Handelspolitik
Hintergründe Handelspolitik
Handelspolitik und Menschenrechte
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Menschenrechtsanalysen
«Der Welthandel muss in den Dienst der Rechte der Menschen gestellt werden. Das heisst, dass die Menschenrechte den Rahmen für alle handelspolitischen Entscheide bilden müssen.» Dies forderte Public Eye bereits vor mehr als zwanzig Jahren in ihrer Dokumentation «Menschen-Rechte Wirtschaft».
Und die Forderung ist aktueller denn je, denn in bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) sind Konflikte zwischen Handel und Menschenrechten noch wahrscheinlicher, da diese im Vergleich zu multilateralen Abkommen Bestimmungen enthalten, die noch weitergehen. Dies gilt insbesondere für FHA mit Ländern, die bezüglich Verletzungen von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten am akutesten gefährdet sind.
So kann die massive Senkung von Importzöllen den Ländern des Südens wichtige Einnahmequellen entziehen, auf die sie zur Unterstützung der ärmsten und schwächsten Bevölkerungsgruppen dringend angewiesen sind. Dadurch können Rechte auf soziale Sicherheit, auf angemessene Ernährung oder auf Bildung verletzt werden.
Weiter kann die in FHA regelmässig geforderte Stärkung des Patentschutzes negative Folgen für das völkerrechtlich garantierte Recht auf Gesundheit haben (siehe dazu unsere Dokumentation «Menschenrechte sind nicht Verhandlungssache»).
Vorgängige Menschenrechtsanalysen gefordert
UNO-Menschenrechtsgremien weisen seit Jahren auf die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen durch FHA hin. So hat die UNO die Schweiz wiederholt aufgefordert, die potenziellen Auswirkungen ihrer Freihandelsabkommen auf die Menschenrechtssituation in den Partnerländern abzuschätzen.
Menschenrechtliche Analysen erlauben es, mögliche Auswirkungen von FHA auf die Menschenrechtssituation im Partnerland frühzeitig zu identifizieren. Ihre Ergebnisse sollten eine wichtige Grundlage für die Verhandlungen bilden und als Orientierungspunkt für die Ausgestaltung von Handelsabkommen dienen. Ausserdem helfen sie, Licht in die üblicherweise intransparenten Verhandlungsprozesse zu bringen, die Aushandlung von konfliktiven Interessen demokratischer zu gestalten und die Entscheide einer öffentlichen Überprüfung zu unterziehen.
Public Eye fordert denn auch seit Jahren vom in Handelsfragen federführenden SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft), solche Menschenrechtsanalysen durchzuführen – und zwar bevor die Verhandlungen zu einem neuen FHA abgeschlossen sind.
Weil sich das SECO jahrelang hartnäckig geweigert hat, vorgängige Menschenrechtsanalysen für Handelsabkommen durchzuführen, ist die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats aktiv geworden und hat dem Bundesrat nahegelegt, vor dem Abschluss von Freihandelsabkommen Nachhaltigkeitsanalysen zu erstellen. Das hat gewirkt: In seiner jüngsten Aussenwirtschaftsstrategie hat der Bundesrat versprochen, «im Vorfeld wichtiger Wirtschaftsabkommen» solche Analysen durchzuführen. Public Eye wird diese Entwicklungen weiterhin kritisch begleiten und insbesondere darauf achten, dass die Folgeabschätzungen auch die möglichen menschenrechtlichen Auswirkungen abdecken.
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Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen
Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen
Die Freihandelsabkommen (FHA) der Schweiz beziehungsweise der EFTA – in deren Verbund die Schweiz die meisten FHA aushandelt – beinhalten seit 2010 standardmässig ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung mit Bestimmungen zu Umweltschutz und Arbeitsrechten. Zwischen 2017 und 2020 wurde dieses Kapitel überarbeitet und um neue wichtige Bestimmungen ergänzt; so etwa zu Klimawandel, Biodiversität und Waldmanagement.
Diese Erweiterungen sind zwar löblich, ändern jedoch nichts an der grundlegenden Schwäche des Nachhaltigkeitskapitels: Dieses ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung-, denn Sanktionsmöglichkeiten als griffiger Durchsetzungsmechanismus sind darin nicht vorgesehen. Ausgerechnet die Nachhaltigkeitsbestimmungen sind explizit von der im Abkommen vorgesehenen Schiedsgerichtsbarkeit ausgenommen. Damit sind sie rechtlich nicht verbindlich und auch nicht durchsetzbar. Im Fall von Verstössen setzt die Schweiz ausschliesslich auf Konsultationen und ein Expertenpanel.
Im Gegensatz dazu ist die EU bei gewissen Nachhaltigkeitsbestimmungen wie Klimawandel und Arbeitsstandards in ihren Handelsabkommen neu auf einen sanktionsbasierten Ansatz umgeschwenkt. Offenbar ist die EU, die sich zuvor ebenfalls rein «kooperativ» gab, zur Einsicht gelangt, dass sich diese Bestimmungen nur mit der Möglichkeit von Sanktionen wirklich durchsetzen lassen.
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Geistige Eigentumsrechte
Geistige Eigentumsrechte wie Patente, Sorten- oder Markenschutz sind wichtige Instrumente, um Urheber und Urheberinnen für ihre Innovationen zu entschädigen. Dem gegenüber steht das öffentliche Interesse an der Nutzung dieser Innovationen. Die Herausforderung bei der Ausgestaltung geistiger Eigentumsrechte besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Interessenslagen zu finden.
Mit der heutigen Handelspolitik, die einseitig auf die Stärkung der geistigen Eigentumsrechte fokussiert, besteht die Gefahr, dass dieses Gleichgewicht aus dem Lot gerät. In Freihandelsabkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern gehören Forderungen nach umfassenderen und stärkeren geistigen Eigentumsrechten seitens der Industrieländer – die weitaus die meisten Schutzrechte besitzen – zum Standard.
Schweiz nimmt Menschenrechtsverletzungen in Kauf
Die Schweiz tut sich hier besonders hervor. Regelmässig fordert sie im Rahmen von Freihandelsabkommen von ärmeren Ländern, den Schutz von geistigen Eigentumsrechten auszuweiten. Dabei birgt gerade die für die Schweiz besonders im Fokus stehende Stärkung von Patenten auf Medikamenten und von Sortenschutzrechten auf Saatgut die Gefahr, zu Menschenrechtsverletzungen beizutragen.
Denn umfassende und mit überlangen Laufzeiten ausgestattete Patente verteuern Medikamente. Damit werden überlebenswichtige Medikamente insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern unerschwinglich. Der Zugang zu solchen Medikamenten ist jedoch ein verbrieftes Menschenrecht – und der fehlende Zugang entsprechend eine Verletzung des Rechts auf Gesundheit.
Auch ein höheres Schutzniveau für Saatgut kann dazu führen, dass sich Kleinbauern und Kleinbäuerinnen das notwendige Pflanzmaterial nicht mehr leisten können. Und auch hier geht es um Menschenrechtsfragen. Wie Public Eye und ihre Partnerorganisationen in einer Menschenrechtsanalyse aufgezeigt haben, erschweren stärkere Sortenschutzrechte den Zugang zu Saatgut für kleinbäuerliche Haushalte und unterminieren damit ihr Recht auf Nahrung.
Deshalb wehrt sich Public Eye – zusammen mit vielen weiteren Organisationen – gegen die in Schweizer Freihandelsabkommen regelmässig erhobene Forderung nach stärkeren Eigentumsrechten. Denn Menschenrechte dürfen nicht Verhandlungssache sein.