Druck gegen TRIPS-Flexibilitäten

© Robin Hammond/Panos
Die Nutzung der TRIPS-Flexibilitäten steckt für einkommensärmere Länder voller Tücken.

Wenn ein Land wie Indien den vorhandenen Spielraum nutzt, zögern die Pharmamultis nicht, den Staat zu verklagen (wie es Novartis beim Krebsmedikament Glivec tat) – und dies mit Billigung der Regierungen ihrer Sitzstaaten. 

39 Pharmafirmen klagen gegen Südafrika

Die Negierung der Rechte einkommensärmerer Länder, den TRIPS-Spielraum vollumfänglich zu nutzen, erreichte ihren Höhepunkt Ende der 1990er-Jahre, als 39 Pharmafirmen (inklusiv Roche und Novartis) mit der Unterstützung der Regierungen ihrer Sitzstaaten eine Klage gegen Südafrika wegen angeblicher TRIPS-Verletzung anstrengten. Südafrika hatte eigentlich nichts anderes getan, als den im TRIPS vorgesehenen Spielraum zu nutzen, um eine ernste Bedrohung für die öffentliche Gesundheit – die AIDS-Pandemie – zu bekämpfen. Nach dem internationalen Skandal, den dieser Prozess ausgelöst hatte, kamen die TRIPS-Flexibilitäten im Rahmen der WTO wieder auf den Verhandlungstisch, was die politischen Weichen für die Erklärung von Doha stellte.

Begrenzte TRIPS-Ausnahme für die einkommensärmsten Länder der Welt

Die Schwierigkeit, mit der die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) eine befristete Freistellung («Waiver») von den Verpflichtungen des TRIPS-Abkommens (Artikel 66 Absatz 1, erneuerbare und bedingungslose Freistellung) erkämpft haben, zeigt, dass die reichen Länder ihre eigenen Interessen - und die ihrer multinationalen Unternehmen - vor das Grundrecht der einkommensärmsten Länder der Welt auf Entwicklung stellen. Deswegen hat Public Eye zusammen mit anderen NGOs in den Jahren 2013 und 2015 bei der WTO und der Schweizer Regierung mehrmals interveniert, was dazu beitrug, dass die Befreiung der LDCs von der Patentpflicht für Arzneimittel bis 2033 verlängert wurde.

Die Schweiz, Fürsprecherin ihrer Pharmaindustrie

Obwohl Zwangslizenzen ein wichtiges Instrument darstellen, um Patient*innen den Zugang zu patentierten Medikamenten zu sichern, werden sie noch verhältnismässig selten eingesetzt. Das Thema bleibt politisch heikel: Länder, die Pharmamultis beherbergen, drohen mit wirtschaftlichen Sanktionen, und deshalb schrecken einkommensärmere Länder davor zurück, den vorhandenen Spielraum zu nutzen. Die Schweiz hat dies beispielsweise im Fall von Thailand oder Kolumbien getan, als Krebsmedikamente von Roche und Novartis betroffen waren.