commodity sector: an analysis by Public Eye to understand why the Federal Council's legislative proposal is insufficient (2017)
- Positionspapier: "In Pursuit of Transparent Trading" (2015)
- Bericht: "Big Spenders: Swiss trading companies, African oil and the risks of opacity" (2014)
- Fragen und Antworten zur Zahlungstransparenz im Rohstoffsektor und der Rolle der Schweiz (2014)